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# taz.de -- Ärztliche Versorgung von Geflüchteten: Darf’s ein bisschen weni…
> Die Hamburger Innenbehörde will bei der ärztlichen Versorgung von
> Geflüchteten Kosten sparen. Kritiker halten dagegen Investitionen für
> notwendig.
Bild: Gesundheitscheck für Geflüchtete im Schnellverfahren: Ankunftszentrum R…
Hamburg taz | Maximal 20 Minuten soll die Erstuntersuchung im
Ankunftszentrum Rahlstedt dauern. In dieser Zeit müssen die Geflüchteten
auf ansteckende und chronische Krankheiten sowie Vorerkrankungen untersucht
werden. Ausstehende Impfungen müssen durchgeführt, Röntgenaufnahmen
gesichtet und ein Bericht geschrieben werden. „Diese Zeit reicht vorne und
hinten nicht, um die Menschen richtig zu untersuchen“, sagt Franz Forsmann
vom Flüchtlingsrat Hamburg. Vieles bleibe einfach unentdeckt.
Dass in diesen Schnellverfahren psychische Belastungen und Traumata
festgestellt werden, ist äußerst unwahrscheinlich. Dabei sind diese
ausschlaggebend für das anstehende Asylverfahren. Laut der EU-Richtlinie
2013/32/EU haben psychisch kranke oder traumatisierte Personen Anspruch auf
eine besondere Unterstützung, damit alle diese Aspekte im Asylverfahren
berücksichtigt werden können.„Hier werden EU-Richtlinien unterlaufen“, sa…
Forsmann.
Das sieht auch Ingrid Andresen-Dannhauer so. Sie ist Ärztin für
Psychotherapeutische Medizin und engagiert sich im Arbeitskreis „Flucht und
Bleiben“ des Bündnisses Hamburger Flüchtlingsinitiativen (BHFI). „Die
Erstuntersuchung ist eine Seuchenabwehr für die heimische Bevölkerung,
dient also der Diagnose körperlich erkennbarer Krankheiten“, sagt sie. In
diesem Rahmen finde kein Screening auf traumatische Belastungen statt. „Und
es soll auch nichts gefunden werden“ ist Andresen-Dannhauers Eindruck.
„Die Leute werden durch die Asylverfahren durchgepeitscht“, kritisiert
Forsmann. Schon nach wenigen Tagen finden die Anhörungen statt, die über
die Zukunft der Menschen entscheiden. „Und das alles, um Kosten zu sparen“,
sagt Forsmann.
Offenbar sieht die Innenbehörde auch bei der Gesundheitsversorgung der
Geflüchteten Sparpotenzial. Denn an einem Kostenstreit scheiterte aktuell
die Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Altona, das seit 2015 die
hausärztliche Versorgung in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Stadt
gewährleistet und seit 2018 die Erstuntersuchung in der Zentralen
Erstaufnahme durchführt.
Monatelang hätten die „außerordentlich zähen“ Verhandlungen gedauert, sa…
Imogen Buchholz, Dezernentin für Soziales-, Jugend und Gesundheit im
Bezirksamt Altona. Es ging dabei um administrative Kosten. „Und wenn man
dachte, jetzt haben wir uns doch geeinigt, kamen wieder Nachfragen seitens
der Innenbehörde“, sagt Buchholz. Dass zwei Behörden über Kostenfragen
verhandeln, sei normal, das allerdings nicht: „So etwas habe ich in den 28
Jahren, in denen ich in dieser Stadt beschäftigt bin, noch nicht erlebt.“
Aus der Innenbehörde heißt es, die zusätzlichen allgemeinen
Stellenforderungen und begleitende Gemeinkosten seien nicht nachvollziehbar
gewesen.
Bis zum 30. Juni läuft der Vertrag noch. Eine Ausschreibung läuft. Carola
Ensslen, Fachsprecherin für Flucht und Migration bei der Linken, betrachtet
die Entwicklung mit Skepsis. Eine Ausschreibung bedeute immer Preiskampf
und der Schritt Richtung Privatisierung sei damit gemacht. Ensslen
befürchtet, „dass die Innenbehörde sich aus dem Angebot der
allgemeinmedizinischen Versorgung herausschleichen will“.
Dem widerspricht die Innenbehörde: „Eine Einschränkung der bisher
angebotenen medizinischen Leistung gibt es nicht.“ Carola Ensslen bleibt
skeptisch: „Wenn die Zusammenarbeit doch so gut war, wie die Innenbehörde
behauptete, frage ich mich, wieso gerade jetzt in Coronazeiten diese nicht
fortgeführt wird.“
Bliebe die Frage, wie hoch eine Kosteneinsparung für die Innenbehörde sein
kann, wenn man den Aufwand mit Ausschreibungen und Vertragsverhandlungen
hinzurechnet. Über Kosten könne man in einem laufenden
Ausschreibungsverfahren, das bis zum 8. Juni geht, keine Auskunft geben,
heißt es dazu aus der Behörde.
Über die Motivation der Innenbehörde will Dezernentin Buchholz nicht
spekulieren. Es könne sein, dass eine niedergelassene Arztpraxis die
Leistungen günstiger anbieten könne, da diese anders abrechne als eine
Behörde, die weniger flexibel ist. Dies aber gegeneinander aufzurechnen,
sei ein Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen. „Wir haben ein hoch
motiviertes, gut eingearbeitetes Team zusammen und hätten sehr gerne
weitergemacht“, sagt sie.
Statt auf die Kostenbremse zu treten, müsse die Stadt Geld in die Hand
nehmen, findet Franz Forsmann. Es müsse ein Sozialmanagement im
Ankunftszentrum und den Erstaufnahmeeinrichtungen aufgebaut werden. Dazu
brauche es Sozialpädagogen und Fachkräfte für die psychiatrische und
psychotherapeutische Versorgung der Geflüchteten. Zudem müsse den Menschen
Zeit gegeben werden, um anzukommen. „Das kostet natürlich alles Geld und
die Stadt ist nicht bereit, das auszugeben“, sagt Forsmann.
Auch Ingrid Andresen-Dannhauer ist pessimistisch. Für das BHFI versuche sie
seit 2017 mit der Innenbehörde zu verhandeln. „Ich habe keine Hoffnung
mehr, dass da von der Innenbehörde noch etwas kommt; das Problem wird
einfach ausgesessen“, befürchtet sie.
7 Jun 2020
## AUTOREN
Juliane Preiß
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Hamburg
Gesundheitspolitik
Privatisierung
Geflüchtete
Schwerpunkt Coronavirus
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Sozialbehörde Hamburg
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