# taz.de -- Kommentar EU-Reaktion auf Giftanschlag: Putin strafen, Erdoğan sch… | |
> Zynischer hätte die EU auf den Fall Skripal nicht reagieren können. Die | |
> Ausweisung russischer Diplomaten ist ein Tiefpunkt der gemeinsamen | |
> EU-Außenpolitik. | |
Bild: Es wird leer in den russischen Botschaften in Europa | |
Dass die EU auf den mutmaßlichen Giftgas-Angriff von Salisbury mit weiteren | |
Sanktionen gegen Russland reagiert, ist keine Überraschung. Ratspräsident | |
Donald Tusk hatte die Strafmaßnahme bereits beim EU-Gipfel am vergangenen | |
Freitag in Brüssel angekündigt. Nur das Ausmaß der [1][konzertierten | |
Aktion] – 14 EU-Länder haben mehr als 30 russische Diplomaten ausgewiesen – | |
stand noch nicht fest. | |
Überraschend ist allerdings die Art und Weise, mit der die EU ihre | |
Solidarität mit Großbritannien bekundet. Da ist zum einen das Timing: Wieso | |
kommen die Sanktionen ausgerechnet jetzt und nicht erst in ein paar Tagen | |
oder Wochen, wenn die russische Komplizenschaft zweifelsfrei erwiesen ist? | |
Neue Beweise wurden seit Freitag nicht vorgelegt, an der Sachlage hat sich | |
nichts geändert. | |
Die unabhängigen Prüfer von der Organisation für das Verbot chemischer | |
Waffen dürften erst Mitte April ihre Prüfung abschließen. Da sich im Fall | |
Skripal keine neue Entwicklung abzeichnet, hätte die EU zumindest bis zu | |
diesem Zeitpunkt warten können, ja, müssen. Denn so setzt sie sich dem | |
Verdacht aus, unbesonnen oder aufgrund dubioser britischer | |
Geheimdienst-Erkenntnisse zu handeln. | |
Noch fragwürdiger sind die Umstände, unter denen die Aktion gegen Russland | |
und seinen Präsidenten Wladimir Putin bekannt gegeben wurde. Tusk wählte | |
ausgerechnet den Ort seines Treffens mit Recep Tayyip Erdoğan im | |
bulgarischen Warna. Ein Gipfel mit dem türkischen Präsidenten als Bühne für | |
Sanktionen gegen Putin! Das ist so bizarr, das hätte sich nicht einmal Jan | |
Böhmermann ausdenken können. | |
## Wo sind die Sanktionen gegen die Türkei? | |
Denn Erdoğan ist keinen Deut besser als Putin, ganz im Gegenteil. Der | |
türkische Sultan attackiert die EU, indem er Kriegsschiffe in die | |
Seegewässer vor Zypern schickt, um Gasbohrungen zu verhindern. Er | |
hintertreibt die europäische Außen- und Sicherheitspolitik, indem er seine | |
Truppen in Afrin einmarschieren lässt. Und er droht Griechenland mit | |
„Korrekturen“ an der gemeinsamen Grenze. | |
Auf dem [2][EU-Gipfel am Freitag] wurde Erdoğan dafür mit scharfen Worten | |
verurteilt. Deshalb wäre es nur konsequent gewesen, auch Sanktionen gegen | |
die Türkei zu verhängen. Stattdessen will Tusk nun erneut drei Milliarden | |
Euro für den schmutzigen Flüchtlingspakt freigeben. Putin strafen und | |
Erdoğan schmieren, das ist die neue Politik der EU. Zynischer geht es kaum | |
noch. | |
Der EU-Doppelbeschluss dürfte als Tiefpunkt in die Geschichte der | |
gemeinsamen Außenpolitik eingehen. Von Warna geht die verheerende Botschaft | |
aus, dass sich Verbündete (wie die Türkei) alles erlauben dürfen, während | |
vermeintliche oder echte Feinde (wie Russland) auch ohne Beweise bestraft | |
werden dürfen. Hat Tusk eigentlich schon einmal davon gehört, dass die | |
Türkei und Russland außenpolitisch eng zusammenarbeiten? | |
26 Mar 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Affaere-um-Ex-Spion-Sergej-Skripal/!5494157 | |
[2] /EU-Gipfel-in-Bruessel/!5493629 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
## TAGS | |
Russland | |
Europäische Union | |
USA | |
Großbritannien | |
Sergej Skripal | |
Sergej Skripal | |
Russland | |
Russland | |
EU | |
Türkei | |
Russland | |
Russland Heute | |
Sergej Skripal | |
Russland | |
Sergej Skripal | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Sanktionen wegen Skripal-Giftanschlag: Russland weist 60 US-Diplomaten aus | |
Nachdem westliche Länder über 150 russische Gesandte ausgewiesen haben, | |
zwingt Russland nun US-Diplomaten zur sofortigen Ausreise. | |
Giftanschlag auf Sergej und Yulia Skripal: An der Haustür vergiftet | |
Die britische Polizei fand die höchste Konzentration des Nervengifts an der | |
Tür des Wohnhauses von Skripal. Russland fordert Einblick in die | |
Ermittlungen. | |
Nach dem Brand im russischen Kemerowo: Trauer um die Opfer – und Zorn | |
In Russland gedenken Tausende der Toten der Brandkatastrophe in einem | |
Einkaufszentrum. Viele sind wütend auf die Verantwortlichen. | |
Die EU und der Fall Skripal: Uneins und gespalten | |
Nach der Ausweisung russischer Diplomaten hat am Dienstag auch die Nato | |
Sanktionen verhängt. Andere Länder weigern sich jedoch. | |
Treffen zwischen der EU und der Türkei: Ein Gipfel und ein tiefer Graben | |
Wurden bei dem EU-Türkei-Treffen am Schwarzen Meer Lösungen erzielt? | |
Ratspräsident Tusk hat auf diese Frage eine ebenso knappe wie klare | |
Antwort. | |
Affäre um Ex-Spion Sergej Skripal: EU und USA weisen Russen aus | |
In der Skripal-Affäre spitzt sich die Konfrontation zu. 14 EU-Staaten, | |
darunter Deutschland, weisen Diplomaten aus. Die USA fordern 60 Russen zur | |
Ausreise aus. | |
Diplomatische Krise nach Salisbury: Weder Käse noch Kultur | |
London hat russische Diplomaten ausgewiesen und Moskau britische und das | |
British Council geschlossen. Was denken britische Expats in Russland? | |
Fall des vergifteten Ex-Agenten Skripal: EU stellt sich hinter Großbritannien | |
Griechenland und Österreich hatten gezögert, jetzt stellen sich die | |
EU-Mitgliedsländer hinter Theresa May, die den Gift-Anschlag als russische | |
Aggression wertet. | |
Debatte zum Anschlag von Salisbury: Sie ziehen alle Register | |
Die Indizienlage im Fall Skripal ist klar: Sie deutet nach Russland. Warum | |
dazu von „Hysterie“ geschrieben wird, erschließt sich nicht. | |
EU-Debatte um die Vergiftung Skripals: Bedingte Solidarität mit London | |
Die EU-Außenminister stellen sich hinter Großbritannien. Nur Athen mahnt | |
zur Vorsicht. Eine Schuldzuweisung an Russland bleibt gänzlich aus. |