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# taz.de -- Integrationskurs für Sehbehinderte: Deutsch mit allen Sinnen
> Bremen startet einen Integrationskurs für Blinde und Menschen mit
> Sehbehinderung. Wie viele Menschen darauf angewiesen sind, wird nicht
> ermittelt.
Bild: Besonderer Aufwand: Schreibenlernen für Blinde
Bremen taz | Nach einem Jahr in Bremen immer noch ohne Blindenstock: Diese
Situation einer blinden geflüchteten Frau aus Bremen, von der ein
Mitarbeiter des Landesbehindertenbeauftragten berichtet, steht exemplarisch
für die Kritik des Instituts für Menschenrechte, der zufolge es ein
Versorgungsdefizit für geflüchtete Menschen mit Behinderungen gibt. Ein
Schritt nach vorne ist der diese Woche im Paritätischen Bildungswerk (PBW)
Bremen anlaufende Integrationskurs für Blinde und Menschen mit
Sehbehinderungen.
Die Kosten für den Kurs übernimmt das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge (Bamf). Bärbel Schmidt vom PBW erklärt, dass sich die
„horrenden Summen“ für den Kurs nicht nur mit dem speziellen Lehrmaterial
erklärten, sondern auch mit den Fahrtkosten: ein Großteil der
Teilnehmer*innen müsse mit dem Taxi kommen.
Zu den speziellen Unterrichtsmaterialien gehört unter anderem die
Braille-Zeile. Das ist ein Gerät, das mit dem Computer geschriebene Schrift
in Punktschrift überträgt und so für Blinde lesbar macht. So etwas koste
rund 5.000 Euro, sagt Julia Baaske von der Bundesakademie für Integration
und Teilhabe in Hannover, die ab März ebenfalls einen solchen Kurs
anbietet. Diese Geräte sind unverzichtbar, wenn es um Kurse geht, die auch
auf das Berufsleben vorbereiten sollen.
Nach Aussage des Bamf gab es 2016 und 2017 Kurse für Blinde und
Sehbehinderte in vier anderen Bundesländern. Die Teilnehmerzahl habe sich
in letzter Zeit deutlich erhöht. In Hamburg seien mehrere parallel laufende
Kurse geplant. Dem Bamf zufolge gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der
Bedarf das Angebot übersteigt.
## Nicht systematisch erfasst
Aus Sicht von Bernd Schneider, dem Sprecher der Bremer Sozialsenatorin Anja
Stahmann (Grüne) zeigt der nun startende Kurs, dass es im Bereich der
Integrationskurse viele Verbesserungen gegeben hat. „Für bestimmte
Zielgruppen gibt es aber noch einen großen Nachholbedarf“, räumt er ein.
Neben Gehörlosen und Menschen mit Sehbehinderungen gehörten dazu Menschen
mit Lernbehinderungen, denn auch für diese gebe es in den normalen Kursen
keine akzeptablen Lernbedingungen.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte kritisierte erst in diesem Monat
die Situation von Geflüchteten mit Behinderungen. In Deutschland gebe es
nach wie vor kein einheitliches Verfahren zur Identifikation besonders
schutzbedürftiger Personen, zu denen Menschen mit Behinderung zählten.
## 15 Prozent der Geflüchteten behindert
„Es ist wichtig, körperliche und Sinnesbehinderungen systematisch zu
erfassen“, sagt auch Joachim Steinbrück, der Landesbehindertenbeauftragte
Bremens. Obwohl man mittlerweile über 30.000 Info-Flyern für geflüchtete
Menschen mit Behinderung verteilt habe, seien Beratungsangebote für sie
immer noch zu wenig bekannt, kritisiert er.
Es gebe weitaus mehr als nur eine Handvoll geflüchteter Menschen mit
Behinderungen, sagt Steinbrück. Viele hätten entgegen anders lautenden
Vermutungen die Flucht auch mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen
geschafft.
Eine Vorbemerkung der Grünen in einer Anfrage an die Bundesregierung vom
März 2017 bestätigt das: Demnach leben schätzungsweise 15 Prozent der
Geflüchteten in Deutschland mit Behinderungen. Diejenigen, die
fluchtbedingt an psychischen Erkrankungen litten, seien da nicht einmal
eingerechnet.
## Kursbeginn mit zweijähriger Verspätung
Aufgrund vieler bürokratischer Hürden startet der Kurs in Bremen nun mit
zwei Jahren Verspätung. Mittlerweile sind jedoch alle
Unterrichtsmaterialien angeschafft worden. Der Kurs, der diese Woche
beginnt, soll ab März fest im Programm des PBW verankert werden.
„Wir haben jetzt eine gute Ausstattung, die wir hoffentlich lange nutzen
können“, sagt Bärbel Schmidt. Abgesehen von den speziellen Anforderungen
bei der Durchführung handele es sich um einen ganz normalen
Integrationskurs, der nach 900 Stunden Unterricht mit dem Deutschtest für
Zuwanderer (DTZ) abschließe.
Die Leitung übernehmen zwei Deutschlehrkräfte, der Kurs findet jedoch nicht
im Bildungswerk, sondern im Verein für Blinde und Sehbehinderte in Bremen
statt. „In der Vorbereitung steckt unendlich viel Arbeit“, sagt Schmidt und
betont, dass der Kurs ein Pilotprojekt sei und das PBW bisher noch keine
Erfahrungen in diesem Bereich habe. Deswegen sei es durchaus möglich, dass
in einem halben Jahr manche Dinge verändert werden müssten.
12 Mar 2018
## AUTOREN
Teresa Wolny
## TAGS
Integrationskurs
Flüchtlinge
Behinderung
Leben mit Behinderung
Integration
Grüne Bremen
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
Integrationskurs
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Flucht
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