# taz.de -- Kai Weber über Vorwürfe gegen Bamf: „Sorgen sind durchaus berec… | |
> Zu Unrecht werde im Falle der suspendierten Bremer Bamf-Chefin von | |
> Bestechung geredet, kritisiert Kai Weber vom Flüchtlingsrat | |
> Niedersachsen. | |
taz: Herr Weber, der Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisiert, dass im | |
mutmaßlichen Korruptionsfall bei der Außenstelle Bremen des Bundesamtes für | |
Migration und Flüchtlinge (Bamf) wesentliche Aspekte unerwähnt bleiben – | |
welche sind das? | |
Kai Weber:Zunächst einmal: Wir wissen, dass es Verfahren gab, die in Bremen | |
nicht hätten durchgeführt werden müssen und auch, dass es in Bremen | |
durchschnittlich eine höhere Schutzquote gab als in anderen | |
Bamf-Dependancen. Aber das allein rechtfertigt nicht den Vorwurf eines | |
Bestechungsskandals, zumal es bislang keinerlei Belege dafür gibt, dass | |
sich hier tatsächlich irgendjemand hat bestechen lassen. | |
Sie sprechen von Anerkennungsverfahren, die Bremen nicht hätte durchführen | |
müssen – durfte das Bamf in Bremen sie denn durchführen? | |
Wir müssen uns ja in den Zeitraum zurückversetzen, um den es hier geht, | |
nämlich zwischen 2015 und 2017. In dieser Zeit war das Bamf strukturell | |
überfordert, kam nicht hinterher mit der Registrierung von Asylsuchenden, | |
und zwischen den einzelnen Bamf-Dependancen wurden Flüchtlinge teilweise im | |
großen Stil in Bussen hin- und hergeschoben. | |
Dass Geflüchtete mit Bussen aus Niedersachsen und NRW nach Bremen | |
transportiert wurden, war also nicht außergewöhnlich? | |
Nein. Es war eher die Regel als die Ausnahme. Flüchtlinge wurden | |
beispielsweise aus Niedersachsen nach Mecklenburg-Vorpommern gebracht. | |
Insofern ist die Tatsache, dass Bremen Asylverfahren von Flüchtlingen | |
bearbeitet hat, die in Niedersachsen registriert waren, für sich genommen | |
kein Hinweis auf ein – wie auch immer geartetes – rechtswidriges Handeln. | |
Die weiteren Hinweise sind uns natürlich auch nicht unbekannt geblieben, | |
zum Beispiel, dass es keine zeitnahe Erfassung und keinen zeitnahen | |
Abgleich der Daten gegeben hat. Das sind natürlich formale | |
Unregelmäßigkeiten gewesen, die auf ein mögliches Fehlverhalten hinwiesen, | |
aber das war’s dann auch. | |
Sind Dinge wie ein verzögerter Datenabgleich auch in anderen | |
Bamf-Außenstellen vorgekommen? | |
Es ist ja vielfach beklagt worden, dass eine erkennungsdienstliche | |
Erfassung der Betroffenen oft gar nicht sofort möglich war. Die Betroffenen | |
wurden als Asylsuchende registriert und wurden dann später noch mal | |
gebeten, zum Bamf zu kommen, um den eigentlichen Asylantrag zu stellen. Und | |
erst bei diesem zweiten Termin wurden die formalen Auflagen erfüllt, die | |
gesetzlich vorgeschrieben waren. Das heißt: Das Bamf kam überall nicht | |
hinterher mit der formalen Erledigung dessen, was eigentlich in seinen | |
Aufgabenbereich gehört hätte. | |
Wären die Asylanträge abgelehnt worden, wenn sie formal korrekt behandelt | |
worden wären? | |
Die Bundesamts-Zentrale in Nürnberg hat ja damals vorgegeben, diesen | |
Personenkreis, also die Jesiden, bevorzugt zu behandeln und in der Regel | |
anzuerkennen vor dem Hintergrund der massiven Verfolgung durch den IS, der | |
Überfälle auf kurdische Dörfer, der Massenvergewaltigung, der Verschleppung | |
von Frauen und der Versklavung von Menschen. Das war jedenfalls 2015 so. In | |
den Folgejahren hat man das etwas abgewandelt. Aber religiöse Minderheiten | |
blieben privilegierte Flüchtlingsgruppen. Es ist insofern nicht | |
verwunderlich, dass diese Personen grundsätzlich anerkannt wurden. Wenn es | |
überhaupt Fragen gab, dann zu dem Personenkreis der sogenannten | |
Dublin-Flüchtlinge, also solcher Menschen, die eigentlich in einem anderen | |
Land ihren Asylantrag hätten stellen sollen oder jene, die in einem | |
Drittstaat schon anerkannt waren, dort aber nicht leben konnten. | |
Dazu gehörte auch die Familie aus Lehrte, deren Fall schließlich die | |
Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen haben soll… | |
Genau. Diese Familie ist in Bulgarien anerkannt worden, nach der | |
Anerkennung aber – wie viele andere auch – wegen fehlender Möglichkeiten, | |
in Bulgarien überleben zu können, weiter nach Westen geflohen. Und hier | |
gibt es bis heute einen noch nicht abgeschlossenen Rechtsstreit um die | |
Frage, ob eine menschenwürdige Existenz für anerkannte Flüchtlinge in | |
Bulgarien überhaupt möglich ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass | |
das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen Anfang dieses Jahres eine | |
Entscheidung getroffen hat, die inhaltlich die Linie des Bamf in Bremen | |
bestätigt: Es hat nämlich festgestellt, dass Bulgarien keine | |
menschenwürdigen Lebensumstände für anerkannte Flüchtlinge bietet. Insofern | |
hat man in Bremen zu Recht Schutz vor einer Abschiebung gewährt. | |
Also müssen sich die in Bremen lebenden Jesiden auch künftig keine Sorgen | |
um ihren Status machen? | |
Doch, die Sorgen sind durchaus berechtigt. Das Bundesinnenministerium hat | |
ja schon angekündigt, dass man die Entscheidungen, die in Bremen gefällt | |
worden sind, alle überprüfen wolle. Aber was hier auch berücksichtigt | |
werden muss, ist die Verschärfung der Entscheidungspraxis des Bamf in den | |
letzten zwei, drei Jahren für verschiedene Herkunftsländer. | |
Wie sieht diese Verschärfung aus? | |
Während die Jesiden 2015 in der Regel anerkannt wurden, hat man 2016 schon | |
die Frage gestellt: Gab es einen direkten Gebietskontakt mit den mordenden | |
Truppen des IS oder sind die Leute geflohen, bevor der IS da war – und | |
letztere Gruppe erhielt dann keinen Flüchtlingsstatus mehr. 2017 hat man | |
die Entscheidungspraxis nochmal zum Negativen korrigiert und gesagt: Jetzt, | |
wo der IS weitestgehend vertrieben ist, gibt es im Irak auch keine | |
Verfolgung der Jesiden mehr. Es ist also zu befürchten, dass es ein | |
massives Infragestellen des aktuellen Aufenthaltsstatus geben wird. | |
Auch, wenn die Anerkennung 2015 rechtlich zulässig erfolgt ist? | |
Das ist zu befürchten, denn das Bamf hat in großem Stile Widerrufsakten | |
angelegt. Das heißt, es werden Hunderttausend positive Asylentscheidungen | |
in den nächsten Monaten überprüft. Diese vorgezogenen Prüfungen wurden | |
begründet mit dem Skandal um die Asylanerkennung des Rechtsradikalen Franco | |
A., der sich als Syrer ausgegeben hatte. Das hat also nichts mit dem Bremer | |
Fall zu tun. Das Gesetz sieht ohnehin vor, dass nach drei Jahren geprüft | |
werden soll, ob die Voraussetzungen für eine Asylgewährung noch bestehen. | |
Und wenn nicht, müssen die Menschen ausreisen? | |
Wir rechnen aufgrund der unsicheren Lage im Irak nicht damit, dass diese | |
Menschen dann rechtlos werden, aber zumindest besteht die Gefahr, dass man | |
einigen von ihnen den Flüchtlingsstatus wieder abspricht und nur noch | |
subsidiären Schutz gewährt. | |
Die in Bremen lebenden Jesiden werden aber aufgrund der Vorwürfe gegen das | |
hiesige Bamf sicher als erste überprüft… | |
Höchstwahrscheinlich. Aber ich sehe auf Grundlage der uns bekannten Fälle, | |
die in Bremen entschieden worden sind, nicht, dass sie inhaltlich | |
grundlegend abweichen von den Leitsätzen und Vorgaben der Bamf-Zentrale. | |
Ich sehe nicht, dass es in Bremen formale Fehler in der Entscheidungspraxis | |
gab, die einen Widerruf in großem Stile rechtfertigen würden. | |
25 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Simone Schnase | |
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