# taz.de -- Die Wahrheit: Rücken! Gar nicht berückend! | |
> Trainieren um einen herum Ärzte und Pflegerinnen Sprints für die kommende | |
> Jens-Spahn-Welcome-on-Job-Feier, dann ist was schiefgelaufen. | |
Bild: Die Schwarzwaldklinik – steht gar nicht in der Eifel. Aber wo dann? | |
Es ist einer dieser ersten warmen Abende des Jahres. Sandalen, barfuß, jede | |
Körperzelle voller Frühling. Der Biergarten ruft. Gleichzeitig schießt | |
etwas in meinen Rücken. Atemraubender Schmerz. Kreislauf, Eisschweiß, | |
Übelkeit. Der Schmerz erreicht die Höhe des K2. Ich will noch nicht | |
sterben. | |
Ich hangele nach dem Telefon. Der Notarzt sagt, er sei für Notfälle nicht | |
zuständig, da müsse ich den Rettungsdienst anrufen. Nach 15 Minuten, in | |
denen ein Riesenbraunbär aus Kamtschatka seine Tatzen in meinen Rücken | |
haut, trifft der Rettungsdienst ein. Zwei Jungs im Alter meiner | |
pubertierenden Neffen. „Kann ich … ein Schmerzmittel … bitte“, stöhne … | |
in der Fuge zwischen zwei Prankenhieben. O, das täte ihnen sehr leid, aber | |
dazu seien sie nicht befugt. | |
Die Neffen bringen mich in die Notaufnahme des nächstgelegenen | |
Krankenhauses. Kein Ausweis. Schlecht. Tausend Fragen, Nachfragen, ewige | |
Aufnahmeprozedur. Kamtschatka wütet weiter. „Kann ich vielleicht ein wenig | |
Schmerzmittel …“ – „Keine Schmerzmittel“, befiehlt ein vorbeifliegend… | |
Arzt, „wir müssen erst röntgen, um zu sehen, ob beim Sturz etwas gebrochen | |
ist.“ – „Ich bin nicht gestürzt“, rufe ich, während Kamtschatka seine | |
Jungen zum Abendessen zusammentrommelt. | |
Die nächsten zweieinhalb Stunden liege ich unbeachtet auf einem Flur, | |
während um mich herum Ärzte und Pflegerinnen Sprints für die kommende | |
Jens-Spahn-Welcome-on-Job-Feier trainieren. Kamtschatka beginnt, handliche | |
Portionen für seinen Nachwuchs aus meinem Fleisch zu reißen. „Könnte ich | |
vielleicht jetzt ein klein wenig Schmerzmittel …“, rufe ich einer Schwester | |
beim Hundertmeterlauf hinterher. „Wir müssen Sie erst röntgen. Wenn jemand | |
gestürzt ist …“ | |
Es wird dunkel. Kamtschatka hat für Lieblingssohn Shylock ein besonders | |
fettes Stück aus meiner Lendenwirbelsäule gerissen. Als es wieder hell | |
wird, befinde ich mich mit meiner Trage am Ende einer langen Warteschlange | |
anderer Tragen, auf denen stöhnende oder stille, vermutlich schon | |
verfütterte Notfallpatienten liegen. | |
Es dauert nur noch höchstens anderthalb Stunden, bis die Stationsärztin | |
mein Röntgenbild in der Hand hält. „Glück gehabt, nichts gebrochen beim | |
Sturz. Vermutlich ein einfacher Hexenschuss. Ich geb’ Ihnen ein | |
Schmerzmittel, hilft normalerweise sofort.“ | |
Sie legt einen Zugang in meine Vene. Nach drei Sekunden bin ich im | |
Paradies. Sandalen, barfuß, jede Körperzelle voller Frühling. Der | |
Biergarten ist nun zu, aber egal. Die Stationsärztin will die | |
Entlassungspapiere ausdrucken, ihr Computer stürzt ab. Wie ein Pfropfen aus | |
einer Sektflasche, löst sich ein Heulkrampf. | |
„Ich kann nicht mehr, kann einfach nicht mehr.“ – „Na, Sie haben aber a… | |
kein leichtes Leben“, sage ich. Tröstend streichle ihr über den Kopf. „Mit | |
Jens Spahn wird sicher alles bald besser.“ Sie schreit laut auf. | |
Kamtschatka, greifst du etwa schon wieder an? | |
18 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Gerlis Zillgens | |
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