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# taz.de -- Streiks bei Amazon: Verdi will „Black Friday“ lahmlegen
> Mehr Lohn, bessere Arbeitsbedingungen: Auch in diesem Jahr streiken
> Mitarbeiter des Online-Versandhändlers. Amazon lässt das kalt.
Bild: Amazon soll zahlen, fordert die Belegschaft
Berlin taz | Bis zu 20 Kilometer legt ein Lagerarbeiter bei Amazon pro
Schicht zurück. Waren aus den Regalen holen, die langen Gänge entlang
laufen, abliefern und sofort den nächsten Auftrag entgegennehmen. Und das
für 11 bis 12,50 Euro die Stunde – je nachdem an welchem Standort man
angestellt ist. So schildert verdi-Gewerkschaftssekretär Thomas Voß die
Arbeitsbedingungen beim weltweit größten Versandhändler Amazon.
Seit mehr als vier Jahren kämpft die Gewerkschaft dort für bessere
Arbeitsbedingungen. Seit Donnerstagabend streiken Teile der Belegschaft in
den sechs Logistikzentren Leipzig, Koblenz, Bad Hersfeld, Rheinberg, Werne
und Graben.
Die Forderung: Amazon soll endlich in den Einzel- und
Versandhandelstarifvertrag eintreten. „Im Durchschnitt würden die
Beschäftigten etwa 250 Euro mehr kriegen, wenn Amazon den Tarifvertrag
übernehmen würde“, rechnet Voß vor.
Darauf will sich der US-Konzern allerdings nicht einlassen. Die
Pressestelle teilt am Freitag mit, Amazon beweise jeden Tag, dass man auch
ohne Tarifvertrag ein fairer und verantwortungsvoller Arbeitgeber sein
könne. „Wir bezahlen in unseren Logistikzentren am oberen Ende dessen, was
für vergleichbare Tätigkeiten üblich ist.“
## Dreimal höhere Krankheitsrate
Verdi-Mann Voß schildert allerdings wenig faire Bedingungen. Bei Amazon
herrsche ein hoher Leistungsdruck. „Wenn Mitarbeiter zum Beispiel einmal
zwei Minuten länger brauchen, um ein Paket in den riesigen Lagerhallen vom
Regal zum Versand zu bringen, droht schon ein Gespräch mit dem
Vorgesetzten“, sagt Voß. Dort werde Mitarbeitern dann vorgehalten, dass es
nicht zur Unternehmensphilosophie passe, wenn man bei der Arbeit mit den
Kollegen schwatze. Aufgrund der hohen Belastung sei die Krankheitsrate
dreimal höher als im Schnitt der deutschen Wirtschaft.
Dass Verdi ausgerechnet an diesem Wochenende streikt, ist kein Zufall. Beim
so genannten „Black Friday“ werben Amazon und andere Online-Händler mit
großzügigen Rabatten – eine Tradition, die der deutsche Einzelhandel aus
den USA übernommen hat. „Amazon hofft auf Rekordgewinne“, sagt Thomas Voß.
„Wir kämpfen dafür, dass auch die Mitarbeiter etwas davon abbekommen.“
Doch es geht nicht nur um Lohn, sondern auch um die Arbeitsbedingungen.
Laut Verdi klagen Mitarbeiter über die monotone und psychische belastende
Arbeit in den Logistikzentren. Deshalb fordert die Gewerkschaft einen
Tarifvertrag für „gute und gesunde Arbeit“. Die Belastungen müssten
minimiert und die Erholungszeiten ausgebaut werden.
## Geringe Chancen auf Erfolg
Wie groß der Streikdruck auf den Konzern wirklich ist, lässt sich kaum
bestimmen. Voß sagt, beim letzten Streik hätten sich bis zu 30 Prozent der
Belegschaft beteiligt, diesmal rechne man mit einer noch höheren
Beteiligung. Vom Amazon-Standort Leipzig habe er erfahren, dass Amazon
mehreren Premiumkunden bereits mitgeteilt habe, dass bestellte Ware erst
nächste Woche ankäme.
Dem widerspricht der Online-Händler. „Der Streik hat keinen Einfluss auf
die Einhaltung unseres Kundenversprechens, denn die überwältigende Mehrheit
unserer Mitarbeiter arbeitet normal“, heißt es aus der Amazon-Pressestelle.
Verdi hofft dennoch, dass Amazon auf die Forderungen der Gewerkschaft
eingeht. Das hofft sie allerdings schon seit dem ersten Streik. Und der war
2013.
Handelsforscher Gerrit Heinemann ist der Überzeugung, dass Amazon nicht auf
die Verdi-Forderungen einschwenken werde. Stattdessen werde das Unternehmen
die Automatisierung vorantreiben. „Verdi wird damit eher Arbeit
verdrängen“, sagt Heinemann. Am niedersächsischen Standort Winsen setzt
Amazon schon jetzt auf Lagerroboter.
24 Nov 2017
## AUTOREN
Jörg Wimalasena
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Tarif
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