# taz.de -- Kolumne Unter Leuten: Die Welt einfach nach Hause holen | |
> Nie wieder Airbnb hab ich mir geschworen. Doch auch hier kann nicht alles | |
> nur schwarz-weiß gesehen werden – wie das Beispiel aus Amman es zeigt. | |
Bild: Superausblick auf die Dächer von Amman | |
Ich habe mich vor ein paar Wochen von Airbnb abgemeldet. Das war aber ein | |
richtig gutes Gefühl. In einer wütenden E-Mail warf ich den Betreibern vor, | |
dass wegen ihrer Wohnungs-Sharing-Plattform meine Heimatstadt Berlin | |
langsam vor die Hunde geht. Das war vielleicht etwas übertrieben. Aber ich | |
hatte mich richtig in Rage geschrieben. | |
Eigentlich war ich mal ein Fan von Airbnb. In einem WG-Zimmer absteigen | |
statt in einem unpersönlichen Hotel. Mit den Mitbewohnern abends noch ein | |
Bier trinken gehen. Und zwar dort, wo die Menschen wirklich leben. Das fand | |
ich super. Doch auf dem Weg, den das Unternehmen eingeschlagen hat, ist der | |
Gedanke des Teilens verloren gegangen. | |
Bei Airbnb geht es fast nur noch ums Geld. Geräumige Wohnungen in bester | |
Innenstadtlage werden tageweise verhökert, damit deren Eigentümer den hohen | |
Kaufpreis so schnell wie möglich wieder reinspielen. Und das, obwohl | |
Mietwohnungen fehlen. Dabei könnte Sharing das Reisen so viel besser | |
machen. Das habe ich zuletzt in Amman, der Hauptstadt Jordaniens, erlebt. | |
Es war Abend. Der Bus vom Flughafen zog endlose Schleifen durch | |
Vorortsiedlungen. Irgendwann erreichte ich völlig übermüdet die Innenstadt. | |
Das Smartphone lotste mich durch die Straßen. Und plötzlich war ich da – | |
bei Fadi, meinem Gastgeber. | |
Seine Wohnung lag in einem Mietshaus. Sie war geräumig, aber schlicht. Bis | |
auf ein Bett und einen Teppich war das Gästezimmer weitgehend kahl. Fadi | |
und ich aber verstanden uns sofort. Seine Familie waren palästinensische | |
Flüchtlinge. Er arbeitete als Programmierer, und obwohl er das Wüstenland | |
Jordanien nie verlassen hatte, wirkte er recht weltgewandt. | |
## Eine Flasche Arak | |
„Noch einen Drink?“, fragte er. „Klar“, sagte ich. Wir gingen in sein | |
Zimmer. Es lag im obersten Stock unter dem Dach. Von dort aus konnte man | |
über die halbe Stadt blicken. Fadi kramte eine Flasche Arak aus einer | |
Truhe, arabischen Anisschnaps. Wir stießen an, tranken, quatschten. | |
Fadi erzählte bis in den Morgen. Wie er den Glauben an den Islam verlor. | |
Was ihn an westlicher Philosophie interessierte. Warum er ausschließlich | |
mit dem Fahrrad fährt, was in Amman lebensgefährlich ist. Und warum er | |
eines seiner Zimmer auf Airbnb vermietet. | |
„Es gibt zwei Gründe“, sagte Fadi. „Ich bin noch nie aus Jordanien | |
rausgekommen, deshalb hole ich die Welt einfach zu mir nach Hause.“ Und der | |
zweite Grund? „Ich spare auf eine Weltreise, mit dem Fahrrad.“ Ich hielt | |
das damals für eine Schnapsidee, die dem Arak geschuldet war. Doch kürzlich | |
sah ich dann ein Foto von Fadi und seinem Fahrrad auf Facebook. In | |
Kalifornien. Von dort aus tourt er durch die USA. Sein nächstes Ziel, | |
schrieb er, sei Europa. | |
Zumindest in diesem Fall hat Airbnb wohl etwas Gutes gebracht – und die | |
Welt ein Stück enger zusammenrücken lassen. | |
20 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Philipp Eins | |
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