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# taz.de -- Neues Album von Janelle Monáe: Griff nach der Krone des Pop
> Die US-R&B-Künstlerin Janelle Monáe kehrt mit dem triumphalen neuen Album
> „Dirty Computer“ zurück. Ein Neuanfang mit Vorgeschichte.
Bild: Greift mit ihrem neuen Album „Dirty Computer“ nach der Krone des Pop:…
BERLIN taz | Es dauert etwa zehn Sekunden, bis klar ist, dass Janelle Monáe
nun neue Musik vorstellt, die darauf besteht, eine ganze Weile Geltung zu
haben. Zehn Sekunden, um zu verstehen, was beim Auftakt passiert, der
eigentlich ein gemächlicher Anfang ist, ein verspulter Gospelsong, und
spannend ist überdies, was im Hintergrund dazu abläuft. Denn dort singt, in
himmlischster Harmonie: Brian Wilson, bekannt als Mastermind der Beach
Boys, Komponist von legendären Alben wie „Pet Sounds“ und dem unvollendeten
„Smile“.
Brian Wilson gelang mit „Pet Sounds“ der Ausgangspunkt einer Bewegung, in
der sich Rockmusik allmählich von ihren afroamerikanischen, schwarzen
Wurzeln löste. „Pet Sounds“ ist ein großes Album, eines der ersten, dem d…
Musikkritik zusprach, für die Ewigkeit gemacht zu sein, dem also so etwas
wie hochkulturelle Weihen zukamen. Wenn man heute fragt, warum Rock so
langweilig, zahm und blässlich wurde, bietet Wilsons Geniestreich eine
Antwort.
Janelle Monáe ist schwarz, sie ist black, blackity-black, eine New
Nigerati. In diesen ersten Klängen von „Dirty Computer“ findet zweifellos
eine Neuverortung statt, von Generationen, Geschlechtern und Hautfarben,
und es lässt sich nicht ignorieren: Janelle Monáe besitzt jetzt den großen
Brian Wilson. Janelle Monáe dominiert, verweist auf Plätze, zieht
selbstbewusst und zärtlich Register. Und Brian Wilson ist ein alter weißer
Mann, der im Hintergrund schön singt. Da hat das Album noch gar nicht
richtig begonnen.
## Schwarzer Feminismus
Für Monáe ist „Dirty Computer“ in gewisser Weise ein neuer Anfang, aber
einer, der eine Vorgeschichte gebraucht hat. Ihren Durchbruch hatte die
Künstlerin aus Kansas bereits vor zehn Jahren, schon ihre Debüt-EP wurde
für einen Grammy nominiert, ihr Debütalbum „The ArchAndroid“ lenkte 2010
neue Aufmerksamkeit auf das Afrofuturismus-Konzept schwarzer Künstler der
Siebziger, in deren Tradition sie sich stellte.
Auf ihrem zweiten Album „The Electric Lady“ von 2012 wirkte Prince als
Gastmusiker mit – Monáe und er waren bis zu seinem Tod 2016 enge Freunde,
er begleitete auch die ersten Schritte zu „Dirty Computer“. Zwischen diesen
Alben wurde Monáe zur gefragten Schauspielerin, die etwa im oscarprämierten
„Moonlight“ zu sehen war – und zu einem prominenten Gesicht eines schwarz…
Feminismus. Sie ist aktiv in der Bewegung Black Lives Matter, spricht sich
für LGBTQ-Rechte aus und ist als Label-Chefin ihres eigenen Wondaland
Records eine der wenigen schwarzen Frauen in dieser Position im
Musikbusiness.
Ihre Karriere weist deutliche Parallelen zu der ihrer wiederum
ausgesprochen weißen Kollegin Lady Gaga auf. Beide schossen Ende des
letzten Jahrzehnts in ihren frühen Zwanzigern aus der Obskurität zu
höchsten Meriten seitens des Publikums wie der Kritik, beide spielten
souverän Karten aus dem David-Bowie-Deck: Während Stefani Germanotta ihre
Identität immer neu verschleierte, Gerüchte um ihre Transsexualität mit
aufreizendem Feminismus fruchtbar machte und so zum meistdiskutierten
Popstar der Gegenwart wurde, schlüpfte Monáe auf [1][ihren ersten Alben] in
die Rolle eines Androiden, Cindi Mayweather, einer messianischen Figur in
einem Szenario, das deutlich an Fritz Langs Stummfilmklassiker „Metropolis“
angelehnt war.
Die Androiden, das waren für Monáe „die Anderen“, eine Metapher, die ihr
erlaubte, Themen wie Klasse und Rasse anzusprechen, ohne der
real-rassistischen Gesellschaft schutzlos ausgeliefert zu sein. So ist es
vielleicht eher Zufall, dass nun beide, Lady Gaga wie Janelle Monáe, ihre
Karriere hin zur „Authentizität“ lenken. Denn obwohl beide behaupten, sich
selbst in ihrer Musik zu repräsentieren, könnten ihre Reaktionen auf diese
neue, selbstbestimmte Nacktheit gegenüber dem Publikum kaum anders sein.
## Die ganz hohe Schule des Pop
Gaga zog sich mit „Joanne“, betitelt nach Germanottas zweitem Vornamen, in
Richtung klassischer Authentizitätsmarker zurück, spielte Gitarre und
bürgerliche Schwiegertochter. Für Monáe hingegen bedeutet dieser Schritt
weg von der Maske, der natürlich zu einer weit komplexeren Maskerade als
Künstlerin führt, ein deutliches Aussprechen dessen, was schiefläuft, in
den USA, in der Welt, nicht nur, aber vor allem: für sie als schwarze Frau.
Darum vielleicht ist Lady Gaga heute auf dem absteigenden Ast. Und Janelle
Monáe greift jetzt nach der Krone des Pop. „Dirty Computer“ ist sicher kein
Konzeptalbum, es erzählt, anders als „The ArchAndroid“, keine
zusammenhängende Geschichte. Aber doch speist sich jeder Ton aus der
Geschichte der Popmusik, ist Monáe in jedem Ton eine Figur, die Fäden
zusammenhält, die in der Geschichte der Populärmusik etwa seit Jazz
auseinanderlaufen.
„Dirty Computer“ zu hören, erinnert an die erste Begegnung mit Bands wie
den Spice Girls: Unmittelbares Fantum, unmittelbares Angestecktsein von
einem Virus, dessen Symptome man nicht verstehen kann. Es ist die ganz hohe
Schule des Pop, wie sie von John Lennon und Brian Wilson zu Michael
Jackson, Madonna und Prince verläuft, von dort zu schwarzem R&B, der in den
Neunzigern weiß wird, wie der Rock in den Sechzigern weiß wurde, zu Beyoncé
und Kendrick Lamar.
## Eine Antwort auf Rassismus und Sexismus
Es ist, tatsächlich, die Stärke von Songs, von Melodie, die hier nicht nur
Gerüste für Produktionseffekte sind, sondern Herz der Musik. Und in diesen
Momenten ist es doch, was auch Brian Wilson erreichen wollte: musikalische
Spiritualität. Und dann wird man dazu tanzen müssen, weil es auf einmal
klingt wie Princes „Kiss“, in der Single „Make Me Feel“, zu der das
Mastermind des Funk-Mashup noch eine Synthie-Melodie beisteuerte. Weil
„Crazy, Classic, Life“, zweiter Song und eigentlicher Auftakt, klingt wie
eine Neunziger-Hommage an Lordes trotzige Generationen-Hymne „Royals“. Und
„Americans“, das Finale, wirkt wie eine ebenso trotzige, optimistische
R&B-Antwort auf die rassistischen, sexistischen Zustände in Monáes
Heimatland.
Zwei Songs, die wütende Reden aus dem Umfeld aktueller Protestbewegungen
einspielen und so dem Album einen Bogen spannen. Man wird tanzen zum
brillanten Track „Pynk“, eingespielt mit der Avant-Elektro-Künstlerin
Grimes, in dessen Videoclip die Protagonistinnen, nun, Vagina-Hosen tragen
und kurz beim Tanzen zum Rap-Song „Django Jane“ stolpern, wenn Monáe
deklamiert: „Now hit the mute button and let the vagina have a monologue.“
Der konzeptuelle Ansatz ihrer ersten Alben mag im Rückblick künstlerisch
krasser, in seiner Renaissance des Afrofuturismus eigenständiger erscheinen
als die schiere Pop-Brillanz von „Dirty Computers“. Aber anders als ihr
Erzandroid im Jahr 2719 ist Janelle Monáes neue, anders artifizielle
Persona im Jahr 2018 wirklich auf Höhe der Zeit. Ihr neues Album ist nicht
bloß ein Werk für die Gegenwart. Nein, es definiert sie vielmehr, in einem
glücklichen Moment von Gelingen inmitten der kollektiven Depression.
26 Apr 2018
## LINKS
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## AUTOREN
Steffen Greiner
## TAGS
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