# taz.de -- Punklegende Pete Shelley ist tot: Die glockenhelle Stimme des Punk | |
> Einfach, schnell, roh und schön. Pete Shelley, der Gitarrist, Songwriter | |
> und Sänger der Punkband Buzzcocks, ist gestorben. | |
Bild: Wunderbarer Sänger und Songwriter der Buzzcocks: Pete Shelley, 2014 in C… | |
Als Pete Shelley vor zwei Jahren mit den Buzzcocks auf Jubiläumstour war, | |
konnte man sich wundern. Hinter dem Mikrofon auf der Bühne des Berliner | |
SO36 stand ein rundlicher Mann mit Halbglatze und grauem Bart, den man im | |
Pub niemals als Punk-Ikone identifiziert hätte. Pete Shelley sah aus wie | |
jedermann. Dann fing er zu singen an wie ein junger Gott. | |
Der Sound der Buzzcocks war geprägt gewesen von dieser hohen, hellen, | |
frischen Jungsstimme, die so ganz anders war als die der meisten | |
Punksänger. Nun, mit über sechzig, klang Shelley verblüffenderweise immer | |
noch wie der junge Mann, dem wir einige der schönsten Punksongs überhaupt | |
verdanken. | |
„Ever Fallen in Love (with someone you shouldn’t have)“ etwa, gesungen und | |
geschrieben von Shelley, war der größte Hit der Buzzcocks. Er zeigte | |
exemplarisch ihre geniale Mischung aus treibender Punk-Energie und einem | |
feinen Gespür für Melodien mit Pop-Appeal. | |
Der Legende nach haben sich die Buzzcocks nach einem Konzert der Sex | |
Pistols gegründet. In Wirklichkeit aber fanden sich Pete Shelley und Howard | |
Devoto schon Ende 1975 zusammen. Im Sommer 1976 spielten sie im Vorprogramm | |
der Pistols, im Dezember nahmen sie in Manchester die EP „Spiral Scratch“ | |
auf. Drei Stunden dauerte die Recording Session, und das hörte man der | |
Musik auch an. Sie war schnell, roh und schnörkellos. | |
## Gründe dein eigenes Label | |
Das schönste und wohl bekannteste unter den vier kurzen Stücken hieß | |
[1][„Boredom“] und attackierte die Formelhaftigkeit des Punk schon | |
satirisch, als es ihn gerade mal ein, zwei Jahre gab. Dass Langeweile auch | |
ein kreativer, ekstatischer Zustand sein kann, beweist das Gitarrensolo von | |
„Boredom“, das aus zwei Tönen besteht, die 66-mal wiederholt werden. | |
Einfacher geht nicht, und gerade deswegen muss man „Boredom“ zu den | |
größten Popsongs des 20. Jahrhunderts zählen. | |
Die Buzzcocks kultivierten aber nicht nur einen Minimalismus, der | |
ungezählte Bands nach ihnen inspirierte. Sie waren auch die erste britische | |
Band, die ein eigenes Label gründete und zeigte, dass nicht nur jeder in | |
einer Band spielen, sondern dass auch jede Band ihre Musik selbst | |
veröffentlichen konnte. | |
## Mit Krücken und mit Rollstühlen | |
Als die Buzzcocks im SO36 aufliefen, sahen die ältesten der Punks, die in | |
Massen gekommen waren, um die Helden zu empfangen, so aus, als seien sie | |
schon in Rente. Sie kamen mit Krücken und fuhren mit Rollstühlen, aber die | |
Energie war immer noch da. | |
Der halbe Saal sang mit, als die Buzzcocks [2][„Harmony In My Head“] gaben, | |
eine Hymne auf die inneren Kräfte des Menschen, denen die moderne | |
Gesellschaft nichts anhaben kann. Der wunderbare Pete Shelley ist am | |
Donnerstag unerwartet im Alter von 63 Jahren in Estland gestorben. | |
7 Dec 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=QfKdzpta-Ss | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=VrafPlgQlME | |
## AUTOREN | |
Ulrich Gutmair | |
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