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# taz.de -- Die Wahrheit: Radikalisierte Rucksäcke
> Wie konnte es nur dazu kommen, dass das unschuldige kleine
> Trage-Accessoire heute so militant geworden ist und überall Panik
> auslöst?
Bild: Das wird ein Spaß
Er stand auf Gleis 7. Allein. Unbewacht. Dunkel. Groß. Die mörderische
Bedrohung war ihm von Weitem anzusehen. Panik überfiel mich. Im selben
Moment riss mich jemand nach hinten. „Terrorgefahr!“, brüllte ein
Uniformierter direkt in mein linkes Ohr und drückte mich zu Boden.
Der Terrorist stand unbeweglich auf dem Bahnsteig. Todesangst unter den
Reisenden. Dann in Windeseile: Evakuierung des Gleises, Schließung des
Bahnhofs, Absperrung des Viertels. Bevor er sich selbst in die Luft
sprengen konnte, wurde der Rucksack gesprengt. Noch einmal gut gegangen.
Wie hatte es nur so weit kommen können? Wieso hat sich der Rucksack an sich
im Laufe der Jahre so radikalisiert? War er doch einst der friedliche
Kamerad von tapferen Bergsteigern wie Luis Trenker oder Reinhold Messner.
Lange diente er Schülern auf ihrem täglichen Weg. Jahrzehntelang hat er
auch mich begleitet, durch Wind und Wetter, zur Arbeit, beim Einkauf, im
Urlaub. Wie konnte er nur dem Terror anheimfallen, obwohl er nachweislich
nie Counterstrike gespielt hat, nie von seinen Mitschülern ausgegrenzt
wurde, nie arbeitslos war, niemals als Hartz-IV-Empfänger gedemütigt wurde.
Wenn wir genau hinschauen, hätten wir es früher bemerken können! Schauen
wir nur in die Geschichte. Als Mitte des 17. Jahrhunderts die
Landsknechtheere durch Armeen ständiger Soldaten ersetzt wurden, bekam der
Uniformierte einen Tornister, eine Art früher Rucksack, der dem Transport
von Verpflegung, Lagerausrüstung und Munition (!) diente. Wer einmal
Mörderisches in sich verbirgt, der ist geprägt. Wir hätten dem Rucksack nie
trauen dürfen!
Nun ersinnt man endlich Verbote. Das war längst überfällig. Keine Rucksäcke
mehr auf Festivals im Taubertal oder in Wacken, und die Wiesnwirte wollen
auch keine Rucksäcke mehr auf dem Münchner Oktoberfest.
Mit Entsetzen stellte ich neulich fest, dass ich allein drei der
Teufelswerkzeuge in meiner Wohnung und zwei im Keller beherbergte. Harmlos
gaben sie sich, getarnt in lustigen Knallfarben oder mit neckischem
Streifendesign. Aber nun weiß ich es besser. Ein Spezialkommando der GSG 9
hat mir geholfen. Mein Haushalt ist nun Gott sei Dank rucksackfrei.
Die Sicherheitslage in Deutschland wird entschieden verbessert durch ein
umfassendes Rucksackverbot. Aber wir dürfen nicht stehen bleiben, wir
müssen weitergehen. Bomben, Waffen, Sprengstoff kann man auch in
Rollkoffern, Kühltaschen und Prada-Handtaschen mitführen. Natürlich müssen
auch die verboten werden.
Überhaupt sollte alles, in dem sich Gräueltaten begehen lassen, abgeschafft
werden: Regionalzüge, Restaurants, Einkaufszentren, Konzerthallen, das
ganze Land! Das würde unsere Sicherheitslage meilenweit voranbringen. Warum
nicht dafür eine Partei neu gründen: die AVP, die Alles-Verbieten-Partei.
Nur sie kann unser Land nachhaltig vor dem Terror schützen. Die Welt wird
auf uns schauen, und wir können dann – mit Recht – immer und immer
wiederholen: Wir schaffen das!
12 Aug 2016
## AUTOREN
Gerlis Zillgens
## TAGS
Terrorismus
Angst
Medizin
Köln
Krise
Schwerpunkt Überwachung
Genetik
Physik
Deutsche Bahn
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