# taz.de -- Verdi-Warnstreik in Berlin: Es muss richtig wehtun | |
> Im öffentlichen Dienst wird gestreikt – haben Sie es schon gemerkt? | |
> Vermutlich nur, wenn Sie am Donnerstag ins Schwimmbad wollten. | |
Bild: Warntreikende mit dem aktuellen Kampf-Slogan | |
Streiken ist in Zeiten wie diesen nicht so einfach. Einmal wegen des | |
Wetters: Ein unangenehmer Wind treibt den rund 60 KollegInnen der Berliner | |
Bäderbetriebe, von Charité, Vivantes und Bundesbank am Donnerstagmorgen die | |
Schneeflocken ins Gesicht. Sie sind in die Charlottenburger Goethestraße | |
gekommen, um vis-à-vis dem Kommunalen Arbeitgeberverband ein Zeichen des | |
Protests im aktuellen Tarifstreit des öffentlichen Dienstes zu setzen. | |
Die Aktion „Ich bin es wert“, die nach einer Tour durch 14 Städte an diesem | |
Tag in Berlin endet, ist ein rein symbolisches Zeichen: MitarbeiterInnen | |
verschiedener Betriebe bekommen Preise verliehen in Kategorien wie | |
„Rettung“ – für einen Schwimmmeister der Bäderbetriebe – und „Leben… | |
– für eine Kollegin der Wasserbetriebe. | |
Laudatorin Gabi Lips, die stellvertretende Bezirksleiterin von Verdi | |
Berlin-Brandenburg, betont bei jeder Auszeichnung, wie wichtig die | |
jeweilige Arbeit für die Allgemeinheit ist. „Ihr arbeitet und macht und | |
tut, wir können euch vertrauen“, lobt sie etwa „Torsten von der | |
Bundesbank“, der stellvertretend für seine KollegInnen einen Preis in der | |
Kategorie „Vertrauen“ entgegennimmt. Alle klatschen und pfeifen und johlen, | |
wie es sich gehört. Aber als Verdi-Tarifsekretärin Astrid Westhoff nach | |
einer knappen Stunde die Versammlung auflöst, ist die Straße binnen weniger | |
Minuten leer. | |
Nicht leichter gemacht wird es der Gewerkschaft durch das restriktive | |
deutsche Streikrecht: Während laufender Tarifverhandlungen darf nur | |
gewarnstreikt werden – und das auch nur punktuell. „Ich kann nicht einfach | |
alle zum Streik rufen“, begründet Westhoff nach der Aktion im Gespräch mit | |
der taz, warum am Donnerstag nur die Bäderbetriebe bestreikt werden. Aber | |
immerhin, sagt sie, sind am Vormittag zehn Berliner Bäder geschlossen, und | |
die anderen betroffenen Bereiche hätten „Abordnungen“ in die Goethestraße | |
geschickt. | |
## Lähmende Fragmentierung | |
Die BSR allerdings ist nicht erschienen. Dabei sollte auch sie eine | |
Auszeichnung – für „Sauberkeit“ – bekommen. Doch der Kollege, der den … | |
entgegennehmen wollte, habe um fünf Uhr früh angerufen, erzählt Westhoff. | |
„Er könne nicht, weil er zum Winterdienst abkommandiert wurde.“ Natürlich | |
ist es lobenswert, wenn man dem Ruf des Arbeitgebers so willig folgt. Aber | |
ob so viel Pflichtbewusstsein – bloß nicht die Stadt im Schneechaos | |
versinken lassen – einem Streik guttut? | |
Last but not least ist auch die Fragmentierung der Tariflandschaft der | |
gewerkschaftlichen Schlagkraft abträglich: Nicht dabei in der aktuellen | |
Auseinandersetzung sind etwa die MitarbeiterInnen von Senat und Bezirken: | |
Für sie gilt ein anderer Tarifvertrag (TVL). Nicht dabei sind auch die | |
MitarbeiterInnen der vielen Tochterfirmen von landeseigenen Unternehmen und | |
ausgegründeten GmbHs, wie etwa Zoo und Tierpark, für die ebenfalls eigene | |
Tarifverträge gelten. „Der öffentliche Dienst ist im Zuge des ganzen | |
Privatisierungs- und Outsourcing-Wahnsinns zum Zwecke der Lohnsenkung | |
ziemlich auf Kernbereiche zusammengeschrumpft“, erklärt Westhoff. | |
Entmutigen lassen will man sich davon nicht. „Jetzt legen wir eine Schippe | |
drauf“, sagt Westhoff im üblichen Gewerkschaftskampfsprech. Und so machen | |
am heutigen Freitag die Wasserbetriebe dicht, am Samstag die Recyclinghöfe | |
der Stadt. Das ist bei Weitem nicht so schmerzhaft wie wochenlang nicht | |
geleerte Mülltonnen: Aber das kann ja noch kommen. | |
22 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
## TAGS | |
Öffentlicher Dienst | |
Verdi | |
Streik | |
Warnstreik | |
Verdi | |
Streik | |
Babyboomer | |
Notfallversorgung | |
Universität | |
Tarif | |
Charité | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Arbeitskampf im öffentlichen Dienst: Streiken wieder in Mode | |
Nicht nur Müllfahrer und Bademeister sind sauer, jetzt wird auch beim | |
Klinik-Subunternehmen Vivantes Service gestreikt. Der Finanzsenator hält | |
sich bedeckt. | |
Kommentar Streik im öffentlichen Dienst: Alle Flugzeuge stehen still | |
Der Warnstreik im öffentlichen Dienst trifft mit der Lufthansa eine | |
eigentlich unbeteiligte Dritte. Trotzdem sind die Verdi-Forderungen | |
berechtigt. | |
Umbau der französischen Bahn: Streik bei Frankreichs Eisenbahnern | |
Die Gewerkschaften lehnen sich gegen die geplante Reform der Staatsbahn | |
auf. Bis Juni wollen sie die Arbeit mehrmals in der Woche niederlegen. | |
Berlin und der Babyboom: „Nicht nach dem Gießkannenprinzip“ | |
Staatssekretär Boris Velter (SPD) über die Gesundheitspolitik in der | |
wachsenden Stadt, über fehlende Kreißsäle und Hebammen – und | |
Investitionen. | |
Zweite Notdienstpraxis in Berlin: Notfall immer samstags & sonntags | |
Weil Rettungsstellen der Krankenhäuser an den Wochenenden überfüllt sind, | |
sollen Notdienstpraxen eröffnen. Anfang April eröffnet die nächste in | |
Wedding. | |
Der Berliner Wochenkommentar I: Ordentlich Rambazamba! | |
In der Woche eins ohne geltenden Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte | |
ist es an den Unis ruhig geblieben. Noch. | |
Streiks bei Amazon: Verdi will „Black Friday“ lahmlegen | |
Mehr Lohn, bessere Arbeitsbedingungen: Auch in diesem Jahr streiken | |
Mitarbeiter des Online-Versandhändlers. Amazon lässt das kalt. | |
Streik der Pflegekräfte: Notfallvereinbarung für Charité | |
Für den laufenden Streik der Pflegekräfte an der Charité haben Gewerkschaft | |
und Klinikleitung erst nach Tagen eine Notfallvereinbarung geschlossen. |