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# taz.de -- In Unterkunft jede*r Dritte infiziert: Lecker Essen gegen Corona
> In einem Bremer Flüchtlingsheim sind 120 Bewohner*innen mit Corona
> infiziert. Statt das Lager aufzulösen, speist man Betroffene mit besserem
> Essen ab.
Bild: Für mehr Coronaschutz können die Bewohner nicht demonstrieren – wegen…
Bremen taz | Mindestens 120 Geflüchtete aus der Zentralen Aufnahmestelle
(ZASt) in der Lindenstraße haben Corona. Gut 300 Testergebnisse liegen vor,
knapp 70 weitere müssen ausgewertet werden. Alle 374 Bewohner*innen der
Unterkunft, positiv wie negativ Getestete, stehen seit Mittwoch in
verschiedenen Fluren unter Quarantäne.
Diese Nachricht vermeldete Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) bei einer
eigens einberufenen Pressekonferenz nach 25 Minuten. Bis dahin war es viel
um ihren Besuch in der Einrichtung gegangen und darum, wie die Lage in der
ZASt verbessert werden solle:
Mit einem neutralen Beschwerdemanagement, einem Flur nur für Frauen, und
eventuell besserer Verpflegung. „Das Essen neigt dazu, von manchen nicht
als gut befunden zu werden“, so die Sozialsenatorin. Man wolle mehr
Abwechslung bieten und an verschiedene Esstraditionen anschließen.
Mittelfristig wolle man die W-Lan-Verbindung mit einer zweiten Leitung
weiter ausbauen – und langfristig die kabinenartigen Zimmer in einem der
beiden Wohnflügel mit oben offenen Wänden umbauen.
Forderungen, die [1][Kritiker*innen seit Jahren vorbringen.] Aktuell
allerdings stehen andere Punkte im Fokus, seit Wochen fordern
Bewohner*innen und Initiativen [2][die Auflösung der Massenunterkunft,] um
eine Verbreitung des Virus zu verhindern.
## „Physical Distancing“ in Mehrbettzimmern
Von den ursprünglich 650 Bewohner*innen seien um die 250 in den vergangenen
vier Wochen in andere Unterkünfte gekommen. Ob und wann weitere Geflüchtete
ausziehen können, ließ Stahmann offen. „Wir setzen auf Physical
Distancing“, betonte die Senatorin. Die unter Quarantäne stehenden
Bewohner*innen des Hauses leben allerdings weiterhin in Mehrbettzimmern.
Auch negativ getestete Menschen dürfen das Grundstück nicht verlassen. Sie
können aus ihren Fluren heraus, um etwa den Snackautomaten oder den
Raucherbereich vor dem Haus zu besuchen – jedoch nur in Begleitung von
Security-Mitarbeitern. „Seit gestern werden 347 Schutzsuchende gegen ihren
Willen in der Lindenstraße eingesperrt“, schreibt dazu Sarah Ebrahimi vom
BIPoC-Bündnis Bremen (Black, Indigenous and People of Color).
Kirsten Kreuzer, Leiterin des Referats für Zuwanderungsangelegenheiten bei
der Sozialbehörde, nimmt die Bewohner*innen für die strengen
Quarantänemaßnahmen in die Pflicht: „Wenn sich zehn Leute in einem Zimmer
versammeln, trotz anderslautender Vorgaben, dann sind eben alle zehn auch
Kontaktpersonen, wenn einer krank wird“, so Kreuzer. Die Regeln zum
Kontaktverbot würden in der Einrichtung nicht eingehalten – nun müssten
alle in die Quarantäne.
Die oft symptomlosen Bewohner*innen der Lindenstraße wurden [3][entgegen
der üblichen Empfehlungen] des Robert-Koch-Instituts getestet. „Über die
vielen Infizierten war ich erst mal erschrocken“, sagte Stahmann bei der
Pressekonferenz. „Jetzt bin ich erleichtert“. Allen Infizierten ginge es
gut, dieser milde Verlauf könne so ein neues Lagebild von der
Coronaerkrankung zeichnen: „Für Virologen ist das interessant.“
Unterstützer*innen der Bewohner*innen warfen der Sozialbehörde vor, die
Lage mit herbeigeführt zu haben: „Wochenlang hat die Senatorin die von ihr
verantwortete Situation in der Lindenstraße verleugnet, schön geredet und
bagatellisiert“, so Nazanin Ghafouri vom Flüchtlingsrat. „Ganz so, als wä…
die Ausgrenzung von anfangs über 600 Menschen aus den vorgeschriebenen
Schutzmaßnahmen ganz normal.“
## Unterbringung in Hotels wird wohl nicht kommen
Auch die flüchtlingspolitische Sprecherin der Linken, Sophia Leonidakis,
kritisierte das bisherige Krisenmanagement. „Nun ist genau das Szenario
eingetreten, das alle Protestierenden befürchteten: Ein Drittel der
derzeitigen Bewohner*innen hat jetzt Corona.“ Auch wenn eine Quarantäne
aktuell wohl unvermeidlich sei: „Eine Dauerquarantänisierung in Räumen,
deren Fenster nicht einmal geöffnet werden können, ist unzumutbar.“
Die Landesaufnahmestelle könne als Isolations-Erstaufnahme dienen, jedoch
in Pandemiezeiten nicht als Wohnunterkunft für mehrere Hundert Menschen.
Leonidakis griff die Forderung von „Solidarity City“ und anderen auf,
Geflüchtete stattdessen in Hotels unterzubringen. „Im Zuge der
Fluchtbewegung 2015/2016 gelang das auch. Warum also nicht jetzt?“
Laut Stahmann ist das [4][aus praktischen Überlegungen nicht möglich:] Die
Neuankommenden hätten viele Fragen, die Betreuung an dezentralen Stationen
sei nicht ausreichend; das hätten ihr Mitarbeiter*innen der ZASt
versichert. Außerdem hätten viele Hotels keine ausreichenden
Betriebserlaubnisse für die Unterbringung von Geflüchteten: „Da haben wir
ganz strenge Auflagen.“
23 Apr 2020
## LINKS
[1] /Gefluechtete-protestieren-gegen-Unterkunft/!5631828
[2] /Gefluechtete-in-der-Corona-Krise/!5675445
[3] /!5676814/
[4] /Gefluechtete-in-der-Corona-Krise/!5675445
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
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