| # taz.de -- Neues Album von Mouse on Mars: Auf ihrem eigenen Planeten | |
| > Jan St. Werner und Andi Toma sind Mouse on Mars. „Dimensional People“ | |
| > heißt ihr neues Werk. Es ist das überzeugendste seit Langem. | |
| Bild: Haben auf ihrem neuen Album mit 50 Musikern kooperiert: Mouse On Mars | |
| In einem Videoclip des Elektronikduos Mouse on Mars zieht eine Horde | |
| Menschen durch ein Sumpfgebiet. Es sind Freunde und Kollegen aus längst | |
| vergangenen Zeiten in Düsseldorf und Köln. Sie tragen Perücken, | |
| Second-Hand-Klamotten und Schilder. Obwohl Mouse on Mars an sich nur zu | |
| zweit agieren, sind sie immer auch ein soziales System, das weitere Kreise | |
| zieht. | |
| Musiker tauchen auf, arbeiten sich langsam ins Zentrum ihrer Songs vor, | |
| hinterlassen dort ihre Klangsignatur, die dann von den beiden Protagonisten | |
| Jan St. Werner und Andi Toma als ein zentrales Gestaltungsprinzip | |
| aufgenommen und weiterverabeitet wird. | |
| Hinter ihren Laptop-Bildschirmen leiten die beiden heute in Berlin | |
| ansässigen Künstler ein ganzes Ensemble, deren Charme in der Regel darin | |
| besteht, dass selbst nie so ganz wissen, wohin sie eigentlich wollen. Auch | |
| ihr neues, elftes Album „Dimensional People“, mit dem Mouse on Mars ihr | |
| erstes Vierteljahrhundert auf ihrem eigenen Planeten abschließen, ist | |
| wieder eine Ensembleleistung, auch wenn es mit einem reinen Maschinensound | |
| beginnt. | |
| ## Zu Gast bei Bon Iver | |
| Computergesteuerte Roboter klopfen in Hochfrequenz einen Takt, darüber | |
| legen sich ein schlaftrunkenes Saxofon und eine Afrobeat-Gitarre, bis | |
| schließlich US-Folksänger Justin Vernons elektronisch prozessierte, | |
| zittrige Stimme aus einer Textur aus Blasinstrumenten und | |
| Synthesizerstimmen hervorlugt. | |
| Der Bandleader von Bon Iver hat 2016 selbst ein Album mit quirligen | |
| Elektronikminiaturen aufgenommen. Vergangenes Jahr hat er Mouse on Mars für | |
| einige Tage nach Wisconsin eingeladen, wo er in der Kleinstadt Eau Claire | |
| ein Studio betreibt. | |
| Man muss sich diese Laborsituation wie eine Folk-Kommune vorstellen. Mal | |
| kommt ein Banjospieler vorbei, dann ein paar Geiger, schließlich geht | |
| Vernon selbst ans Mikrofon. Es ist eine von vielen Stationen, die Mouse on | |
| Mars für dieses Album abgeklappert haben. | |
| Insgesamt rund 50 Musiker haben so ihre Spuren auf „Dimensional People“ | |
| hinterlassen und – so paradox das auch klingen mag – dafür gesorgt, dass | |
| dieses Album das kohärenteste Mouse-on-Mars-Werk seit Langem geworden ist. | |
| ## Treffen zweier Einzelkämpfer | |
| Denn Mouse on Mars schaffen für ihre Gastmusiker einen Raum, in dem diese | |
| nicht mit sich selbst identisch sein müssen. Die kulturindustrielle Logik | |
| von Features besteht ja darin, jemanden für eine Zusammenarbeit | |
| einzukaufen, der dann seinen Markenzeichen-Sound reproduziert. | |
| Es ist ein Treffen zweier Einzelkämpfer, die häufig nicht einmal den | |
| gleichen physischen Raum teilen, sondern sich Dateien hin- und herschicken. | |
| Auf „Dimensional People“ lösen Mouse on Mars diese Logik gleich mehrfach | |
| auf. | |
| Beim Track „Foul Mouth“ etwa wird die Stimme von Beirut-Sänger Zach Condon | |
| zum Rohmaterial für einen Rhythmus-Loop, der sich selbst überschlägt, um | |
| schließlich ins ewige Nichts auszuhallen, und über dem schließlich die | |
| Rapperin Amanda Blank ein paar unterkühlte, minimalistische Reime liefern | |
| kann. Die Gitarre des fast vergessenen US-Soul-/Bluesmusikers Swamp Dogg | |
| schlängelt sich durch „Sydney in a Cup“ , wo sie auf prozessierte | |
| Acappella-Stimmen trifft. Und die Drones des Kölner Neue-Musik-Ensembles | |
| Musikfabrik verteilen sich über das gesamte Album. | |
| Mouse on Mars haben all dies mithilfe ihrer eigenen iOS-Apps prozessiert | |
| und schließlich am Rechner neu arrangiert. So übersteigern sie die | |
| Idiosynkrasien ihrer Musikerkollegen zu einer Sample-Collage, in der | |
| oftmals Momente eines Popsongs aufblitzen, ohne dass diese das Bedürfnis | |
| haben, sich in der Songform wiederzufinden. Denn „Dimensional People“ ist | |
| auch ein Album, das sich nicht entscheiden kann. | |
| Feiert es den Folksound des 21. Jahrhunderts, eine Feier des | |
| Zusammenspielens? Oder ist es ein konstruktivistisches Konzeptalbum, ein | |
| Versuch, disparate Klänge im Studio zusammenzubringen? Vermutlich ist es | |
| beides, und das ist ja auch okay. Eindeutige Musik gibt es eh schon zu | |
| viel. | |
| 23 May 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Werthschulte | |
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