| # taz.de -- Treffen zwischen der EU und der Türkei: Ein Gipfel und ein tiefer … | |
| > Wurden bei dem EU-Türkei-Treffen am Schwarzen Meer Lösungen erzielt? | |
| > Ratspräsident Tusk hat auf diese Frage eine ebenso knappe wie klare | |
| > Antwort. | |
| Bild: So nah und doch so fern: Erdogan zwischen Tusk und Juncker. Links im Bild… | |
| Warna dpa | Für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist das | |
| Gipfeltreffen mit den EU-Spitzen im bulgarischen Warna nur einen kurzen | |
| Hüpfer über das Schwarze Meer entfernt gewesen. Der Weg der Türkei in die | |
| EU ist ungleich länger und führt womöglich nie zum Ziel, die | |
| Beitrittsverhandlungen liegen längst auf Eis. | |
| Daran änderte auch der Gipfel am Montagabend nichts, selbst wenn Erdogan | |
| vor seinem Abflug von Istanbul nach Warna den Platz für sein Land | |
| einforderte, den es aus seiner Sicht in Europa verdient hat: Nämlich den | |
| „als angesehenes und gleichberechtigtes Vollmitglied“. | |
| Die EU – in Warna vertreten durch Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker | |
| und Ratspräsident Donald Tusk – steckt in einem Dilemma. Den Gesprächsfaden | |
| mit Erdogan abreißen lassen will sie nicht, weil sie die Konsequenzen | |
| fürchtet. Dabei ist der Beitrittskandidat Türkei aus Sicht der EU wohl so | |
| weit davon entfernt wie nie, die Kopenhagener Kriterien für eine | |
| Mitgliedschaft zu erfüllen, was Erdogan freilich anders sieht. | |
| Das Wetter am Montag in Warna – unterkühlt, verhangen, keine Aussicht auf | |
| Sonnenschein – passte angesichts dieser Differenzen ganz gut zur Stimmung | |
| zwischen Brüssel und Ankara. | |
| Juncker, Tusk und Erdogan hatten beim Arbeitsessen mit | |
| Schwarzmeer-Steinbutt, Kalbsfilet und Lammkotelett daher auch keinen Mangel | |
| an schwierigen Gesprächsthemen. „Was ich sagen kann, dass ich alle unsere | |
| Bedenken geäußert habe“, meinte Tusk anschließend bei der gemeinsamen | |
| Pressekonferenz. „Die Liste war lang.“ Ernüchtert fügte er hinzu: „Wenn… | |
| mich fragen, ob wir Lösungen oder Kompromisse erzielt haben, lautet meine | |
| Antwort: Nein.“ | |
| ## Streitpunkt Afrin | |
| Die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei macht der EU weiterhin große Sorgen. | |
| Und nicht nur das: Die Liste der Probleme wird ständig länger. Zuletzt | |
| kamen die Inhaftierung von zwei griechischen Soldaten in der Türkei und die | |
| von der EU als „rechtswidrig“ gegeißelte türkische Blockade von | |
| Erdgasbohrungen vor Zypern hinzu. Lauter wird auch die Kritik an der | |
| türkischen Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG in Syrien, die | |
| Bundeskanzlerin Angela Merkel in der vergangenen Woche erstmals „auf das | |
| Schärfste“ verurteilte. | |
| Erdogan argumentiert mit dem Selbstverteidigungsrecht der Türkei, weil | |
| Ankara die YPG wegen deren Verbindungen zur verbotenen kurdischen | |
| Arbeiterpartei PKK als Terrororganisation einstuft. Zugleich fordert er von | |
| den EU-Staaten, härter gegen die PKK durchzugreifen. Am Montag sagte | |
| Erdogan, Voraussetzung dafür, wieder Vertrauen aufzubauen, sei „die volle | |
| Unterstützung unserer europäischen Freunde bei unserem Kampf gegen den | |
| Terror“. | |
| Allerdings ist die türkische Art des Anti-Terror-Kampfes eines der | |
| Kernprobleme – die EU sieht dabei nämlich den Rechtsstaat und die | |
| Menschenrechte unter die Räder geraten. Seit dem Putschversuch vom Juli | |
| 2016 und dem danach verhängten Ausnahmezustand kommt es in der Türkei fast | |
| täglich zu Festnahmen, Dutzende kritische Journalisten und | |
| Oppositionspolitiker sitzen in Untersuchungshaft, immer mit derselben | |
| Begründung: Terrorverdacht. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte | |
| am Montag im Deutschlandfunk: „Es ist kein Sauerstoff mehr (da) für die | |
| Demokratie in der Türkei. Das ist das Schlimmste.“ | |
| ## Sorge um den Flüchtlings-Deal | |
| Im kommenden Monat steht der jährliche Fortschrittsbericht der | |
| EU-Kommission zum Beitrittskandidaten Türkei an. Europäische Diplomaten | |
| gehen davon aus, dass Ankara darin ein miserables Zeugnis ausgestellt | |
| werden wird. Die EU-Staaten werden sich dann wohl wie noch nie zuvor die | |
| Frage stellen müssen, warum sie die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei | |
| nicht offiziell einfrieren. In den Verhandlungsleitlinien ist dies nämlich | |
| eigentlich für den Fall vorgesehen, dass die Türkei „ernsthaft und | |
| anhaltend“ gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit verstößt. | |
| Bislang fand ein Ende der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei keine | |
| Mehrheit unter den EU-Staaten. Zum einen will die EU pro-europäische Kräfte | |
| in der Türkei (gemeint sind säkulare Erdogan-Kritiker) nicht im Stich | |
| lassen. | |
| Weniger uneigennützig ist die Sorge um den Flüchtlingspakt. Das Abkommen | |
| vom März 2016 hat bewirkt, dass der Zustrom von Flüchtlingen nach Europa | |
| deutlich zurückging. Kritiker bemängeln allerdings, dass sich die EU | |
| abhängig gemacht habe von Erdogan – der mehrfach damit gedroht hat, das | |
| Abkommen aufzukündigen. | |
| Außerdem haben sowohl die EU-Staaten als auch die Türkei ein handfestes | |
| Interesse an der Fortsetzung ihrer wirtschaftlichen Beziehungen. Längst ist | |
| die Türkei Mitglied in der G20-Gruppe der führenden Industrie- und | |
| Schwellenländer und vor allem für Deutschland ein bedeutender Absatzmarkt. | |
| Erdogan drängte in Warna erneut auf eine Modernisierung der Zollunion | |
| zwischen der EU und der Türkei, was auch aus der deutschen Wirtschaft | |
| gefordert wird. | |
| ## Verliert Europa die Türkei an Russland? | |
| Vor allem aber herrscht in der EU Furcht davor, dass das Nato-Mitglied | |
| Türkei sich vom Westen ab- und zu Russland hinwenden könnte. Erdogan hat | |
| bereits begonnen, die Türkei auf einen solchen Kurs zu lenken, was sich | |
| nicht zuletzt am Kauf des russischen S400-Raketenabwehrsystems durch die | |
| Türkei festmachen lässt. | |
| „Eine vom Westen, von der Nato und letztlich damit auch von der | |
| Orientierung auf Europa losgelöste Türkei würde für uns Europäer ein neues | |
| und ganz erhebliches Risiko bedeuten“, warnte der kürzlich aus dem Amt des | |
| Außenministers geschiedene SPD-Abgeordnete Sigmar Gabriel am vergangenen | |
| Wochenende in einem Debattenbeitrag für den „Tagesspiegel“. „Wir hätten… | |
| den Außengrenzen Europas keinen Verbündeten mehr, sondern einen | |
| potenziellen Gegner.“ | |
| 27 Mar 2018 | |
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