Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- The Damned-Gitarrist Brian James ist tot: Roh, schnell, ranzig
> „New Rose“ von The Damned ist die erste britische Punksingle: ein
> genuiner Arschtritt-Song. Ein Nachruf auf ihren Schöpfer, den Gitarristen
> Brian James.
Bild: Damned-Gitarrist Brian James in London, 1977
Zeitenwende ist auch so ein Wort. Am 22. Oktober 1976 begann aber wirklich
eine patzige neue Zeit. Die Erde zum Beben brachte an jenem Tag [1][„New
Rose“ von The Damned], die allererste britische Punksingle überhaupt,
veröffentlicht einige Wochen vor der ersten Sex-Pistols-Single, beim
Indielabel Stiff Records.
Eingespielt in nur vier Stunden, so geht die Sage. „Wir waren rechtzeitig
zur Teatime fertig,“ behauptete Damned-Bassist Captain Sensible. [2][„Die
Leute wunderten sich, warum keine Overdubs zu hören sind. Es gab schlicht
keine, wir waren von Natur aus roh und ranzig.“] Die Musik von „New Rose“
klingt, als würde man einem Blitz beim Einschlagen zuhören: Den zwei
Minuten 40 Sekunden dauernden vorauseilenden Ungehorsam kündigt bereits das
Hochoktan-Gitarrenriff an, beigesteuert von Brian James.
James, der in der Ursuppe zwischen Glamrock und Punk zunächst mit Mick
Jones (The Clash) und Leith Levene (PIL) herumgestochert hatte, war es
auch, der The Damned im Frühjahr 1976 zusammengetrommelt hatte. Regelmäßig
traf man sich am Arbeitsamt Lisson Grove, um Stütze abzugreifen. Neben
Captain Sensible mit dabei waren Sänger Dave Vanian und Drummer Rat
Scabies.
Warum James der einzige ohne Pseudonym blieb? Jedenfalls schuf Brian James
fast alle der gemeinen Damned-Songs aus der Frühphase: „Neat, Neat, Neat“,
„I fall“ und eben „New Rose“. Knapp zweieinhalb Minuten. Später gab Ja…
freimütig zu, dass der Song eigentlich von Captain Sensibles Bass getragen
wird. Sensible sollte ursprünglich Gitarre spielen und schmatzte den Bass
aus Trotz wie eine Gitarre. Die Rivalität bestand ein Bandleben lang.
Die [3][schönste Fassung von „New Rose“] entstand bei der ersten
Peelsession von The Damned, aufgenommen im November 1976 im Studio der BBC:
„Are we really #65 in the Charts?“, fragt Dave Vanian sarkastisch und dann
sprinten sie los, wie überzüchtete Windhunde und kommen schon nach 2:38
Minuten ins Ziel. [4][„Eat your heart out, John Peel“], rufen sie dem
Moderator am Ende aufmüpfig nach.
## Nie auf Linie
Auf Parteilinie waren The Damned nie. Die Attitüde war eher von der Methode
„Teen-Krawall“ abgeleitet. „I got a feeling inside of me/It's kind of
strange, like a stormy sea“, singt Dave Vanian in „New Rose“, nicht
neurotisch, sondern renitent. Gerne wurde Equipment auf der Bühne
zertrümmert, auf dem Cover des Debütalbums lichteten sich the Damned mit
Sprühsahne in den Gesichtern ab.
Wenn man dieses Image am unbeweglichen britischen Klassensystem der 1970er
spiegelt, wird es interessant: The Damned begegneten lahmen
Beharrungsvermögen, guten Sitten und leeren Versprechungen der
Konsummoderne mit Stil, Speed und Chuzpe und torpedierten den braven
Ehrgeiz des Mainstream durch Chaos.
## Erste britische Punk-Tour in den USA
1977 tourten The Damned wieder als erste der britischen Punkbands in den
USA. In New York lernten sie die Kollegen von The Dead Boys kennen.
Zwischen Dead-Boys-Sänger Stiv Bators und Brian James entstand eine
Freundschaft, die dann nach seinem Ausstieg bei The Damned um 1981 zum
Bandprojekt Lords of the New Church führte. Der Sound von LOTNC war
psychedelisch, etwas Gothic, als wären die posttraumatischen
Vietnam-Veteranen-Filme des New Hollywood in Postpunksongs überführt. Drei
Alben entstanden bis zur Auflösung 1989.
The Damned hatten sich währenddessen auch mehrmals aufgelöst, es gab –
irgendwie musste die Miete ja reinkommen – zwischendurch Reunion-Konzerte,
bei denen dann auch mal Brian James mitwirkte, etwa 1988. In den Neunzigern
lebte er in Brüssel und spielte mit einer Lokalband. Anfang der Nullerjahre
zog er in die Nähe von Bordeaux, „aus Liebe zum Rotwein“, behauptete
Captain Sensible. 2022 taten sich The Damned nochmals in Originalbesetzung
für einige Konzerte zusammen.
Am Donnerstag starb Brian James, kurz nach seinem 70. Geburtstag. Sein
Gitarrenriff für „New Rose“ bleibt unsterblich.
7 Mar 2025
## LINKS
[1] https://youtu.be/TUxFQ5QBiYk?si=-C_PUY7QbKp4DG1p
[2] /Punkpionier-ueber-Album-nach-42-Jahren/!5506210
[3] https://youtu.be/vCADvOqjJ8k?si=kWLLlpkqHPjAW5Oi
[4] /Duesteres-aus-einem-Hamburger-Keller/!5995521
## AUTOREN
Julian Weber
## TAGS
Punk
England
London
Nachruf
GNS
Wales
Indonesien
Schwerpunkt Überwachung
Punk
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gothicfolktrio Tristwch Y Fenywod: Der Schmerz der Frauen pocht finster
Mysteriöser Fairytale-Noir: Das Gothicfolktrio Tristwch Y Fenywod aus Wales
kommt mit seinem Debütalbum erstmals nach Deutschland auf Tour.
Punk von indonesischen Arbeitsmigranten: Aufstand gegen Ausbeutung
Die Bandmitglieder von Southern Riot sind indonesische Wanderarbeiter. In
Taiwan kämpfen sie für bessere Arbeitsbedingungen – das geht gut mit Punk.
Punkpionier über Album nach 42 Jahren: „Es klingt nach Arschtritt!“
Bassist Captain Sensible von der britischen Band The Damned über einen
Kackwettbewerb in Brooklyn, suizidale Delfine und seine Zeit als
Zeitungsausträger.
Wozu es Punk gibt: Seit 40 Jahren dagegen
Im Sommer 1976 erschien die erste britische Punksingle. Wie die
Jugendrevolte losging, was sie änderte und warum sie nach wie vor bedeutsam
ist.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.