Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Bronzen aus Nigeria in Museen in Europa: Bring mich nach Hause
> Ende des 19. Jahrhunderts wurden 3.500 Bronzen aus Nigeria geraubt. Nun
> werden Forderungen nach ihrer Rückgabe laut.
Bild: Theophilus Umogbai, Kurator des Museums von Benin City
Das Nationalmuseum von Edo, ein Rundbau in exponierter Lage mitten im
größten Kreisverkehr der Provinzhauptstadt Benin City, ist angenehm
temperiert. Die Sammlung in dem Gebäude, das sich über drei Etagen
erstreckt und 1973 eröffnet wurde, ist neu gestaltet, klar strukturiert und
vor allem im Erdgeschoss ziemlich übersichtlich.
Nur eines fällt sofort auf. Es ist ein Schwarz-Weiß-Foto, verschwommen,
groß auf einer riesige Leinwand. Einigermaßen gut zu erkennen sind ein paar
Männer, die Tropenhelme und weiße Leinenanzüge tragen. Vor ihnen aufgebaut
ist der Grund, weshalb die Ausstellung in der nigerianischen
Provinzhauptstadt Benin City über verhältnismäßig wenig Stücke verfügt.
Auf dem staubigen Boden liegen unzählige Bronzen, die viele hunderte Jahre
alt sind. Auf dem Foto sind viele nur als kleine, verschwommene Punkte zu
erkennen. Doch es sind Skulpturen und Reliefs, die oft etwa so groß wie
zwei DIN-A4-Blätter sind. Sie zeigen Szenen aus dem Königspalast und
dokumentieren das Leben in der Region dort über mehrere Jahrhunderte.
Die Männer auf dem verschwommen Foto und wohl auch zahlreiche Helfer haben
die Kunstwerke aus dem Palast des Obas von Benin, so heißt der
traditionelle Herrscher des jahrhundertealten Reichs, sowie aus Schreinen
geraubt.
## Schwer zu ertragender Anblick
Es ist ein Anblick, der für Kurator Theophilus Umogbai nur schwer zu
ertragen ist. Denn seit der Benin-Expedition im Jahr 1897, an der sich
wohlhabende Kaufleute und Vertreter der britischen Regierung – Nigeria war
britische Kolonie – beteiligt hatten, sind weit mehr als 3.000 der Bronzen
außer Landes geschafft worden. „Jedes Stück, das in irgendeiner
Abstellkammer steht, heißt auch: Ein Teil der Geschichte der Menschen hier
ist weggenommen worden“, sagt Umogbai, der deshalb nur eine kleine Zahl
ausstellen kann.
Die besonders wertvollen, die schon ab 1288 angefertigt wurden, sind längst
in verschiedenen Sammlungen in Europa zu sehen. Ausstellungsorte sind das
Britische Museum in London, das Weltmuseum in Wien, das Nationale Museum
für Ethnologie in Leiden in den Niederlanden sowie verschiedene Museen in
Deutschland. Mit den außergewöhnlichen Kunstwerken wird oft geworben.
In Benin City würde Theophilus Umogbai das auch gerne tun und so vor allem
mehr Schulklassen und Gruppen ins Museum locken. Er gehört deshalb der
Benin-Dialog-Gruppe an. Neben verschiedener Museen in Europa nimmt auch die
nationale Kommission für Museen und Monumente in Nigeria seit 2010 an
regelmäßigen Treffen teil. Ziel ist es, über den künftigen Umgang mit den
Bronzen zu diskutierten.
An Fahrt gewonnen hatte das im Jahr 2016, als es zu Protesten an der
Universität von Cambridge kam. Studenten kritisierten die öffentliche
Zurschaustellung eines Bronze-Hahns, der ein Zeichen der Königsmutter ist,
im Saal des Jesus Colleges. Umogbai nennt das „eine Beleidigung für uns“.
Seit den Protesten ist der Hahn zwar nicht mehr im großen Saal zu sehen,
aber auch nicht zurück.
## Geringe Bereitschaft auf europäischer Seite
Trotzdem werden seitdem Forderungen nach der Rückführung der Bronzen lauter
und präsenter für eine breitere Öffentlichkeit. Bisher sei die Bereitschaft
auf europäischer Seite, so lässt es Umogbai durchklingen, eher gering.
„Während des Treffens 2016 hieß es von einigen Teilnehmern: Man sei kein
Premierminister und könne keine Entscheidung treffen.“ Dennoch habe es
einen Fortschritt gegeben.
Es wird überlegt, die Bronzen zu Ausstellungszwecken zurückzubringen. Es
ist ein Vorschlag, der nicht nur auf Begeisterung stößt. Alte Wunden
könnten mit einer temporären Ausstellung aufgerissen werden. Auch der
Vorwurf, Nigeria könne nicht ausreichend für die Sicherheit der Objekte
sorgen, gilt als Beleidigung. Der Kurator versucht dennoch, es positiv zu
sehen. Wird über die Rückführung gesprochen, bleibt sie zumindest ein
Thema.
Unterstützen könnte das nun die Ankündigung von Frankreichs Präsident
Emmanuel Macron. Er sprach sich vor wenigen Tagen bei dem Besuch des
beninischen Präsidenten Patrice Talon in Paris dafür aus, eine Kommission
für die mögliche Restitution von Kunstwerken an Afrika einzurichten. Zum
Thema gemacht hatte Macron das bereits während seines Besuchs in der
burkinischen Hauptstadt Ouagadougou im vergangenen November.
So hochkarätig wird die Rückführung in Nigeria bisher allerdings nicht
diskutiert. Es ist nicht bekannt, ob sich Präsident Muhammadu Buhari je
öffentlich zu den Bronzen geäußert hat. Unter der Hand wird ihm nachgesagt,
ohnehin kein Interesse an Kunst und Kultur zu haben.
## Offener Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel
In Deutschland hatten zuletzt 20 Nichtregierungsorganisationen und
zahlreiche Einzelunterzeichner Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem
offenen Brief aufgefordert, sich mit der Raubkunst aus Afrika
auseinanderzusetzen. Deutschland komme eine Schlüsselrolle zu. „In seiner
Hauptstadt Berlin fand 1884/85 – auf Einladung der Französischen Republik
und des Deutschen Reiches – die berüchtigte Afrika- oder Kongo-Konferenz
statt.
Dabei wurden die Regeln zur fast vollständigen Aufteilung Afrikas unter den
europäischen Kolonialmächten ausgehandelt und damit erst die Voraussetzung
für die systematische Aneignung von afrikanischen Kulturobjekten und
sterblichen Überresten geschaffen“, heißt es in dem Schreiben an die
Kanzlerin.
Entwicklungen wie diese bestärken in Benin City Kurator Theophilus Umogbai,
der weiter für die Bronzen kämpfen will. „Jede ist wie der Vorfahre eines
Beniners in Geiselhaft. Wenn man leise ist, hört man seinen Ruf: Bring mich
nach Hause, bring mich nach Hause. Eines Tages wird es so weit sein.“
22 Mar 2018
## AUTOREN
Katrin Gänsler
## TAGS
Raubkunst
Nigeria
Restitution
Monika Grütters
Nigeria
Nigeria
Lesestück Recherche und Reportage
Provenienzforschung
## ARTIKEL ZUM THEMA
Herkunftsgeschichte Museumsexponate: Der Elefant im Raum
Beim Humboldt Forum wollte man alles richtig machen und hohe Maßstäbe
setzen. Nun ist dafür kein Geld vorgesehen.
#NotTooYoungToRun-Aktion in Nigeria: Eine junge Politik für ein junges Land
Mehr als zwei Drittel der knapp 200 Millionen Einwohner Nigerias sind
jünger als 30. Zu Wahlen antreten dürfen sie nicht. Aktivisten wollen das
ändern.
Angriffe und Entführungen in Westafrika: Terroristen ohne Grenzen
In Nigeria entführen sie Schulmädchen. In Burkina Faso schlagen sie in der
Hauptstadt zu. Westafrikas Islamisten organisieren sich neu.
Im Kolonialismus geraubte Körperteile: Wem gehört der Schädel?
Gerhard Ziegenfuß hat einen Totenkopf aus Deutsch-Südwestafrika geerbt. Er
will ihn zurückgeben. Aber das ist gar nicht so einfach.
Ausstellung „Not A Single Bone“ in Berlin: Der Knochenklau
Die Künstler Jan Nikolai Nelles und Nora al-Badri wollen Versäumnisse in
der Berliner Provenienzforschung aufzeigen. Gelingt das auch?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.