# taz.de -- Debatte USA und Lateinamerika: Chinas neuer Hinterhof | |
> Unter Trump hat das Desinteresse der USA an Lateinamerika den Höhepunkt | |
> erreicht. China füllt das ökonomische Vakuum gerne. | |
Bild: Uruguays Außenminister Rodolfo Nin Novoa und sein chinesischer Kollege W… | |
US-Außenminister Rex Tillerson hat am 1. Februar seine erste | |
Lateinamerikareise begonnen. Damit hat er seinem Chef im Weißen Haus etwas | |
voraus: Donald Trump war seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr noch nie in | |
der Region unterwegs. Lediglich sein Vize Mike Pence hatte im vergangenen | |
August Argentinien, Kolumbien, Chile und Panama besucht. | |
Da fällt es dann auch kaum auf, dass Trump bis heute die wichtige | |
Lateinamerika-Abteilung im Außenministerium nicht besetzt hat. Also jene | |
Abteilung, die in der US-Administration eigentlich für Ideen zuständig ist, | |
wie der Region begegnet werden soll. Tillerson wird auf seiner Reise auch | |
in Peru Station machen. Dort findet im April der Amerikagipfel statt, auf | |
dem sich die Staats- und Regierungschefs der 35 Mitgliedstaaten der | |
Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) treffen. Ob Trump zum Gipfel | |
reist, ist noch völlig offen. | |
Die OAS, eigentlich ein US-dominierter Zusammenschluss, leidet ebenfalls | |
unter dem Desinteresse der US-Administration. Für die entscheidende Sitzung | |
über die Verhängung von Sanktionen über Venezuela im Juni 2017 sagte | |
Tillerson im letzten Moment ab. Vielleicht erinnert sich Trump auch daran, | |
wie sein Amtsvorgänger George W. Bush auf dem Amerikagipfel 2005 im | |
argentinischen Mar del Plata abgewatscht wurde. Damals hatte Bush den | |
Vorschlag einer gesamtamerikanischen Freihandelszone von Alaska bis | |
Feuerland im Gepäck, dem das vereinte Trio Hugo Chávez (Venezuela), Néstor | |
Kirchner (Argentinien) und Lula da Silva (Brasilien) den Garaus machte. | |
Dreizehn Jahre später hat sich die politische Landschaft grundsätzlich | |
gewandelt. Heute würde ein US-Präsident mit einem solchen Vorschlag bei den | |
freihandelsfreundlichen Staatsoberhäuptern Lateinamerikas offene Türen | |
einrennen. Doch stattdessen zieht die US-Regierung die Zugbrücken hoch. | |
Trumps südlicher Horizont endet an der Mauer, die er zwischen den USA und | |
Mexiko bauen will, um sich vom einstigen Hinterhof abzuschotten. | |
Unter Trumps „America First“ hat sich der Prozess von Planlosigkeit und | |
Desinteresse erheblich beschleunigt. Schon unter Barack Obama spielte | |
Lateinamerika in der US-Außenpolitik keine große Rolle mehr. Doch ein | |
Vakuum entsteht nicht: Die Volksrepublik China ist in Lateinamerika auf dem | |
Vormarsch. | |
## China will Rohstoffe | |
Bereits vor drei Jahren hat China die USA als größten Handelspartner | |
Lateinamerikas abgelöst, lässt man Mexiko einmal außen vor. Mexiko | |
eingeschlossen, liegen die USA noch immer unangefochten an der Spitze. | |
Sollte die US-Regierung Mexiko aus dem Freihandelsabkommen Nafta drängen, | |
wären die Chinesen einsam an der Spitze. Auch staatspolitisch schenken die | |
Chinos den Latinos ihre Aufmerksamkeit. Bereits dreimal hat Chinas | |
Staatspräsident Xi Jinping seit seinem Amtsantritt im Jahr 2013 die Region | |
besucht. | |
China will von Lateinamerika vor allem Rohstoffe. Kupfer aus Chile und | |
Peru, Öl aus Venezuela und Ecuador oder Soja und Fleisch aus Argentinien, | |
Brasilien und Paraguay. Und es will sich Absatzmärkte in Lateinamerika für | |
die Produkte seiner boomenden Wirtschaft sichern. Dazu hatte Staatschef Xi | |
Jinping Anfang 2015 den klammen Staaten Lateinamerikas versprochen, bis zum | |
Jahr 2019 250 Milliarden Dollar in der Region zu investieren. | |
Nicht überall stieß die chinesische Investitionsoffensive auf offene | |
Türen. Kulturell sind Lateinamerikas (Wirtschaft-)Eliten nach wie vor | |
Richtung USA oder Europa ausgerichtet. Doch seit Trump ihnen mit dem | |
Ausstieg aus dem Projekt eines transpazifischen Freihandelsabkommens (TPP) | |
die Tür zuschlug und die Neuverhandlung von Nafta anordnete, orientiert man | |
sich notgedrungen um; die restlichen am TPP beteiligten elf Staaten nahmen | |
Verhandlungen mit Peking auf. Statt den USA soll nun China die Rolle des | |
großen Giganten übernehmen. Die Verhandlungen kommen gut voran, im März | |
soll das TPP plus China unterzeichnet werden. | |
Damit hat Trump beendet, was noch als letzte langfristige | |
US-Wirtschaftsstrategie für die Region galt: Ihre Einbindung in einen | |
geregelten Wirtschaftsblock, um dem chinesischen Vormarsch etwas | |
entgegenzusetzen. Stattdessen füllen die Chinesen die entstandenen Lücken. | |
Beiderseits des Pazifiks wird der Ende November in Uruguay abgehaltene | |
Unternehmergipfel als großer Erfolg gefeiert. Im Badeort Punta del Este | |
hatten sich 700 UnternehmerInnen aus China mit potenziellen PartnerInnen | |
aus Lateinamerika und der Karibik getroffen und sich über zukünftige | |
Geschäfte ausgetauscht. | |
Auch auf politischer Ebene kommt die Annäherung voran. Ende Januar fand in | |
der chilenischen Hauptstadt Santiago ein Außenministertreffen statt. | |
Beschlossen wurde ein Aktionsplan für die Jahre 2019 bis 2021 sowie die | |
Einbindung Lateinamerikas und der Karibik in das Infrastrukturprojekt Neue | |
Seidenstraße, mit dem China die Verbindungswege von Asien, Afrika und | |
Europa modernisieren will. Es war bereits das zweite Treffen zwischen China | |
und der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten | |
(Celac), die im Jahr 2011 von Hugo Chávez mit angeschoben wurde, um statt | |
den USA neue Bündnispartner zu finden. | |
Die chinesische Expansion in Lateinamerika geht recht reibungslos | |
vonstatten. Im Gegensatz zu den USA mischt sich China nicht in die Politik | |
der einzelnen Länder ein. Noch nicht. Doch auf die wirtschaftliche | |
Abhängigkeit wird die finanzielle und die politische Abhängigkeit folgen. | |
Wie sich die chinesische Führung ihren Goodwill politisch bezahlen lässt, | |
durfte Griechenland vor einigen Monaten vormachen, als das EU-Mitgliedsland | |
bei den Vereinten Nationen eine EU-Stellungnahme zu | |
Menschenrechtsverletzungen in China blockierte. Auf längere Sicht ebenfalls | |
problematisch: Mit Umweltschutz und nachhaltiger Entwicklung haben Chinas | |
Firmen, allen voran im Bergbau und der Ölförderung, nichts am Hut. | |
3 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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