# taz.de -- Kolumne Ich meld mich: Reisen im Jahr 2043 | |
> Auch nach Ende des Flugverkehrs werden wir noch reisen. Aber wie? | |
> Vielleicht mit Wolfsjagdsafaris oder mit Thunfischangeln in der Grömitzer | |
> Bucht. | |
Bild: Auch das kalte Fußbad nach Kneipp wird wieder hoch aktuell | |
Es sieht ganz gut aus in Sachen Reisen im Jahr 2043. Es gab zuvor heftige | |
Turbulenzen, sicher: Das vorhersehbare Ende des Flugverkehrs hat die | |
Branche kräftig durchgewirbelt, der Zusammenbruch der | |
„Cyber-Travel-Center-Group“ für weitere Marktbereinigung gesorgt. Doch seit | |
das „forum anders reisen“ den Deutschen Reiseverband als | |
Interessenvertretung abgelöst hat, hat sich die Lage wieder konsolidiert. | |
Man reist noch, o ja. Man ist gern unterwegs – vorwiegend jetzt natürlich | |
in Deutschland. | |
Wer hätte es sich vor 30 Jahren träumen lassen: Die Bahn feiert mit | |
schönen, pünktlichen und hocheffizienten Zügen ein umjubeltes Comeback und | |
hat schon 20.000 km stillgelegter Strecke wieder in Betrieb genommen. Das | |
210. Oktoberfest erwartet 3,5 Millionen Besucher – und das trotz eines | |
Preises von 36 Euro für die Maß. Itzehoe ist, was das sächsische Annaberg | |
davor war: einfach Kult. Und selbst der greise Udo Lindenberg unterstützt | |
mit „Klein ist fein, nah geht klar – stay Germany, not travel far“ in nach | |
wie vor untadeligem Denglisch die aktuelle Jahreskampagne der Deutschen | |
Zentrale für Tourismus. | |
Es ist die Stunde der vernachlässigten Regionen. In den Blogs liest man | |
rauschhafte Berichte über Exkursionen in die Griese Gegend in Mecklenburg. | |
Der Vogelsberg gilt als hochtrendy, das Elstergebirge kann sich vor | |
Anfragen kaum retten. Jedes Bergtal, in dem kein Lift steht und kein | |
zertifizierter Wanderweg sich windet, wird als Geheimtipp teuer gehandelt. | |
Regionales gilt als hochschick. Dialektkurse, Jodelschulen und Seminare für | |
Boßeln, Geißelschnalzen und sorbisches Ostereiermalen sind für | |
Nachwuchs-Touristiker ein Muss. „Sei ganz der echte Sachse!“, heißen die | |
aktuellen Renner. „Werd Nordhesse von Schrot und Korn!“ Und: „Zum Eifler | |
Urgestein in nur fünf Tagen“. | |
Freilich sei, moniert der neue Dachverband, nicht alles, was heute machbar | |
sei, auch wünschenswert. Bereits an der Partymeile in den Baumwipfeln des | |
Hainich in Thüringen würden sich die Geister scheiden. Reiseangebote wie | |
Wolfsjagdsafaris ins Sauerland und Thunfischangeln in der Grömitzer Bucht | |
aber entsprächen ganz und gar nicht den Standards des bewussten Tourismus | |
im Jahre 2043. Wohingegen es keine Einwände gegen Orchideenexkursionen ins | |
Frankfurter Westend gebe. | |
Als absolutes Once-in-a-lifetime-Erlebnis des High-End-Tourismus aber | |
gelte, schreibt eine der zu neuer Blüte gelangten Tageszeitungen, an einem | |
Frühsommermorgen im Westallgäu barfuß durch taufrisches Gras zu laufen, in | |
einen echt am Baum gewachsenen Apfel zu beißen und später bei einem Glas | |
Weißbier eine ganze Stunde Aktivzeit zu verträumen. Aber das, schreibt das | |
Blatt, bleibe inzwischen „leider nur noch jenen exklusiven Zirkeln | |
vorbehalten, die ein lupenreines Aktien-Portfolio am Start“ hätten. | |
2 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Franz Lerchenmüller | |
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