| # taz.de -- Corona in Bremer Flüchtlingsheim: Keiner kommt mehr rein | |
| > Aufnahmestopp für die Erstaufnahme in der Lindenstraße: Grüne und SPD | |
| > wollen sie erhalten, ihr Koalitionspartner, die Linke, will sie | |
| > schließen. | |
| Bild: Lindenstraßen-Bewohner*innen und Unterstützer*innen demonstrierten | |
| BREMEN taz | Das Gesundheitsamt hat einen Aufnahmestopp für die zentrale | |
| [1][Erstaufnahmestelle für Geflüchtete in der Vegesacker Lindenstraße] | |
| verhängt. Das teilte der Senat am Dienstag mit. Der Grund ist, dass dort am | |
| Donnerstag vergangener Woche das Coronavirus bei 33 von 62 symptomlosen | |
| Bewohner*innen eines Quarantäne-Flurs nachgewiesen worden war. | |
| Am Montag seien von 70 weiteren getesteten Personen ohne Krankheitssymptome | |
| weitere elf Proben positiv zurück gekommen, weitere Ergebnisse stünden noch | |
| aus, so der Senat in einer Pressemitteilung. Jetzt sollten alle 374 | |
| Bewohner*innen sowie das Personal getestet werden. | |
| Neuankommende würden zunächst in eine Zweigstelle nach Obervieland | |
| gebracht, hieß es weiter. Diejenigen, die noch in der Lindenstraße leben, | |
| würden nach und nach in andere Wohnheime oder sogar in eine eigene Wohnung | |
| umziehen – die Möglichkeiten seien aber begrenzt. | |
| „Es sind derzeit 4.000 Menschen im Übergangssystem in Bremen | |
| untergebracht“, sagte Sozialsenatorin Anja Stahmann (Die Grünen) am | |
| Dienstag auf einer Pressekonferenz. „Wir haben nicht das, was wir an | |
| Wohnraum bräuchten zur Verfügung, um sie sofort unterzubringen.“ | |
| Die Schließung der Erstaufnahme „mindestens während der Coronapandemie“ | |
| forderte hingegen am Montag die Linke, die gemeinsam mit Grünen und SPD | |
| regiert. Auch ohne die Gefahr einer Ansteckung mit dem Virus seien die | |
| Wohnbedingungen in der Lindenstraße „prekär“. Derzeit seien sie | |
| „unzumutbar“, da die Abstandsregelungen in den engen Verhältnissen der | |
| Gemeinschaftseinrichtung nicht eingehalten werden könnten. | |
| ## Streit in der Koalition | |
| „Abstandsregeln müssen für alle gelten“ hieß es in einer Mitteilung der | |
| Linksfraktion, die die linke Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard am | |
| Dienstag noch einmal bekräftigte – in derselben Pressekonferenz, in der | |
| Sozialsenatorin Anja Stahmann und Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) | |
| klar machten, dass die Lindenstraße ebenso wie alle anderen | |
| Sammelunterkünfte offen bleibe. „Wir haben das klare Ziel, gute hygienische | |
| Zustände in allen Sammelunterkünften zu verwirklichen“, sagte Bovenschulte. | |
| Und: „Der Senat ist nicht der Auffassung, dass eine Auflösung der | |
| Sammelunterkünfte ein Problem löst.“ | |
| Am Sonntag hatte Sozialsenatorin Anja Stahmann diese Position in einem | |
| [2][Kommentar im Weser Kurier ] verteidigt. In dem Beitrag verwehrte sie | |
| sich auch gegen die Bezeichnung der Erstaufnahmestelle als „Lager“ und eine | |
| Gleichsetzung mit der Geflüchteten-Unterbringung in Libyen und auf der | |
| griechischen Insel Lesbos. | |
| „Wider besseres Wissen werden Willkür und Gewaltexzesse heraufbeschworen, | |
| während in Wahrheit Gewaltschutzkonzepte und systematische | |
| Deeskalationstrainings das Klima prägen“, hieß es in dem Beitrag. | |
| Die Kritik, behauptete sie in dem Kommentar, komme von einer „kleinen, | |
| lautstarken Gruppe“, die die Erstaufnahmestelle „schon lange vor Corona | |
| angeprangert“ habe. Davon wiederum distanzierte sich am Montag die Grüne | |
| Jugend. „Der Protest ist ein wertvoller Teil der Zivilgesellschaft“, | |
| schrieb sie in einer Pressemitteilung. | |
| So sieht es auch der Flüchtlingsrat, der Stahmann ebenfalls am Montag für | |
| ihren Kommentar kritisierte. Die Forderung nach Schließung der Einrichtung | |
| komme „von vielen verschiedenen Bewohner*innen, Mitarbeitenden und | |
| solidarischen Personen und Organisationen in der Stadt“, sagte Gundula | |
| Oerter vom Flüchtlingrat. „Den Betroffenen ist es gelungen, auf ihre | |
| desaströse Situation aufmerksam zu machen.“ | |
| ## 374 Haushaltsmitglieder | |
| Oerter erinnerte daran, dass die Bewohner*innen Ende März das erste Mal mit | |
| einer Demonstration darauf aufmerksam machten, wie eng sie zusammen lebten. | |
| [3][Daraufhin habe die Polizei Anzeigen geschrieben], weil sie auf der | |
| Demonstration nicht den Mindestabstand von 1,50 Meter eingehalten hätten. | |
| Nach Angaben der Arbeiterwohlfahrt (AWO), die die Einrichtung betreibt, | |
| teilen sich in der Erstaufnahme maximal vier alleinstehende Personen ein | |
| Zimmer, davon gebe es derzeit noch drei. Mehr Menschen seien nur dann in | |
| einem Zimmer untergebracht, wenn diese zu einer Familie gehörten. | |
| Dabei betrachtet die Bremer Staatsanwaltschaft alle 374 Bewohner*innen als | |
| Angehörige eines Haushalts. Damit begründet sie die [4][Einstellung eines | |
| Verfahrens], das der Flüchtlingsrat angestrengt hatte: Ende März hatte er | |
| Strafanzeige wegen des mehrfachen Verstoßes gegen die Allgemeinverfügung | |
| gestellt, die wegen der Pandemie Mindestabstände vorschreibt. Diese gelten | |
| allerdings nicht, wenn Menschen in einem Haushalt zusammen leben. | |
| 21 Apr 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Gefluechtete-in-der-Corona-Krise/!5675445 | |
| [2] https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-erstaufnahme-in-de… | |
| [3] /Bremens-Polizei-geht-gegen-Demo-vor/!5672634 | |
| [4] https://www.fluechtlingsrat-bremen.de/wp-content/uploads/STa-Einstellung.pdf | |
| ## AUTOREN | |
| Eiken Bruhn | |
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