| # taz.de -- Kolumne Ich meld mich: Stimmt so, der Rest ist für Sie | |
| > Trinkgelder sind keine Almosen. Aber sie müssen auch verdient sein. | |
| > Großkotz und Arroganz sind jedenfalls nicht angebracht. | |
| Bild: Manche Kellner sind auf Trinkgeld angewiesen | |
| So wie es einst in England war, hätte mancher Kellner es sicher gerne auch | |
| heute. Da stand am Eingang der Gasthäuser ein Korb mit der Aufschrift | |
| t.i.p. „To insure promptitude“ verhieß das: schnelle Abwicklung garantiert. | |
| Die Schankknechte sahen genau hin: Zeigte sich jemand arg knickrig, wartete | |
| er schon mal eine halbe Ewigkeit, bis ihm sein Roastbeef hingepfeffert | |
| wurde. | |
| Das ist vorbei. Längst geben wir Trinkgeld hinterher – oder auch nicht. | |
| Wir, die Gäste, haben unser Geld hart erarbeitet. Wir trennen uns ungern | |
| davon. Wir tun es trotzdem, wenn wir uns in der Obhut unseres Gegenübers | |
| wohlgefühlt haben. Wir tun es auch in Lokalen, in die wir nicht | |
| wiederkommen. Nicht aus Berechnung, sondern aus Dankbarkeit – und ein wenig | |
| aus dem Gefühl, dass Haare aus dem Abfluss zu fischen und Maßkrüge zu | |
| stemmen nicht das ist, womit wir auf Dauer unser Geld verdienen möchten. | |
| In Deutschland ist die Sache recht einfach. 10 bis 15 Prozent sind in | |
| Ordnung, wenn der andere seine Aufgabe einwandfrei erledigt hat. Mehr darf | |
| es sein, wenn der Kellner Wasser für den Hund besorgt, die Extraportion | |
| Gorgonzola organisiert und zudem noch auf Angenehmste über das schöne Leben | |
| des Salzwiesenlamms philosophiert hat, das jetzt auf dem Teller vor uns | |
| liegt. | |
| Mussten wir jedoch herumfuchteln wie Karajan, um endlich einer Speisekarte | |
| teilhaftig zu werden, gibt’s nichts. Nada. So simpel ist das. | |
| Dienstleister lieben große Trinkgelder, keine Frage. Trotzdem entscheidet | |
| auch das „Wie“, welchen Eindruck wir hinterlassen. Wer seinen Schein | |
| hinschmeißt wie einen Hundekuchen für Hasso oder seine 3 Euro präsentiert, | |
| als sichere er das Überleben einer Großfamilie für das nächste halbe Jahr, | |
| bleibt in den Augen der Empfänger Graf Rotz. | |
| Trinkgelder sind keine Almosen. Herablassung ist unverschämt, Herzlichkeit | |
| kein Vorrecht dessen, der bedient. Manche Gäste blamieren die Gattung | |
| zutiefst und bringen einen auf ganz neue Ideen. Eigentlich müsste eine Art | |
| Gäste-TÜV geschaffen werden: Bedienen lassen darf sich nur, wer selbst | |
| einmal in der Gastronomie gearbeitet hat. | |
| Trinkgeld ist eine freiwillige Leistung. Umso dreister ist es, wenn ganze | |
| Wirtschaftszweige den Gästen einen Teil des Lohns ihrer Angestellten | |
| aufbürden. „Hi, I’m Mike …“ – und Mike wird heute Abend der Kellner … | |
| Tisch in diesem New Yorker Szenerestaurant sein, oder auch der Steward auf | |
| der Kreuzfahrt durch die Ostsee. Und egal wie elegant oder wie schusselig | |
| Mike sich anstellen wird, er rechnet fest mit 15 bis 20 Prozent Trinkgeld. | |
| Er muss damit rechnen, weil er und seine Kolleginnen und Kollegen anders | |
| nicht auf ein Gehalt kommen, das diesen Namen verdient. Verweigert man sich | |
| der institutionalisierten Erpressung, trifft man nicht den Gastronomen. | |
| Sondern Mike. Und das ist einfach frech. | |
| 15 Apr 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Franz Lerchenmüller | |
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