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# taz.de -- Herkunftsgeschichte Museumsexponate: Der Elefant im Raum
> Beim Humboldt Forum wollte man alles richtig machen und hohe Maßstäbe
> setzen. Nun ist dafür kein Geld vorgesehen.
Bild: Das Humboldt Forum soll ab 2019 Deutschlands wichtigstes Kunst- und Kultu…
„Das Humboldt Forum setzt Maßstäbe für die Auseinandersetzung mit der auch
moralischen und völkerrechtlichen Dimension der eigenen
Sammlungsgeschichte.“ Kulturstaatsministerin Monika Grütters legte im
November vor zwei Jahren die Messlatte sehr hoch bei der Präsentation der
Pläne für das Humboldt Forum durch die Gründungsintendanten. „Ohne eine
solche Ehrlichkeit und Transparenz auch der eigenen Geschichte gegenüber
verlieren alle Museen, auch dieses, ihre Glaubwürdigkeit. Und wir sollten
das Werden des Humboldt Forums zum Anlass nehmen, die Herkunftsgeschichte
auch aus kolonialen Kontexten genau so ernsthaft und systematisch zu
erforschen wie wir das mit naziverfolgungsbedingt entzogener Kunst tun.“
Die Auseinandersetzung mit der „völkerrechtlichen Dimension der eigenen
Sammlungsgeschichte“ führt allerdings nicht weit. Die „Haager
Landskriegsordnung“, die erstmals das Plündern gegnerischer Kulturgüter
verbot, wurde 1899 verabschiedet, galt jedoch nur unter „zivilisierten“
Nationen, und zu denen wurden afrikanische Gesellschaften damals nicht
gezählt.
Das Übereinkommen zur Ein- und Ausfuhr von Kulturgütern, von der Unesco
1970 beschlossen, ratifizierte die Bundesrepublik Deutschland erst 37 Jahre
später – 2007, als 115. Staat.
Und weil die Antikenhändler um ihre Geschäfte fürchteten, verabschiedete
der Bundestag noch im selben Jahr das sogenannte Kulturgüterrückgabegesetz,
wonach nur solche Objekte für eine Restitution überhaupt in Frage kamen,
die in zuvor erstellten offiziellen Listen der Herkunftsstaaten verzeichnet
waren.
## Deutschland als Drehscheibe des illegalen Handels
Die absehbare Folge: Das neue Gesetz führte bis 2013 „in keinem einzigen
Fall zur Rückgabe von Kulturgut“, wie ein Bericht der Bundesregierung aus
dem gleichen Jahr besagte. Erst 2016, da machte Deutschland weltweit als
Drehscheibe des illegalen Handels mit archäologischen Schätzen vor allem
aus dem kriegsgebeutelten Nahen Osten von sich reden, wurden diese
Bestimmungen geändert.
Die Ankündigung aber, man wolle beim Humboldt Forum auch moralische
Maßstäbe setzen, klingt angesichts der bisherigen Bemühungen gewagt. Für
den Bau von Schloss und Humboldt Forum sind knapp 600 Millionen Euro sowie
ein laufender Etat von jährlich mindestens 60 Millionen veranschlagt, für
Provenienzforschung dagegen kein einziger Cent.
Obwohl von Beginn an klar war, dass ein erheblicher Teil der ethnologischen
Bestände aus Gewaltkontexten stammt, blieb die Erforschung ihrer
Herkunftsgeschichte den einzelnen Kuratorinnen und Kuratoren vorbehalten,
die dafür jedoch weder die Zeit noch den entsprechenden Etat haben.
Auf den Einwurf, dass man es damit offenbar nicht eilig habe, entgegnete
eine Kuratorin der Dahlemer Museen noch Ende 2016 schnippisch, dass man
schließlich zu nichts verpflichtet sei und das Geld für die entsprechende
Forschung entweder komme – oder eben nicht.
## Kulturelles Erbe Afrikas soll nicht nur in Europa sichtbar sein
Die Klärung und Offenlegung der Provenienzen wurde von den Beteiligten nie
als essenzielle Voraussetzung des Projekts Humboldt Forum betrachtet. Erst
aufgrund des wachsenden öffentlichen Drucks ließ sich Ende 2017 die
Deutsche Forschungsgemeinschaft dazu bewegen, die Erwerbsakten des Berliner
Völkerkundemuseums bis 1947 zu digitalisieren und dann auch öffentlich zu
machen. Das ist ein großer Schritt.
Doch der Druck lässt nicht nach: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
erklärte im November 2017 überraschend, dass es nicht sein könne, dass das
kulturelle Erbe Afrikas nur in Europa zu sehen sei. Damit brach erstmals
ein wichtiger politischer Repräsentant des Westens aus der fest
geschlossenen Front all der Kulturpolitiker und Museumsleiter aus, die
Restitutionen rundweg ablehnen.
Zwar ist die Provenienzforschung Voraussetzung für alles Weitere, es fällt
aber auf, dass nie gesagt wird, was aus dieser Forschung logischerweise
folgen müsste: Objekte, die illegal angeeignet wurden, auch zurückzugeben,
sofern es die Herkunftsgesellschaften so wollen. Dafür müsste man sich vom
Anspruch verabschieden, nur die Universalmuseen westlicher Demokratien
könnten das kulturelle Erbe der Menschheit angemessen zeigen und bewahren.
Davon ist man weit entfernt. Stattdessen heißt es vage, man werde sich dann
mit den Herkunftsgesellschaften zusammensetzen. Worum aber soll es in
solchen Gesprächskreisen gehen, wenn nicht um Rückgabe? Der Begriff des
„Shared Heritage“ ist kaum mehr als ein Marketingtrick, solange die
Besitzansprüche an den Objekten nicht aufgegeben werden.
## Selbstverpflichtung, NS-Raubkunst zu identifizieren
Die Washingtoner Erklärung von 1998 sieht vor, dass sich die öffentlichen
Institutionen von sich aus darum bemühen, mögliche NS-Raubkunst in ihren
Beständen zu identifizieren und den rechtmäßigen Erben zurückzugeben.
Wollte man, wie Monika Grütters ankündigte, ernsthaft im Sinne dieser
moralischen Verpflichtung handeln, hätte man zum Beispiel all jene Objekte
aus der Königsstadt Benin längst zurückgeben können, deren Herkunft aus dem
kolonialen Feldzug der Briten 1897 anhand der Erwerbsakten Felix von
Luschans zweifellos belegt ist.
Bisher aber wurde nicht ein einziges Objekt restituiert. So trifft auch auf
die koloniale Raubkunst zu, was Ronald Lauder, Präsident des Jüdischen
Weltkongresses im Zusammenhang mit der NS-Raubkunst moniert: „Es ist so
einfach, zu versprechen, das Richtige zu tun. Aber können wir endlich mehr
Resultate sehen?“
10 Apr 2018
## AUTOREN
Lorenz Rollhäuser
## TAGS
Monika Grütters
NS-Raubkunst
Raubkunst
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