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# taz.de -- Regionalverkehr in Brandenburg: Planwirtschaft auf Schienen
> Die Gemeinde Wustermark fühlt sich abgehängt: Künftig sollen Züge nur
> noch im Stundentakt nach Berlin fahren. Eine Bürgerinitiative wehrt sich.
Bild: Der Regionalexpress 1 unterwegs in Brandenburg
Der Bahnhof von Wustermark mutet nicht gerade wie eine Drehscheibe
regionaler Mobilität an: zwei Gleise, der Bahnsteig dazwischen hat auch
schon bessere Zeiten gesehen, ein paar zugige Wartehäuschen. Rechts und
links verschwinden Äcker im havelländischen Nieselregen. Und doch erfreut
sich der Haltepunkt für Regionalzüge in der Gemeinde westlich von Spandau
offenbar eines gewissen Zuspruchs. Das sieht man an den vielen Autos, die
nebenan auf dem P+R-Platz abgestellt sind.
Doch auch für die Wustermarker selbst ist der Bahnhof wichtig. Im
Halbstundentakt fahren Regionalzüge nach Berlin. Der RE4 kommt aus Rathenow
und wechselt sich mit der RB13 ab, die von hier aus nach
Berlin-Jungfernheide fährt. Zum Berliner Hauptbahnhof dauert es 33 Minuten.
Die Regionalzugverbindung ist wichtig für die fast 8.000 Einwohner. Sie
hält sie nah an Berlin. Im Alltag nutzen sie Pendler, Urlaubsreisen
beginnen mit der Regionalbahn. Außerdem fährt einmal in der Stunde ein Zug
des RB21 in die Landeshauptstadt Potsdam.
Doch die gute Verkehrsanbindung steht nun auf der Kippe. In Zukunft soll
nur noch ein Zug in der Stunde an dem kleinen Bahnhof halten. Für die
Wustermarker wäre das ein herber Schlag, meint Christian Mahr von der
Bürgerinitiative „Nicht ohne Wustermark“. „Der Unmut ist groß“ sagt e…
Für Senioren und Einwohner, die kein Auto haben, würde das extreme
Einschränkungen bei Arztbesuchen, kulturellen Veranstaltungen oder beim
Einkaufen bedeuten. Außerdem würden wohl mehr Autos auf den Straßen nach
Berlin und Potsdam unterwegs sein. Mehr als 2.000 Unterschriften hat die
Bürgerinitiative gesammelt und an das zuständige Brandenburger
Infrastrukturministerium übergeben.
Anlass der Proteste ist der Landesnahverkehrsplan des Landes Brandenburg.
Dabei sollte der Plan, der die Regionalverbindungen ab dem Jahr 2022
regelt, eigentlich alles besser machen. Nirgendwo im Land sollen Strecken
dichtgemacht werden, so das Versprechen. „Wir werden das Angebot an vielen
Stellen im Netz ausweiten“, sagte Ministerin Kathrin Schneider (SPD) im
Herbst bei der ersten Vorstellung des Konzepts. Statt derzeit 31,5
Millionen Zugkilometern pro Jahr im Regionalverkehr sollen es 2022 rund 34
Millionen sein – ein Zuwachs um 8 Prozent.
## Die Fahrgastzahlen steigen
In Wustermark kommt das nicht so gut an. „Überall soll ausgebaut werden.
Nur bei uns wird es schlechter“, sagt Mahr. Dabei hat die Zahl der
Fahrgäste laut Zählung der Bürgerinitiative seit 2013 kräftig zugelegt, was
angesichts vieler Zuzüge in die Gemeinde auch nicht überraschend ist.
Im Detail sieht der Plan nämlich vor, dass der aus Potsdam kommende RB21
vor Wustermark rechts abbiegt und weiter nach Spandau fährt . Der RB13 soll
dann entfallen. Aus Sicht des Landes entsteht damit eine attraktive
Verbindung zwischen Potsdam und dem ICE-Fernbahnhof in Spandau. Den RB13
erhalten könne man nicht. Dazu fehle es an Streckenkapazitäten. „Der
Bahnhof Spandau ist ein Nadelöhr“, so Ministeriumssprecher Steffen Streu.
Letzteres sieht die Bürgerinitiative zwar auch anders, will aber nicht
darauf herumreiten. Stattdessen habe man einen Kompromissvorschlag: Der
RB21 soll, aus Potsdam kommend, links nach Wustermark abbiegen, dort
umkehren und dann weiter nach Spandau fahren. Davon hätten alle etwas. „Wir
wollen ja nicht mehr als jetzt“, so Mahr. „Wir wollen nur nicht, dass es
schlechter wird.“
Der Zwischenstopp in Wustermark verlängere die Fahrzeit um nur drei bis
vier Minuten, weil der Zug auf der vom Land vorgeschlagenen Abbiegestrecke
wegen einer engen Kurve ohnehin nur langsam fahren könnte. Beim Land ist
man, was die Fahrzeit angeht, skeptischer und fürchtet um die Attraktivität
der Verbindung. Dennoch wolle man den Wustermarker Vorschlag prüfen, heißt
es auf Nachfrage.
Noch vor der Sommerpause soll das Konzept endgültig stehen. Das Ministerium
habe eine Vielzahl von Anregungen bekommen, so Streu. Die werden derzeit
eingearbeitet, soweit das möglich sei. Allerdings, räumt er ein, werden
wohl nicht alle Wünsche wahr werden. Die Kapazitäten seien begrenzt.
Deshalb habe das Land parallel zum Landesnahverkehrsplan auch den Ausbau
der Infrastruktur angeschoben. Allerdings ist das unter dem Titel „i2030“
firmierende Konzept weitgehend Zukunftsmusik.
## Ab 2022 fährt der RE1 wieder öfter
Auch in Potsdam ist angesichts des Landesnahverkehrsplans nicht gerade
Jubel ausgebrochen. Zwar verspricht er drei statt zwei Fahrten des stark
genutzten Regionalexpress 1 pro Stunde. Doch dass das erst Ende 2022
umgesetzt werden soll, stieß selbst Oberbürgermeister Jann Jakobs übel auf.
In der Stadtverordnetenversammlung kündigte er jüngst an, beim Land auf
eine frühere Taktverdichtung zu drängen. „Wir können nicht so lange
warten.“
Die geplante Taktverdichtung des RE 1 müsse spätestens zum Fahrplanwechsel
2018/19 realisiert werden. Dieser Forderung haben sich auch Brandenburg an
der Havel, Lehnin, Groß Kreutz und Werder (Havel) angeschlossen.
Doch das wird wohl nichts. „Es gibt keine Züge“, sagte Streu der taz. „So
einfach ist das. Leider.“ Um den Takt des RE1 wie gewünscht zu verdichten,
seien vier Züge mit je fünf Waggons und einer Lok nötig. Und die habe die
Bahn eben nicht übrig. Eine Angebotserweiterung sei nur möglich, wenn dazu
auch das nötige Gerät vorhanden sei. Angesichts langer Ausschreibungs- und
Lieferfristen brauche man Geduld.
Der Landesnahverkehrsplan muss vom Landtag nicht abgesegnet werden. Die
Grünen-Opposition hält ihn eher für ein Dokument der Versäumnisse der
letzten Jahre. Verbesserungen seien laut Verkehrsexperte Michael Jungclaus
jetzt schon überfällig. Schon vor Jahren hätte man angesichts steigender
Fahrgastzahlen mit dem Streckenausbau beginnen müssen. Auch die CDU hält
die Pläne für halbherzig. Wer die Brandenburger Regionen entwickeln wolle,
dürfe zusätzliche Züge nicht erst zum Ende der nächsten Legislaturperiode
auf die Gleise bringen.
15 Mar 2018
## AUTOREN
Marco Zschieck
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Regine Günther
Wlan
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