# taz.de -- Zynische Feier an Holsteins Küsten: Fischbrötchen auf Kosten ande… | |
> Schleswig-Holstein feiert am Samstag den Weltfischbrötchentag. | |
> Rechnerisch gibt es jedoch seit einer Woche keinen deutschen Fisch mehr | |
Bild: Sind nicht immer nachhaltig, aber im Norden Grundnahrungsmittel: Fischbr�… | |
Es gehört zum Norden wie das „Moin“ zur Begrüßung: das Fischbrötchen �… | |
Bismarckhering, Matjes oder Lachs. Am Samstag wird an der Küste | |
Schleswig-Holsteins zum fünften Mal der Weltfischbrötchentag gefeiert. Doch | |
nicht jedes Fischbrötchen kann man essen, ohne ein schlechtes Gewissen | |
haben zu müssen. | |
Klar, Fisch ist gesund, aber wir essen in Deutschland mehr davon, als Nord- | |
und Ostsee hergeben. Vergangenen Samstag haben | |
Nichtregierungsorganisationen wie die Umweltstiftung WWF und die Initiative | |
Fair Oceans aus Bremen auf den diesjährigen Fish Dependence Day | |
hingewiesen. An diesem Tag ist in Deutschland rechnerisch der Fisch aus | |
eigener Fischerei aufgebraucht und muss importiert werden. | |
Der WWF formuliert das andersherum: „Wir exportieren Überfischung und | |
beeinflussen damit auch das Leben von Menschen, die stärker von Fisch | |
abhängig sind als wir.“ Einer Prognose des Umweltverbandes zufolge werden | |
sich Millionen Menschen ihr Grundnahrungsmittel Fisch im Jahr 2050 nicht | |
mehr leisten können und ihn exportieren statt zu essen. | |
Das gelte für den Senegal und weitere westafrikanische Länder, sagt Kai | |
Kaschinski von Fair Oceans. Denn dort werden 30 bis 50 Prozent der | |
tierischen Proteine durch den Konsum von Fisch gedeckt – anders als in | |
Deutschland, wo Fleisch der Hauptlieferant von Protein ist. | |
Kaschinski unterstützt regionalen Fischfang, etwa die Fischer die morgens | |
auf die Ostsee hinausfahren und den Fisch direkt vom Kutter verkaufen. | |
Lachs gehöre auf keinen Fall aufs Fischbrötchen. Der werde häufig gezüchtet | |
und mit Fischmehl gefüttert. „Aus vier Kilo Wildfisch wird dabei ein Kilo | |
Fischmehl gemacht“, sagt er. „Dabei geht eine Menge verloren.“ | |
Auch Stella Nemecky, Fischereiexpertin des WWF, rät zurzeit eher zum | |
Verzehr von Hering und Makrele. Sie würden mit Methoden gefangen, bei denen | |
es wenig Beifang gebe und mit denen der Meeresboden geschont werde. Die | |
Empfehlungen des WWF, welchen Fisch Fischesser guten Gewissens konsumieren | |
können, variieren jedoch von Jahr zu Jahr. | |
Claus Ubl, Sprecher des Deutschen Fischereiverbands in Hamburg, hält den | |
berechneten Stichtag für einen „PR-Gag“ von Umweltorganisationen. Dass 87 | |
Prozent des bundesweit verzehrten Fisches importiert werden, erklärt er mit | |
dem Verhältnis einer großen Bevölkerung zu kleinen Meeresgebieten. | |
Fisch sei nun mal ein gesundes Lebensmittel. „Wir leben in einer globalen | |
Welt mit globalen Strukturen“, sagt Ubl. Da sei es ganz normal zu | |
importieren und vermutlich falle der Tag in Ländern ohne Küste auf ein noch | |
früheres Datum. Das stimmt: In dem Binnenland Österreich war der Fish | |
Dependence Day im vergangenen Jahr bereits am 19. Januar. | |
Doch Nemecky ist trotzdem besorgt. „Wir können nicht täglich Fisch essen, | |
dafür gibt es einfach nicht genug“, sagt sie. Es sei daher wichtig, Fisch | |
als Delikatesse zu betrachten. Und auch die Politik sei gefragt, betont | |
sie. Die Bundesregierung müsse sich nachdrücklich für die Einhaltung der | |
Fangquoten einsetzen. Beim Dorsch in der westlichen Ostsee etwa sei das | |
besonders wichtig. | |
5 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Milena Pieper | |
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