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# taz.de -- Kommentar Gutachten zur Seenotrettung: Gestorben wird weiter
> 316 Menschen sind dieses Jahr bereits im Mittelmeer ums Leben gekommen.
> Ein Gutachten des Bundestags belegt Verstöße der EU-Staaten.
Bild: Die Flüchtenden treiben weiter im Bodenlosen zwischen der Kaltschnäuzig…
Mit großem Getöse hatte die so genannte libysche Regierung im Sommer 2017
angekündigt, künftig [1][selbst die Seenotrettung] im zentralen Mittelmeer
zu organisieren. Italien wollte dem in völligem Chaos darniederliegenden
Land geholfen haben, eine Leitstelle für die Koordination der Einsätze
aufzubauen – und hatte sich damit selbst der Verantwortung zu entledigen
versucht.
Die Libyer [2][drohten] den privaten Seerettungs-NGOs Gewalt an, sollten
sie dennoch weiter vor Libyen – wohlgemerkt: in internationalen Gewässern –
retten.
Seither gingen die Ankünfte von Flüchtlingen in Italien deutlich zurück.
Denn die Libyer brachten schiffbrüchige Migrant_innen an ihre eigene Küste.
Und dort, [3][das ist erwiesen], landeten diese dann erneut in
Folterlagern.
Jetzt hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages sich mit der
Situation vor Ort befasst. Das Ergebnis: Der Umgang der EU-Staaten mit
Flüchtlingen und Migranten im Mittelmeer verstößt gegen [4][die
UN-Flüchtlingskonvention]. Der Linken-Abgeordnete Andrej Hunko hatte das
Gutachten in Auftrag gegeben. Die Parlamentsjuristen kritisieren
insbesondere die Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache.
## Italienisches Kriegsschiff blockierte Flüchtlingsboot
Von Anfang an war zweifelhaft, ob die Libyer, die auch sonst nicht mal in
Ansätzen eine funktionierende Verwaltung vorweisen können, überhaupt im
Stande sind, eine Rettungsleitstelle zu führen. Auch ihnen selbst scheinen
daran zwischenzeitlich Zweifel gekommen zu sein. Denn im Dezember 2017
widerrief Libyen die Ausweisung der eigenen Seerettungszone gegenüber der
dafür zuständigen International Maritime Organization (IMO).
Das war vor allem ein Rückschlag für Italien. Das Land hatte so sehr darauf
gedrängt, dass die Libyer die Seenotrettung koordinieren – denn auf diese
Weise würde das Gros der Geretteten am Ende in Nordafrika landen, egal, was
dort mit ihnen geschieht.
Und so mochten die Italiener den libyschen Rückzug nicht hinnehmen: Eine
erneute Registrierung der libyschen Seerettungszone „soll in Zusammenarbeit
mit italienischen Behörden bereits kurz darauf eingereicht worden sein“,
heißt es im Bundestags-Gutachten. Allerdings werde die libysche
Rettungsleitstelle in Tripolis „erst in den nächsten Jahren“ einsatzbereit
sein.
Trotzdem hatte ein italienisches Kriegsschiff ein überfülltes
Flüchtlingsboot im vergangenen Herbst an der Weiterfahrt gehinderte, bis
ein Boot der libyschen Küstenwache eintraf. Die Libyer hätten die Insassen
des Boots dann zurück nach Libyen gebracht. Auch diesen Vorfall bewertet
[5][der wissenschaftliche Dienst des Bundestages]: „Das Querstellen oder
die Hinderung an der Weiterfahrt auf andere Weise bis zur Aufnahme durch
ein Boot eines unsicheren Drittstaates dürfte indes gegen das
Refoulement-Verbot verstoßen“, heißt es in dem Gutachten.
## Das Sterben wird weitergehen
Die Juristen kritisieren, dass die italienische Seenotleitstelle mehrfach
der libyschen Küstenwache das Kommando bei Rettungseinsätzen überlassen
habe, die dann zivile Retter bedroht oder behindert habe. Dazu sei die
libysche Küstenwache völkerrechtlich jedoch „nicht befugt“. Insbesondere
dürfe sie nicht anderen Schiffen eine Beteiligung an Rettungsaktionen
untersagen.
Für die Situation im Mittelmeer heißt all das vor allem: Es wird weiter
gestorben. 316 Tote im zentralen Mittelmeer zählt die IOM in diesem Jahr –
im Schnitt mehr als 5 jeden Tag.
28 Feb 2018
## LINKS
[1] /Tote-bei-Rettungsaktion-vor-Libyen/!5460556
[2] /Sea-Watch-Kapitaenin-ueber-ihren-Einsatz/!5460061
[3] https://www.amnesty.de/sites/default/files/2017-12/Amnesty-Bericht-Libyen-E…
[4] http://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2017/03/GFK_Pocket_20…
[5] https://www.bundestag.de/blob/544308/4fd454905b658f3d60a5a741dcc4f514/wd-2-…
## AUTOREN
Christian Jakob
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