# taz.de -- Reisemesse ITB: Fast alles außer Balkonien | |
> Auf der Internationalen Tourismusbörse diskutiert die Branche über | |
> Sicherheit und Terror. Die betroffenen Länder leiden, die Reiseindustrie | |
> boomt. | |
Bild: Gepflegte Klischee-Exotik mit Trachten und Traditionen auf der ITB. | |
Berlin taz | Gerhard Link verkörpert ein neues Berufsbild auf der | |
Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin: er ist ganzheitlicher | |
Sicherheitsexperte. Im Auftrag der Deutschen Industrie- und Handelskammer | |
Tunesien und in Zusammenarbeit mit dem tunesischen Tourismusministerium | |
erstellt er einen Leitfaden für die Tourismusinfrastrukturen Tunesiens. Ein | |
Basiswissen für das Sicherheits- und Krisenmanagement für | |
Tourismusbeschäftigte. „Wir nehmen die Ängste der Urlauber sehr ernst“, | |
sagt Zink. | |
Auch die Buchungen für die Türkei liegen aufgrund der letzten Anschläge | |
unter Vorjahresniveau, Ägypten verlor seit dem mutmaßlichen Abschuss eines | |
russischen Passagierflugzeugs durch IS-Terroristen über dem Sinai auch noch | |
den russischen Markt. Und Tunesien fällt nach dem Terrorschock von 2015 für | |
viele als Urlaubsland aus. | |
„Das sind die drei Länder, die auch weiterhin Einbrüche erleiden werden“, | |
sagt Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV). Aber | |
keine andere Branche habe so ein professionelles Krisenmanagement wie die | |
deutsche Reisebranche. Zum Beispiel durch das DRV-Krisenvorsorge-Tool. „Wir | |
haben die Welt im Blick rund um die Uhr“, behauptet Melanie Gerhard, die | |
Vorsitzende des DRV-Krisenausschusses. Zum Beweis wirft sie eine in Gelb, | |
Orange und Rot blinkende Weltkarte an die Leinwand im Kongressraum. „Die | |
Karte zeigt die aktuellen Krisenherde dieser Welt und wird permanent | |
aktualisiert.“ Tunesiens Süden blinkt dunkelrot. | |
Gefahren werden per SMS und online direkt an die DRV-Kunden kommuniziert. | |
Ein Help-Team steht im Krisenfall zur Verfügung, beispielsweise zur | |
Versorgung von Gästen , die wie vor kurzem nach den Anschlägen in Istanbul | |
Betreuung brauchen. Mit einem Krisenleitfaden, Krisenschulungen und | |
Trainingskonzepten bietet der DRV für Mitglieder und Nichtmitglieder | |
Schulungsprogramme. | |
## „Alles andere knallt“ | |
Die viel zitierte Verunsicherung der Reisenden bekommen Länder wie | |
Tunesien, die Türkei und Ägypten zu spüren, aber „alles andere knallt“, | |
sagt DRV-Präsident Fiebig. Ganz vorn liegt Spanien, das von der Krise der | |
arabischen Mittelmeer-Länder am meisten profitiert. Aber auch der Iran, als | |
sicher Ort islamischer Exotik, ist Nutznießer. Iran-Reisen boomen wie nie, | |
die Präsenz des Landes in den Messehallen wird von Jahr zu Jahr größer. | |
Aufwärts geht es auch auf den griechischen Inseln und Deutschland ist und | |
bleibt das beliebteste Reiseziel der Deutschen. | |
Dabei hat sich das Ranking der Verkehrsmittel seit den 90er Jahren nicht | |
verändert: Das Auto liegt mit 45 Prozent immer noch vorn, Flugreisen | |
gewinnen Jahr für Jahr Marktanteile (40 Prozent) , die Nutzung von | |
umweltfreundlicherem Bus und Bahn ist gering. | |
Die Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) lässt | |
keinen Zweifel: Die Deutschen sind in Urlaubsstimmung. Für die Realisierung | |
persönlicher Reisepläne sei vor allem die eigene wirtschaftliche Situation | |
von Bedeutung, sagt Martin Lohmann von der FUR. Und die wirtschaftliche | |
Situation sehen die Deutschen weiterhin sonnig. 71 Prozent der Bevölkerung | |
erwarten keine Veränderung, 15 Prozent glauben sogar an eine Verbesserung. | |
2016 reisten immerhin 77 Prozent der Deutschen, das sind 69,2 Millionen. | |
Sie gaben 87 Milliarden Euro für Reisen aus. Pauschalreisen machen dabei | |
einen Anteil von 42 Prozent aus. | |
Aber nicht nur die Deutschen reisen immer mehr. Weltweit wuchs der | |
Tourismus 2015 nach Angaben der Welttourismusorganisation um 4, 5 Prozent. | |
Gesteigerte Nachfrage im weltweiten Tourismusroulette verzeichnen | |
Mittelamerika und die Karibik. Vor allem Kuba boomt, vermutlich, weil vor | |
allem die Deutschen noch einmal den Charme des Sozialismus sehen wollen. | |
Auch Länder in Afrika feiern ein Comeback: darunter Zimbabwe, Kamerun, | |
Burundi und Sierra Leone. Mit dem Auftritt auf der weltgrößten Reisemesse | |
meldet sich das von der Ebola-Epidemie geschüttelte Land wieder zurück auf | |
der touristischen Landkarte. „Die Fernreise hat schon vergangenes Jahr | |
gepunktet, 2016 deutet sich weiteres Wachstum an“, prognostiziert | |
DRV-Präsident Fiebig. | |
## Marktanteil der Privatunterkünfte gestiegen | |
Und die Trends? Die Digitalisierung nimmt weiter zu. Technologien verändern | |
die Branche und jeder will mithalten. „Schon vor 2020 wird die Mehrheit der | |
Urlaubsbuchungen online generiert“, prognostiziert die FUR. Neue Apps für | |
Flugportale, Hotelwebseiten, Privatvermieter erobern den Markt. | |
„Privatunterkünfte sind die Gewinner der Reisesaison 2014“, sagt | |
ITB-Direktor Martin Buck. Er spricht dabei von der „Parahotellerie“. Deren | |
Marktanteil sei in den vergangenen fünf Jahren um 35 Prozent gestiegen. Die | |
wachsenden Internetfirmen sind auf der ITB vertreten: etwa der | |
Wohnungsvermittler Airbnb oder das Reiseportal Booking. | |
Bleibender Trend: Kreuzfahrtschiffe. Im Kokon eines Riesendampfers die Welt | |
zu erkunden suggeriert auch Sicherheit in Zeiten der Verunsicherung. Und | |
wenn dann auch noch der Vatikanstaat zum ersten Mal mit seiner | |
Kunstsammlung auf der ITB vertreten ist, dann macht sich satte Zuversicht | |
auf der weltgrößten Reisemesse breit. | |
10 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Edith Kresta | |
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