Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Punkpionier über Album nach 42 Jahren: „Es klingt nach Arschtrit…
> Bassist Captain Sensible von der britischen Band The Damned über einen
> Kackwettbewerb in Brooklyn, suizidale Delfine und seine Zeit als
> Zeitungsausträger.
Bild: The Damned. An der roten Baskenmütze gut zu erkennen ist Captain Sensible
taz: Captain Sensible, Ihr neues Album „The Evil Spirit’s“ klingt sehr
eingängig, dabei hat es Ihre Band The Damned getrennt voneinander
komponiert.
Captain Sensible: Stimmt, wir haben die Songs getrennt voneinander
komponiert und dann in zwei intensiven Wochen gemeinsam in Brooklyn/NY
geprobt und aufgenommen. Klingt glamouröser, als es war: Das Studio liegt
in einem Industriegebiet ohne Infrastruktur. Manhattan ist auf der anderen
Flussseite. Unser Produzent Tony Visconti ist 70 und arbeitet nur tagsüber,
also nutzten wir die Abende, um lokale Musikclubs zu besuchen. Bestürzend
zu sehen, was aus dem CBGB’s geworden ist. Da haben wir 1976 gespielt und
heute befindet sich im Gebäude eine Nobelboutique. Stattdessen sollte ein
Schrein für Punk dort stehen! Es ist ein Unding, dass Punk kulturell
weniger wert ist als die Oper. Legendäre Orte sollten vor skrupellosen
Investoren bewahrt werden!
The Damned nehmen nur tagsüber auf. Ist das noch Punk?
Bei den Proben ist alles zusammengekommen und der Damned-Sound entstand
automatisch. Es war wie ein Wettbewerb: Wer kackt die krasseste Melodie auf
die Songs …
… die eine deutliche Handschrift des alten Bowie-Zuchtmeisters Tony
Visconti haben …
Wir haben beschlossen, das Album im alten Stil aufzunehmen, gemeinsam in
einem großen Raum, die Verstärker voll aufgedreht. Dadurch entstand ein
Garagenvibe. Durch Tonys Produktion klingt er aber gewaltig. Er legte viel
Wumms auf die Vocals, hat Dave Vanians Stimme regelrecht aus dem Lärm
gegraben. Es war spannend zu beobachten, mit welcher Strenge er Vanian dazu
brachte, die Themen der Songs während seiner Performance zu reflektieren.
Mit Songs über Delfine?
Es geht um das Geheimnis von Walen und Delfinen, die sich an die Strände
der Ozeane werfen. Was treibt die Viecher zum Suizid? Tony hat Dave so
brillant geführt, dass du die Wut der Delfine hören kannst, ohne dabei die
Melodie zu verlieren. „Evil Spirits“ ist ein Erzeugnis aus Damned und Tony,
man könnte es Glam-Punk nennen.
Es gibt derzeit viele Gründe, die Teufel unserer Gesellschaft auf einem
Album zu vereinen und zu verbannen. War das Motivation für „Evil Spirits“?
Wir leben im permanenten Ausnahmezustand. Heute ist der Überwachungsstaat
so viel krasser als 1984, etwa die CCTV-Kameras in England,
Internet-Lauschangriffe und Drohnenangriffe. Ein Zukunfts-Albtraum – all
diese Technologien könnten gegen uns eingesetzt werden. Ich würde gerne
glauben, dass es keine bösen Geister gibt, die dafür verantwortlich sind.
Aber wir sollten unsere Augen auf sie richten und ein Maschinenzeitalter
2.0 verhindern, in dem wir zu gehirngewaschenen Sklaven werden. Wie heißt
es so schön in dem Song „We’re So Nice“: „It takes a lot to make a nat…
want to fight / But you can trust the daily news to put us right / To point
us where to go and who has got to die / On a lie.“
Ihr Ruf als die britische Punkband ist legendär. „Evil Spirits“ hört sich
aber nicht mehr so punkig an, eher wie eine „Best of Rock“-Tüte. Sind Sie
zahm geworden?
In den Sechzigern als Schüler konnte ich mir durchs Zeitungsaustragen alle
paar Wochen eine Single kaufen. Ich liebe diese Mod-Platten immer noch, von
Bands wie den Kinks, The Who und den Small Faces – ihr Einfluss kommt auf
„Evil Spirits“ stärker zum Tragen als auf früheren Damned-Alben. Wann imm…
wir einen Soundeffekt eines klassischen Sixtieshits vorschlugen, wusste
Visconti sofort, wovon wir sprachen. Wir können immer noch Lärm
veranstalten, nur klingt er heute mehr nach Psycho-Garage als nach
Stumpf-Punk.
Was reizt The Damned nach 42 Jahren Bestehen, ein neues Album aufzunehmen?
Also, es fühlte sich an, als wär’s unser Debüt. Als wir 1976 anfingen,
hatten wir das Glück, die letzten Tage einer goldenen Periode zu erleben –
zu einer Zeit, als Labels ein Studio für viel Geld buchen mussten, um Bands
das machen zu lassen, was sie wollten. Natürlich hatten unsere Alben keinen
Mega-Erfolg. Darum geht’s auch gar nicht. Pop ist Glücksspiel, Top oder
Flop, Hauptsache, nicht vorhersehbar. Denken Sie an die letzten 20 Jahre
und die öde Boy-Band-Periode, ojemine! Jedes unsrer Alben klingt komplett
anders als das zuvor. Dankenswerterweise erzählten uns unsere Freunde von
den Buzzcocks von ihren Erfahrungen mit Crowdfunding. Wir haben dann auch
genug Flocken gesammelt, um Visconti engagieren zu können. Und das Ergebnis
kann sich hören lassen: Es klingt nach Arschtritt!
17 May 2018
## AUTOREN
Du Pham
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
Punk
Delfine
Punk
KP Vietnam
Schwerpunkt Brexit
Punk
Popmusik
Punk
## ARTIKEL ZUM THEMA
The Damned-Gitarrist Brian James ist tot: Roh, schnell, ranzig
„New Rose“ von The Damned ist die erste britische Punksingle: ein genuiner
Arschtritt-Song. Ein Nachruf auf ihren Schöpfer, den Gitarristen Brian
James.
Musik aus Vietnam: Glatt wie Seide
Saigon Soul Revival nennt sich ein Quintett, das Neufassungen alter
vietnamesischer Songs auf dem Album „Họa Âm Xưa“ kunstvoll mit Eigenem
mischt.
Britischer Punkrocker über den Brexit: „Vom Brexit profitiert niemand“
Die Finanzwelt wird auch nach dem Brexit weiterleben, sagt Jock MacDonald.
Für Musiker wird es schwer. MacDonald ist Mitglied der Punkband Bollock
Brothers.
Punklegende Pete Shelley ist tot: Die glockenhelle Stimme des Punk
Einfach, schnell, roh und schön. Pete Shelley, der Gitarrist, Songwriter
und Sänger der Punkband Buzzcocks, ist gestorben.
Neues Album von Mouse on Mars: Auf ihrem eigenen Planeten
Jan St. Werner und Andi Toma sind Mouse on Mars. „Dimensional People“ heißt
ihr neues Werk. Es ist das überzeugendste seit Langem.
Wozu es Punk gibt: Seit 40 Jahren dagegen
Im Sommer 1976 erschien die erste britische Punksingle. Wie die
Jugendrevolte losging, was sie änderte und warum sie nach wie vor bedeutsam
ist.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.