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# taz.de -- Kolumne Ich meld mich: Who is who?
> Eine Gruppenreise zeigt immer wieder neue Facetten der Mitreisenden. Und
> Neues aus Winkeln der Gesellschaft, die weitab liegen von einem selbst.
Bild: So lustig kann es auf einer Gruppenreise sein
Der interessanteste Abend ist immer der erste. Wenn die Reisegruppe bei
einem Begrüßungssekt zusammensitzt und die Teilnehmer sich vorstellen: Aus
welcher Ecke, geografisch gesehen, kommt ihr? Mit welcher Motivation bist
du nach Trondheim angereist? Und in welchem Beruf, bitte schön, verdient
die Dame im indischen Wickelrock ihre Brötchen? Der Sonnenbankverwöhnte mit
den grauen Löckchen arbeitet also in der Logistik.
Das Ehepaar aus Mainz legt einen publikumswirksamen
Ein-Herz-und-eine-Seele-Auftritt hin. Die leicht geschminkte Rotgelockte
zischt ordentlich was weg und lächelt aufregend undurchsichtig. Und die
Steuerberaterin aus Offenbach in den nagelneuen Outdoorklamotten scheint
wahrhaftig eine mürrische Fachidiotin … Das also sind sie: die Frauen und
Männer, mit denen man die nächsten zwei Wochen seines Lebens genießen darf
oder aushalten muss.
Gruppenreisen bietet die Chance, Menschen zu sammeln: Werkzeugmacher,
Staatsanwältinnen, Angler, Hebammen, Wertpapieranleger, Filmfreaks. Und
Neues zu erfahren aus Winkeln der Gesellschaft, die weitab liegen von den
eigenen: Was gehört eigentlich in eine gute Zungenwurst? Warum schickt man
kriminelle Jugendliche ausgerechnet nach Peru? Und wie lebt es sich denn so
in Herzogenaurach?
Dazu dann das Private. Und manchmal auch das Politische. Wo erst nur ein
Umriss war, eine konturlose Oberfläche, entblättert sich im Lauf der Tage
Schicht um Schicht. Die Steuerberaterin liebt Beethoven und
lateinamerikanische Literatur über alles. Der Goldbekettete ist Briefträger
im Hunsrück und pflückt überall Ableger für seinen Steingarten. Das Ehepaar
Schneider hat seine Konditorei der Tochter übergeben und gönnt sich jetzt
zweite Flitterwochen. Hat diesmal FDP gewählt und ärgert sich maßlos
darüber. Die rothaarige Hamburgerin Hanna vergöttert ihren iPod und
interessiert sich weder für T. C. Boyle, die Winkelzüge deutscher Banker
noch für die Fischerei in Norwegen; noch erkennbar für sonst irgendetwas
oder -wen.
Bittersüße, undurchsichtige, aufregende und überflüssige Geschichten lernt
man kennen im Verlauf der Reise. Wüste Scheidungen, die zu beklagen,
Fahrradklingelsammlungen, die zu würdigen, Kinderkarrieren, die zu
bewundern sind.
Am Ende bleiben kaum Fragen offen. Der Briefträger aus dem Hunsrück bastelt
gern an seiner Isetta. Und war damals in Gorleben in erster Reihe mit
dabei. Die Schneiders sind immer noch vernarrt ineinander wie am ersten Tag
und machen sich große Sorgen um den Schwiegersohn, der säuft wie ein Loch.
Die Steuerberaterin kennt sieben Arten, Kutteln zu kochen und lässt ihren
behinderten Bruder, um den sie sich kümmert, nur diese zwei Wochen im Jahr
allein. Und die schöne Hanna darf weiterhin rätselhaft vor sich hinlächeln.
13 Jan 2018
## AUTOREN
Franz Lerchenmüller
## TAGS
Reisen
Vielfalt
Hotel
Schleswig-Holstein
Fliegen
Reisen
ITB
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