# taz.de -- Kolumne Ich meld mich: Behütet in Napoleons Schlafstube | |
> Angenehme Atmosphäre, freundlicher Empfang, ein vorausdenkender Service, | |
> … – wenigstens träumen darf man doch von einem idealen Hotel. | |
Bild: Palmen, Strand und die Sonne am Abendhimmel: Träumen ist erlaubt | |
In meinem idealen Hotel hat schon Napoleon übernachtet, aber die Matratze | |
von heute ist Zweilagen-Kaltschaum vom Feinsten. Der Rezeptionist entreißt | |
mir nicht als Erstes die Kreditkarte, sondern bietet mir von sich aus einen | |
Stadtplan an und empfiehlt auf meine Frage hin drei Lokale mit | |
unterschiedlichem Preisniveau, in denen er selbst gelegentlich isst. Er | |
oder sie ist jung oder alt, hübsch oder auch nicht, aber immer kundig, | |
souverän und klug. Er zaubert bei Wolkenbruch wie aus dem Nichts einen | |
Regenschirm in meine Hand, sie schafft es, nachts um zwei die feiernden | |
Australier nebenan auf Zimmerlautstärke zu dimmen. | |
Keiner reißt mir schon im Eingang den Koffer aus der Hand und lässt mich | |
dann eine halbe Stunde darauf warten. Auf meinem Zimmer steht zur Begrüßung | |
eine Flasche Mineralwasser – die ich nicht später mit 7 Euro 50 auf der | |
Rechnung wiederfinde. Ein Kopfkissenmenü dagegen – „arktische Gänsedaune, | |
sibirischer Regenpfeiferflaum, angewärmter Kirschkern“ – brauche ich nicht. | |
Versteht sich von selbst: keine Wollmäuse unterm Bett. Kein Duft nach | |
Aprikose-Frischluftspray. Picobello sauberes Klo. | |
Beim Duschen verbrühe ich mich nicht, weil die Armaturenbatterie auch ohne | |
sorgfältiges Studium eines Handbuchs zu bedienen ist. Und alle Lampen | |
lassen sich vom Bett aus auch ohne zweistündiges Spiel auf der Klaviatur | |
der Schalter löschen. | |
Zum Frühstück zeigen die Menschen in meinem Hotel erst recht, was sie | |
draufhaben: Ahle Wurst in Kassel, Krabben in Neustadt, Weißlacker in | |
Oberstorf. Und wenn ich am dritten Morgen schon wieder Spiegeleier | |
bestelle, lächelt die Köchin und sagt: „Wollen Sie vielleicht mal Rührei | |
mit Räucherfisch probieren? Ich hätte Zeit und könnte das machen.“ | |
## Ein Monteur aus Braunschweig | |
Versteht sich, dass die Gäste zu meinem idealen Hotel passen. Immer sind | |
ein paar dabei, die mir zu denken geben: das silberhaarige Paar, das per | |
Motorrad mit Seitenwagen durch Europa reist. Und wenn mir der Monteur aus | |
Braunschweig an der Bar seine Lebensgeschichte erzählt, ist die so | |
spannend, dass ich bis nachts um eins sitzenbleibe, um nichts zu verpassen. | |
Aber niemand quasselt mich ungefragt voll. | |
Mit einem Wort: In meinem idealen Hotel stellt sich nie das Gefühl ein, in | |
der Zelle einer Abzockmaschine zu sitzen. Die Angestellten sind | |
unaufdringlich, abgeklärt, humorvoll – auch weil der Chef sie ordentlich | |
bezahlt. Ins Internet komme ich problemlos. Denn mein ideales Hotel hat | |
keine technischen Geheimnisse. Andere aber sehr wohl. | |
Es atmet. Es lebt. Es strahlt Freundlichkeit aus. Und mit etwas Glück ist | |
nachts eine weiße Frau aus Napoleons Zeiten unterwegs und sieht liebevoll | |
nach dem Rechten. | |
Ist das so schwer hinzukriegen? | |
18 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Franz Lerchenmüller | |
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