# taz.de -- Heringsfischerei in der Ostsee: Wir haben kein Öko-Etikett für di… | |
> Heringsfischer in der westlichen Ostsee verlieren das Siegel für | |
> nachhaltigen Fang. Wegen des Klimawandels fehlt der Nachwuchs der Tiere. | |
Bild: So viel Hering zu fangen, wird immer schwieriger (Symbolbild) | |
„Brotfisch“ nennen sie den Hering an der deutschen Ostseeküste, weil er f�… | |
die Fischer dort so wichtig ist. Der silbern glänzende Fisch macht den | |
Großteil ihres Fanges aus. Bislang. Doch Clupea harengus geht es schlecht, | |
der Nachwuchs bleibt aus. Nun verlieren die Heringsfischer der Ostsee das | |
MSC-Siegel, das nachhaltigen Fischfang bescheinigt. Das hatten viele von | |
ihnen, vor allem jene, die große Mengen aus dem Wasser holen. Sie fürchten | |
um ihr Einkommen. | |
Kai-Arne Schmidt ist Geschäftsführer der Kutterfisch-Zentrale mit | |
Standorten in Cuxhaven und Sassnitz. Das ist der größte Verarbeiter von | |
Frischfisch in Deutschland. Schmidt erklärt, deutsche Handelsketten wie | |
Edeka nähmen heute kaum noch Fischdosen und andere Fischereiprodukte ohne | |
Ökosiegel. So müsse der Fisch künftig zu niedrigeren Preisen nach Dänemark | |
oder Polen verkauft werden. | |
Das Problem dahinter: „Die Temperatur in der Ostsee hat sich in für den | |
Hering wichtigen Regionen und zu bestimmten Zeiten in den vergangenen 30 | |
Jahren um bis 2,5 Grad erhöht“, erklärt der Chef des Thünen-Instituts für | |
Ostseefischerei, Christopher Zimmermann. In der Folge habe sich „der | |
fischbare Heringsbestand von etwa 200.000 Tonnen auf 110.000 Tonnen | |
halbiert“. Der Zusammenhang: Die Heringe machen sich immer früher auf zu | |
ihren Laichgebieten, geben ihre Eier ab, daraus schlüpfen die Larven. | |
Diese brauchen, wenn nach etwa einer Woche der Dottersack aufgezehrt ist, | |
was zu fressen: noch nicht ausgewachsene Kleinkrebse. Doch die fehlen so | |
früh im Jahr noch, weil sie sich wiederum von Algen ernähren. Und die | |
brauchen Licht, das zu der Zeit noch nicht da ist. | |
Zu wenige junge Heringe überleben. Wissenschaftler wie Zimmermann sorgt das | |
schon länger. Sie plädieren dafür, den Fang drastisch zu mindern. Der | |
Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) hat Ende Mai sogar empfohlen, | |
den Heringsfang für 2019 in der westlichen Ostsee ganz einzustellen. Die | |
Fangquoten werden aber erst im Oktober vom EU-Ministerrat festgelegt. | |
Nach den MSC-Standards ist die „Befischung von Beständen, die keine | |
nachhaltige Größe haben und in ihrer natürlichen Regeneration | |
beeinträchtigt“ sind, ausgeschlossen. Der MSC, der Marine Stewardship | |
Council, ist eine nichtstaatliche Organisation mit Sitz in London, die | |
einst vom Lebensmittelkonzern Unilever und der Umweltstiftung WWF ins Leben | |
gerufen wurde, heute aber unabhängig ist. | |
Zwar steht der MSC immer wieder in der Kritik, der WWF empfiehlt ihn aber | |
nach wie vor als Einkaufshilfe. | |
Für die Fischer sei die Lage „katastrophal“, sagt Greenpeace-Meeresexperte | |
Thilo Maack – auch wenn die deutsche Fischerei übersichtlich ist: knapp | |
1.400 Schiffe, darunter gerade mal ein halbes Dutzend weltweit fahrende | |
Hochseetrawler, welche mehr als die Hälfte der deutschen Fänge ausmachen. | |
Der große Rest sind kleine Kutter. Den Ostseefischern fehle „einfach die | |
Alternative“, meint Maack. Die Nordsee, wo es dem Hering noch gut gehe, sei | |
zu weit weg. Und der Dorsch, ihr zweiter Brotfisch, ist mittlerweile | |
ebenfalls rar. | |
Maack meint, in den 60er Jahren seien weltweit 6 Kilo Fisch pro Kopf und | |
Jahr verspeist worden, heute seien es 20 Kilo. Damit sich Fischbestände | |
erholten, die Fischer langfristig ihr Einkommen verdienten, müssten sich | |
alle damit abfinden, was Fisch sei: „Eine Delikatesse, die man nicht jeden | |
Tag isst.“ | |
23 Aug 2018 | |
## AUTOREN | |
Hanna Gersmann | |
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