# taz.de -- Interview zur Zukunft der Berliner S-Bahn: „Am besten in öffentl… | |
> Der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz plädiert dafür, dass ein neues | |
> landeseigenes Verkehrsunternehmen den Betrieb der Berliner | |
> S-Bahn-übernimmt. | |
Bild: Kann auch mal gemütlich sein: S-Bahn fahren in Berlin | |
taz: Herr Buchholz, warum können Staatsbedienstete besser S-Bahnen fahren? | |
Daniel Buchholz: Diesen Satz würden Sie von mir niemals hören. Ich glaube | |
aber, dass heute Landesbedienstete mindestens genauso gut S-Bahn fahren | |
oder andere öffentliche Dienstleistungen erbringen können wie private | |
Anbieter. Die Privatisierungsideologie, die wir in den 80ern und 90ern | |
erlebt haben und der zum Teil auch die SPD damals erlegen ist, ist heute | |
abgemeldet, denn man sieht: Auch Private machen Fehler. | |
Bei der Klausurtagung Ihrer SPD-Fraktion haben Sie sich dafür | |
ausgesprochen, dass für den Berliner S-Bahn-Verkehr künftig weder eine | |
Privatfirma noch wie bisher eine Tochter der staatlichen Deutschen Bahn | |
zuständig ist, sondern ein landeseigenes Unternehmen. Warum? | |
Wir haben schon vor fünf Jahren in der Fraktion mit der Arbeitsgruppe | |
Daseinsvorsorge … | |
… die berühmte AG Davos! | |
Der Name ist gut haften geblieben, oder? Die hat sich mit den | |
Voraussetzungen für die Vergabe von S-Bahn-Aufträgen beschäftigt, und ihre | |
Ergebnisse gelten bis heute. Wir haben damals schon festgestellt, dass es | |
das Beste wäre, die S-Bahn nicht nur aus einer Hand zu betreiben, also ohne | |
Aufsplitterung in Finanzierung, Betrieb, Wartung und Besitz der Wagen, | |
sondern das in öffentlicher Verantwortung zu tun. Was hieße, den Auftrag | |
direkt an ein landeseigenes Unternehmen zu vergeben. | |
Dann könnte man sich aller EU-Vorgaben zum Trotz eine Ausschreibung sparen? | |
Genau. Die EU lässt eine „In-house“-Vergabe zu: Wenn das Unternehmen zu 100 | |
Prozent dem Land selbst gehört, dann geht das ohne Ausschreibung. | |
Eine Aufsplitterung aber können Sie nicht rückgängig machen: die des Netzes | |
in drei Teile – die Ringbahn, die Stadtbahn und die Nord-Süd-Bahn. | |
Dazu sind wir tatsächlich durch EU-Vorgaben gezwungen. | |
Worüber wir hier gerade reden, betrifft die Stadtbahn und die Nord-Süd-Bahn | |
– wer künftig auf der Ringbahn fährt, ist schon entschieden: wie bislang | |
die S-Bahn GmbH, die Deutsche-Bahn-Tochter. Was war da mit der Forderung | |
nach einem landeseigenen Unternehmen? | |
Die Überlegung gab es, aber wir sind 2012 in der SPD-Fraktion von der | |
Entscheidung des Senats überrascht worden. | |
Landeseigen, im öffentlichen Personen-Nahverkehr – das könnte auf die BVG | |
zulaufen, die zu 100 Prozent dem Land Berlin gehört. Aber die soll es wohl | |
nicht machen und will es wohl auch gar nicht. | |
Die BVG ist ein sehr großes, sehr gutes Nahverkehrsunternehmen, das größte | |
Deutschlands – so groß und bereits mit so vielen Aufgaben, dass es sinnvoll | |
wäre, ein eigenes S-Bahn-Unternehmen aufzubauen. Das Land Berlin, das | |
wissen bloß wenige, hat ja auch schon ein Unternehmen mit der nötigen | |
Lizenz des Eisenbahn-Bundesamts dazu, nämlich die Behala … | |
… die Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft. | |
Die macht das zwar bislang nur im Minimaßstab mit ihrem kleinen Bahnverkehr | |
ergänzend zum Lagerhausbetrieb. Das wäre eine theoretische Möglichkeit, als | |
Nukleus für etwas Größeres. Man müsste eben ganz neu anfangen und Kompetenz | |
für den S-Bahn-Verkehr aufbauen. | |
Reicht denn dafür die Zeit? | |
Ja, denn der jetzt auszuschreibende S-Bahn-Vertrag beginnt erst 2025. | |
Wenn für Sie die Sache klar ist und Sie am liebsten ein landeseigenes | |
Unternehmen direkt beauftragen würden, warum dann überhaupt noch die | |
Markterkundung, die die Grünen-nahe Verkehrssenatorin Regine Günther auf | |
den Weg gebracht hat? Die kostet doch auch Zeit und Geld. | |
Ja, sie kostet, aber sie bietet uns dafür die Möglichkeit, zu erfahren, was | |
der Markt im Jahr 2018 bietet, und zu fragen: Unter welchen | |
Rahmenbedingungen könntet ihr euch vorstellen, Lieferant oder Betreiber der | |
S-Bahnen ab 2025 zu sein? Denn auch wenn wir es mit einem landeseigenen | |
Unternehmen machen, muss das wettbewerbsorientiert sein. Das ist auch bei | |
den Wohnungsbaugesellschaften, bei der BSR und der BVG so. | |
Wenn die auch wettbewerbsorientiert sind, wo ist dann der Unterschied zu | |
Privatfirmen? | |
Sie haben eine andere Verantwortung, sie haben gesicherte Tarifverträge, es | |
gibt einen klaren gesellschaftlichen Auftrag. Es geht nicht in erster Linie | |
darum, Gewinn zu machen, sondern nachhaltig eine gute Dienstleistung zu | |
erbringen – Daseinsvorsorge eben! Und es wäre alles in einer Hand. Wenn die | |
eine Firma für den Betrieb, die andere für die Wartung zuständig ist, der | |
dritten die Wagen gehören, die vierte das finanziert und alle auf einem | |
Schienennetz unterwegs sind, dass der Deutsche-Bahn-Tochter DB Netz gehört, | |
dann sind doch Konflikte programmiert, sobald es ein Problem gibt. | |
Aber das kann man doch über genaue Verträge regeln, wo eben bis ins | |
Kleinste drin steht, wer für was haftbar gemacht werden kann. | |
Theoretisch. Aber am Beispiel der Marschbahn, die nach Sylt fährt, lässt | |
sich gerade gut erleben, was bei einem technischen Problem passieren kann. | |
Da zeigen alle Beteiligten mit dem Finger auf die anderen und keiner will | |
haften – das ist organisierte Verantwortungslosigkeit. | |
Was die Sache grundsätzlich so kompliziert macht, ist, dass auf den | |
Berliner S-Bahn-Gleisen nur spezielle Wagen fahren können, die sonst | |
nirgendwo fahren. Hat mal einer durchgerechnet, was es kosten würde, das | |
Netz umzubauen und anzugleichen? | |
Diese Frage habe ich dem Senat schon vor über einem Jahrzehnt gestellt. | |
Damals lautete dessen Antwort, das wären Kosten in Milliardenhöhe. | |
Mehr zu den Plänen des rot-rot-grünen Berliner Senats mit der Berliner | |
S-Bahn in der gedruckten taz an diesem Wochenende. | |
3 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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