| # taz.de -- Neues Album von Janelle Monáe: Ärsche lügen einfach nie | |
| > Eine Zeitreise durch alle revolutionären Stadien der Great Black Music: | |
| > Jetzt erscheint „The Electric Lady“, das neue Album der Sängerin Janelle | |
| > Monáe. | |
| Bild: Janelle Monáe besingt das Wondaland, wo Kategorien wie Hautfarbe und Ge… | |
| Willkommen in Wondaland, jenem Ort, an dem Menschen und Klone | |
| aufeinandertreffen, um gemeinsam zu tanzen, Liebe zu machen und das Leben | |
| zu zelebrieren. Wondaland ist eine bessere Welt als die unsrige, weil dort | |
| Kategorien wie Hautfarbe und Gender nichts wert sind und wir dort allesamt | |
| gleichermaßen zu Freaks werden. Das Narrativ eines fiktiven Sehnsuchtorts, | |
| den die US-amerikanische R-’n-B-Sängerin Janelle Monáe für ihre erste EP | |
| „Metropolis“ und das grandiose Debütalbum „The Arch Android“ erdacht h… | |
| wird auf Monáes neuem Album „The Electric Lady“ – wenn auch etwas subtil… | |
| – weitergeknüpft. | |
| In Raumanzug, funkelndem Cyberschmuck und mit gewohnter Fifties-Tolle auf | |
| dem Kopf posiert Janelle Monáe für das Artwork ihres zweiten Albums, als | |
| wäre sie von weit her angereist und stamme aus einer anderen Zeit. Mit | |
| ihrem Style grenzt sich die 27-Jährige nicht nur deutlich von Kolleginnen | |
| wie Beyonce und Rihanna ab – sexy bedeutet eben nicht unbedingt, den Körper | |
| zur Schau zur stellen –, Monáe gibt erneut eindeutige Referenzen an die | |
| Weltraumutopien von Afrofuturisten wie dem Jazzavantgardisten Sun Ra. | |
| Er experimentierte bereits in den frühen Sechzigern mit Synthesizern. Sein | |
| 1974 erschienener Science-Fiction-Film „Space is the Place“ war ein | |
| flammender Appell, seine Brüder und Schwestern durch die transzendentale | |
| Kraft seiner Musik auf einen anderen Planeten zu beamen, damit sie nicht | |
| der aussichtslosen, weil gescheiterten Post-Bürgerrechts-Gesellschaft | |
| überlassen bleiben. Oder „The Mothership Connection“, ein Album der | |
| P-Funk-Ikonen von Parliament, es lud die schwarze Ghettobevölkerung in ihr | |
| cadillacartiges Raumschiff, um mit ihnen wilde Parties zu feiern. | |
| Anders aber als die Zukunftsvisionen der Pioniere setzt das Konzept von | |
| Janelle Monáe nicht allein auf das afrozentristische Moment – vielleicht, | |
| weil im sogenannten Post-Race-Amerika der Regierung Obama die Hoffnung auf | |
| eine farbenblinde Gesellschaft neu aufblüht und die Flucht vor dem | |
| Rassismus keine zeitgemäße Option mehr ist. | |
| ## Gegen Patriachat und sexuelle Norm | |
| Stattdessen richtet sich Monáes Wondaland-Utopie, die sie gelegentlich | |
| durch ihr Alter Ego Cindi Mayweather und nun auch vermehrt als Electric | |
| Lady repräsentiert, vor allem gegen patriarchale Geschlechterverhältnisse | |
| sowie sexuelle Normen im prüden US-Mainstream und besonders im reaktionären | |
| R-’n-B-Genre. | |
| Als die in Kansas City geborene Sängerin kürzlich von einem Journalisten | |
| wegen der zahlreichen homosexuellen Anspielungen (auf dem neuen Album gibt | |
| es gleich zwei bewegende Liebesbekundungen zu Frauen: „Sally Ride“ und | |
| „Dorothy Dandridge Eyes“) auf ihre Sexualität angesprochen wurde, | |
| antwortete Monáe lediglich: „Ich date nur Androide.“ Touché. Wie viel | |
| Queerness in dem Bild der Roboterliebe stecken kann, bewies Björk bereits | |
| 1998 mit ihrem Musikvideo zu „All is Full of Love“. Viel interessanter ist | |
| aber, dass Janelle Monáe es überhaupt nicht für nötig hält, sich auf eine | |
| Begrifflichkeit für ihr Begehren festlegen zu müssen. | |
| Und damit nähert sich die Sängerin auf ihrem zweiten Album sowohl ideell | |
| als auch musikalisch vielmehr einem anderen Künstler an, der schon in den | |
| achtziger Jahren verkündete: „I’m not a woman / I’m not a man / I’m | |
| something you’ll never understand.“ Die Rede ist von Prince, der gleich | |
| beim Auftaktsong von „The Electric Lady“ vertreten ist und dessen Einfluss | |
| sich wie Glitzerstaub durch das ganze Album zieht. „Give’em What They Love�… | |
| heißt die monumentale Rockballade, in der sich die aggressiven Vocals von | |
| Monáe und der zart gehauchte Gesang von Prince smart ergänzen und alle | |
| Genderkonstruktionen mit voller Wucht in den Boden stampfen. | |
| Schon der Albumtitel „The Electric Lady“ ist nicht nur Referenz an das | |
| Jahrhundertwerk „Electric Ladyland“ von Gitarrengott Jimi Hendrix, sondern | |
| verrät zugleich, wer hier das Sagen hat. Der feministische Anspruch wurde | |
| in Form der ersten Single „Q.u.e.e.n.“ vorausgeschickt, einer wunderschön | |
| groovenden Freiheitshymne, in der Janelle Monáe gemeinsam mit der Souldiva | |
| Erykah Badu alle Heiligen- und Hurenzuschreibungen auf Frauen unter die | |
| Lupe und auf die Schippe nimmt. Das dazugehörige Video zeigt ein steril in | |
| Schwarz-Weiß gehaltenes Museum der Zukunft, in dem Monáe und Badu (hier | |
| unter dem Pseudonym Badoula Oblongata) als zeitreisende Rebellinnen | |
| ausgestellt sind. Die statische Szenerie verwandelt sich schnell in eine | |
| All-Ladies-Party mit Op-Art-Effekten aus den Sechzigern und schließt mit | |
| einer umwerfenden Spotlight-Aufnahme à la James Bond, in der Monáe in | |
| hochgeschlossenem Herrenanzug einen Revolutionary Rap-Part im Sinne von | |
| Public Enemys Chuck D gibt. | |
| ## Ausgefeilt bis ins Detail | |
| Dass all diese Referenzen aus der Vergangenheit zu einer futuristisch | |
| anmutenden Komposition zusammenfinden können und „Q.u.e.e.n.“ nebenbei auch | |
| noch ein raffiniertes, aber überraschend straightes R-’n-B-Stück geworden | |
| ist, muss man als Monáes neue Stärke werten. Ihr Motto lautet: Es muss in | |
| die Hüfte gehen, „the bootie don’t lie“. | |
| Der Ideenreichtum der begnadeten Musikerin entlädt sich nämlich nicht mehr, | |
| wie beim Vorgängeralbum „The ArchAndroid“, in der Auflösung aller | |
| Genregrenzen, sondern im unkomplizierten Nebeneinander verschiedenster | |
| Stile, die immer zugänglich, aber bis ins Detail ausgefeilt sind. So klingt | |
| der Titeltrack „Electric Lady“ mit Solange Knowles einem | |
| Neunziger-Jahre-Popsong von Janet Jackson zum Verwechseln ähnlich, wäre da | |
| nicht die Rede von „reprogram your mind“ und gäbe es nicht den | |
| schleichenden Übergang vom harten 808-Drumloop in ein weiches | |
| Bläserensemble. | |
| Überhaupt liebt und beherrscht Janelle Monáe, die einst das Musikstudium | |
| zugunsten einer freien Künstlerexistenz abbrach, das Rollenspiel wie kaum | |
| eine andere Vokalistin. Mit „It’s Code“ gibt Monáe eine unschuldige | |
| Schmalznummer im Stil der Delfonics, um auf dem sehr klassischen | |
| Lovemaking-Song „Primetime“ gemeinsam mit Sänger Miguel den erotischen | |
| Höhepunkt des Albums abzuliefern. | |
| In den beiden Intros „Suite IV“ und „Suite V“, die eine Fortsetzung der | |
| vorangegangenen Alben markieren, treffen Filmmusikartiges wie Gottfried | |
| Huppertz’ für Fritz Lang komponierte Orchesterwerke auf Italowestern und | |
| Jazz. Für die überirdischen Produktionen arbeitete Monáe mit befreundeten | |
| Musikern zusammen, die Teil ihres Künstlerkollektivs Wondaland Arts Society | |
| sind. Glanzpunkte setzt vor allem der Gitarrist Kellindo Parker, dessen | |
| Jazzfunk-Gitarrenriffs den Song „Ghetto Woman“ in ein kosmisches Spektakel | |
| verwandeln, als sei Curtis Mayfield auf dem Mothership von Parliament | |
| unterwegs. | |
| Trotz dieser Zeitreise durch alle revolutionären Stadien der | |
| afroamerikanischen Popkultur schafft es Janelle Monáe, mit „The Electric | |
| Lady“ ein originäres und wegweisendes Werk hinzulegen, weil das eben auch | |
| seit jeher das Auszeichnende an den Afrofuturisten war: Die Zukunft wird | |
| vom Mythos, also von der Vergangenheit her gedacht. Es gilt das beengende | |
| Jetzt zu überwinden zugunsten der Progression. Die schrittweise Anpassung | |
| an den wohligeren Popbetrieb ist dabei kein Manko, sondern nur eine weitere | |
| Transformation für Janelle Monáe. Der Android beginnt zu menscheln. | |
| ## ■ Janelle Monáe: „The Electric Lady“ (Bad Boy/Atlantic/Warner) | |
| 14 Sep 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Fatma Aydemir | |
| ## TAGS | |
| Musik | |
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| Jazz | |
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