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# taz.de -- Debatte USA und China: Die Unberechenbaren
> Donald Trump und Xi Jinping sind sich ähnlicher, als es scheint. Sie
> lassen es verbal krachen, es sieht aber nur nach einem Handelskrieg aus.
> Oder?
Bild: Was wird hier wieder ausgekaspert? Das bleibt vorerst unberechenbar
Ein Handelskrieg zwischen Amerika und China wird zurzeit heraufbeschworen,
und wichtiger als die Tausenden Details ist dabei der schlichte Fakt, dass
Trumps Regierung es offiziell bedauert, dass China überhaupt als Mitglied
der Welthandelsorganisation am Ende des unheilvollen Jahres 2001
aufgenommen wurde. Denn die damalige Entscheidung stellte eine Art
Hochwassermarke des optimistischen Multilateralismus des 20. Jahrhunderts
dar: eine Art Wette, dass das Reich der Mitte durch Handel und Wohlstand
einzubetten sei, wie einst das besiegte Deutschland. Donald Trump will
darauf [1][nicht mehr setzen].
In diesen Tagen löst sich aber auch der Chinese [2][Xi Jinping] von den
Leitlinien seines späten 20. Jahrhunderts. Denn Deng Zhao Pings Motto war
bekanntlich: „Verstecke deine Kraft und warte ab.“ Offenkundig hat Xi, der
gerade verkündet hat, lebenslang regieren zu wollen, nicht vor, seine Macht
unter den Scheffel zu stellen.
Seit seinen Tagen als Reality-TV-Star kündigt Donald Trump gerne Verträge
auf theatralische Art: An seinem dritten Amtstag sagte er die Teilnahme am
pazifischen Freihandelsabkommen ab. Xi Jinping hat in den letzten Jahren
durch Antikorruptionskampagnen seine Rivalen ebenfalls alle verdrängt.
Trump und Xi werden sich kaum auf dem Schlachtfeld begegnen, wenigstens so
lange nicht, wie Steak und Hummer in Mar a Lago zu genießen sind. Dort, in
Trumps West-Palm-Beach-Anlage, wurden sie durch Henry Kissinger
zusammengebracht. Der Kissinger, Chefdiplomaten der
chinesisch-amerikanischen Annäherung, der einmal gesagt hat, dass er nach
einer Pekingente wohl jedem Abkommen zustimmen würde.
## Deutliches Säbelrasseln
Das Säbelrasseln ist dennoch deutlich zu hören. China feiert mit
Militärparaden seine weltgrößte Armee, und Xi will weiter aufrüsten. Trump
dagegen lässt wissen, dass sich seine Industriepolitik hauptsächlich in der
Rüstungsproduktion entfalten wird. Die von ihm erträumte epochale
Militärparade hat Trump zwar in Paris abgeguckt, doch die Drohsignale
gelten Peking.
Trump und Xi haben zu Hause alle Kontrahenten niedergerungen oder
niedergeknüppelt. Von Xi heißt es, dass er geradezu obsessiv auf die
Konkurrenz mit den USA fixiert ist. Beide Politiker haben seit ihrer Jugend
den Machtkampf auch als Straßen- und Überlebenskampf begriffen. Das hat sie
zu Führern der Massen gemacht, mit der Fähigkeit, diese Massen auch in
Marsch zu setzen.
Beide wurden zwar mit silbernen Löffeln im Mund geboren, aber Xi geriet
früh in die Wirren der Kulturrevolution. Sein Vater wurde als Führungsfigur
inhaftiert, musste auf der Bühne vor Frau und Sohn einen riesigen Narrenhut
tragen; vor Publikum denunzierte seine Ehefrau den eigenen Sohn. Xi musste
um sein nacktes Leben kämpfen, mit den gleichaltrigen Söhnen der Elite, die
in Maos Rote Garde gegangen waren. Im Sommer des Jahres 1966 wurden
Tausende in den Straßen Pekings ermordet, wo Xi überlebte. Als der stets
glatt gestriegelte Xi auf dem Tiananmenplatz die Militärparade 2015
anführte, ging es ihm sicherlich auch darum, niemals wieder solches Chaos
zu erleben, niemals die hierarchische Ordnung aufs Spiel zu setzen.
Trump seinerseits wurde wegen unaufhörlichen Ungehorsams in eine
Militärakademie nördlich von New York verbannt. Nach allen Aussagen ist er
dort nie in den Alltagskämpfen unterlegen. In den ritualisierten Paraden
stand er immer ganz oben in der Hackordnung.
## Die großen Erzählungen
Vor diesem Hintergrund versteht sich fast von selbst, dass die Massen in
Amerika und in China auf eine Art gegenseitiges Wetteifern getrimmt werden.
Xi und Trump sind nach Finanzkrisen zur Macht aufgestiegen. In diesen
Jahren seit 2008 in Amerika und 2015 in China wurde klar, dass viele
Probleme kaum gelöst werden würden. Daher haben Trump und Xi die Nostalgie
für Reagan beziehungsweise Mao gepflegt. Beide schrieben an großen
Erzählungen, wieso ihre Landsleute unglücklich werden mussten. Der
amerikanische Nationalschatz wurde Trump zufolge von China geraubt. Und das
von dem chinesischen Volk gebrachte Opfer würde sich dennoch auszahlen in
einer neuen glorreichen Rolle auf der Weltbühne, so Xi.
In beiden Ländern gibt es eine neue populistische Kultur gegen den
Liberalismus. Die chinesischen Nationalisten nennen Liberale „White
Lotuses“; die amerikanischen Populisten sprechen dagegen von „Snowflakes“.
Solche Sprache macht Ethik und Pazifismus denkbar unattraktiv. Auch
grassiert die Zentralisierung der Macht. Die Washington Post ist im Besitz
von Amazon-Gründer Jeff Bezos, die South China Morning Post wurde vor
Kurzem von Alibaba-Gründer Jack Ma gekauft. In Filmen wie „Wolf Warrior II“
kämpfen rambo-artige chinesische Helden mit Amerikanern, die mit üblen
rassistischen antichinesischen Parolen glänzen, ehe sie von einfachen
chinesischen Kämpfern niedergemetzelt werden.
Und was macht der oberste amerikanische Straßenkämpfer, der geschasste
Rattenfänger Steve Bannon, der Trump zur Kündigung des pazifischen
Freihandelsabkommens riet, und der zu verständnisvollem Umgang mit dem
rechtsradikalen mordenden Autoraser von Charlottesville aufrief? Bannon
tourt diese Woche durch Europa und beschwört den kommenden Krieg zwischen
China und dem von ihm so genannten judeo-christlichen Westen. Er wirft
China vor, die Amerikaner wie Barbaren zu behandeln.
Dabei vergleicht er die Chinesen sogar mit den Nazis: „Chinesen sind wie
die Deutschen die rationalsten Menschen, bis sie es plötzlich nicht mehr
sind“, so zitiert ihn der Journalist Michael Wolff. Bannons Lösung? „We are
going to go barbarian“, also wir müssen uns wie die Berserker wehren. So
ist für Bannon Amerika der Führer des judeo-christlichen Westens, bis es
das plötzlich nicht mehr ist, sondern sich selber barbarisch gebärden muss.
So gesehen fängt das Spiel des 21. Jahrhunderts gar nicht so anders an als
das des 20. Jahrhunderts – berechenbar nur in seiner Unberechenbarkeit.
11 Mar 2018
## LINKS
[1] /Kommentar-Globale-Handelskonflikte/!5486131
[2] /Volkskongress-in-China/!5486265
## AUTOREN
Anjana Shrivastava
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