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# taz.de -- Kolumne Ich meld mich: An den Seiten lappt er schlapp herab
> Der 5. Mai ist der Tag des Fischbrötchens. Unser Autor weiß: Auf die
> Zutaten kommt es an, gut gegart, roh und entgrätet, in einem
> Essig-Salz-Bad.
Bild: Fischbrötchen mit Bismarckhering.
Nicht den Grünkohl und nicht den Dorsch betrachten die Touristiker an der
Ostsee als kulinarisches Glanzlicht der Region: Nein, sie haben den
heutigen 5. Mai zum „Tag des Fischbrötchens“ erklärt. Eine Ehrenrettung,
die längst überfällig war. Ebenso wie dieses Geständnis, die Erklärung
einer tiefen, langjährigen Zuneigung.
Erwacht war sie vor langer Zeit zwischen Autoscooter, Spiegelkabinett und
Schießbude, und entsprechend wird sie für immer verbunden sein mit der
Erinnerung an den Duft gebratener Mandeln und dem Anblick von Losnieten,
die sich in einer Pfütze auflösen. Der Rummel ist die eigentliche Heimat
des Fischbrötchens.
Sinnvoll durchdacht und streng festgelegt sind Aufbau und Zusammensetzung
eines klassischen Fischbrötchens: Brötchen, Zwiebeln, Bismarckhering. Das
Brötchen, schräg von oben eingeschnitten, bildet eine Tasche, in die der
Hering nebst ein paar Zwiebelringen zu liegen kommt. Und an den Seiten
lappt er schlapp herab. Nichts sonst. Butter darf nicht, keine Gurke, nix
Paprika. Zwiebel, Brot, Fisch – Nahrung in biblischen Dimensionen.
Natürlich kommt es – Siebeck soll nicht umsonst gelebt haben – ganz und gar
auf die Qualität der einzelnen Zutaten an. Das Brötchen, nicht ganz kross,
aber auch nicht vom Vortag, soll schon leicht vom Saft des Herings
durchtränkt sein, die Zwiebel frisch, nicht zu dick geschnitten, eher von
der milden denn der scharfen Sorte. Und dann der Hering.
Mit dem Hering steht und fällt das Ganze. Der Bismarckhering, der mit Herrn
von Bismarck nun aber auch nicht das Geringste zu tun hat, obwohl diesem
damit namentlich im Volksgedächtnis ein Denkmal gesetzt wurde, ganz zu
Unrecht übrigens, zog der feine Herr Sozialistenfresser dem edlen Fisch
doch allemal die protzige Auster vor, 175 Stück davon einmal
hintereinander – der Bismarckhering also: Sechs Tage lang hatte er gegart,
roh und entgrätet, in einem pikanten Essig-Salz-Bad. Danach war er in einer
mit Zucker und Gewürzen angereicherten Feinmarinade versunken. Und nun
liegt er da: reif, hell, weißgrau im Fleisch, saftig-zart. Und von jenem
feinen Geschmack gesäuerten Fisches, dem der Kenner noch nach Stunden an
seinen Fingern nachzuriechen liebt.
Letzterer ist im übrigen Traditionalist, möchte nicht belästigt werden mit
modischen „Variationen“. Weiß er doch: jeden Fisch zu seiner Zeit. Der
Rollmops samt glitschiger Gurke beschließe den Alkoholexzess. Auf Silber
serviert und mit Andacht gespeist werde der Matjes, kostbare „Delicatesse
der Armen“! In Brötchen gehören beide nicht – ganz zu schweigen von Lachs,
Krabben und Schillerlocken, Neureichenschnickschnack, der lediglich von
der kulinarischen Inkompetenz der Esser zeugt.
5 May 2018
## AUTOREN
Franz Lerchenmüller
## TAGS
Fische
Brot
Norddeutschland
Ostsee
Jordanien
Schleswig-Holstein
Überfischung
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