| # taz.de -- Dramaturgin über Arbeit mit Ex-Guerillas: „Frieden muss gelebt w… | |
| > Kolumbiens populärste Theater-Dramaturgin hat ein Stück mit ehemaligen | |
| > Farc-Kämpfern inszeniert. Ihr Ziel ist es, eine „Kultur des Friedens“ zu | |
| > schaffen. | |
| Bild: Patricia Ariza: „Ein Frieden muss gelebt und besungen werden“ | |
| taz: Frau Ariza, in Kolumbien wird gerade ein Friedensabkommen mit der | |
| Farc-Guerilla umgesetzt. Mit der kleineren ELN-Guerilla wird ein ähnliches | |
| Abkommen angestrebt, auch wenn die Verhandlungen derzeit ausgesetzt sind. | |
| Erleben wir eine Zäsur in Kolumbiens Geschichte? | |
| Patricia Ariza: Für mich ist der Friedensprozess das Ereignis unseres noch | |
| jungen Jahrhunderts. Aber es lauern noch viele Fallstricke. Niemand weiß, | |
| was passiert, wenn die Morde an zivilen Aktivisten sowie an Ex-Guerilleros | |
| weitergehen. Trotz der juristischen Untätigkeit gibt es aber durchaus | |
| Fortschritte auf dem Weg zum Frieden – vieles ist offen. | |
| Welche Fortschritte sehen Sie auf dem Weg zur Befriedung Kolumbiens? | |
| Zum Beispiel werden ehemalige Farc-Guerilleros ins Parlament einziehen, was | |
| früher undenkbar gewesen wäre. Trotzdem habe ich große Angst. Im Mai stehen | |
| die Präsidentschaftswahlen an, und die gehen in Kolumbien in aller Regel | |
| mit Blutvergießen und massiver Korruption einher. | |
| Die extreme Rechte hat angekündigt, das Friedensabkommen bei einem Wahlsieg | |
| aufzukündigen. Hat sie eine Chance? | |
| Leider, sie haben eine breite soziale Basis und wollen das bisher Erreichte | |
| in Stücke schlagen. Viele in Kolumbien haben nicht begriffen, wie wichtig | |
| der Frieden für die Zukunft unseres Landes ist. Das ist eine Folge der | |
| fehlenden medialen Begleitung und Aufbereitung des Prozesses. Es kursieren | |
| viele Fehlinformationen, von denen die Rechte profitiert. | |
| Was kann die Kultur, das Theater zur Befriedung des Landes beitragen, um | |
| die Polarisierung innerhalb der Gesellschaft zu überwinden? | |
| Ein Frieden muss gelebt werden, erzählt und besungen. Doch zivile und | |
| kulturelle Friedensarbeit gibt es kaum, für eine Friedenspädagogik fehlen | |
| zumeist die Mittel. Kolumbien hat noch nie eine kohärente Kulturpolitik | |
| betrieben. Wir Künstler haben trotz magerer Ressourcen dennoch Besuche in | |
| den Farc-Camps organisiert. | |
| Wie setzen Sie in Ihrer künstlerischen Arbeit an? | |
| Wir wollen die in unserem Land omnipräsente Kultur des Krieges und der | |
| Gewalt in eine Kultur des Friedens und des Austausches transformieren. Auch | |
| die großen Medien müssen ihren Krieg der Worte endlich beenden. Schluss mit | |
| den Verdächtigungen und Vorurteilen. Die Vorstellungswelt vieler | |
| Kolumbianer*innen ist durch die jahrzehntelangen Kampagnen während des | |
| Bürgerkriegs nachhaltig gestört. | |
| Sie haben in einem demilitarisierten Lager der Farc-Rebellen mit den | |
| früheren Angehörigen der Guerilla ein Theaterstück entwickelt. Wie war das? | |
| Wunderbar, die ehemaligen Kämpfer lernen das Wort als Waffe zu nutzen. Das | |
| ist ein großer Fortschritt. Wir haben zusammen das Stück „Memoria“ | |
| (Erinnerung) entwickelt, das wir in Bogotá beim Festival „Frauen | |
| inszenieren für den Frieden“ aufgeführt haben. Die Protagonistinnen | |
| sprechen über ihre Hoffnungen und Träume in einem friedlichen Kolumbien. | |
| Wie hat denn das Publikum reagiert? | |
| Die Frauen haben in dieser Arbeit für die Bühne viel Persönliches | |
| preisgegeben. Viele Leute im Publikum waren berührt, es flossen Tränen und | |
| es wurde danach viel diskutiert. Es sind diese Geschichten, die erzählt | |
| werden müssen und die sich die Öffentlichkeit in Kolumbien anhören sollte. | |
| Wir würden gerne mehr machen, aber wir haben kaum finanzielle Ressourcen. | |
| Der Bedarf für ein populäres Volkstheater wäre jedenfalls sehr groß. | |
| Was kann Kunst den ehemaligen Rebellen geben? | |
| Sie kann dazu beitragen, sich und andere Dinge zu entdecken, neue und | |
| unterschiedliche Perspektiven zu reflektieren. | |
| Sie haben Theaterstücke mit Obdachlosen inszeniert und das Festival „Frauen | |
| inszenieren für den Frieden“ ins Leben gerufen. Worauf basiert Ihr | |
| Engagement? | |
| Ich verstehe mich als Feministin, Künstlerin und politische Aktivistin. Ich | |
| glaube an die transformierende Kraft von Kunst und Kultur | |
| Sprechen Sie dafür auch mit den politisch Verantwortlichen? | |
| Ja. Wir hatten ein Treffen mit Vizepräsident Óscar Adolfo Naranjo Trujillo | |
| und träumen davon, dass die Politik in eine Friedenskultur investiert. Wir | |
| sind im Austausch – auch mit den ehemals bewaffneten Akteuren und den | |
| internationalen Geberländern. Es ist wichtig, dass die jüngere Geschichte | |
| unseres Landes auch kulturell aufgearbeitet wird. | |
| 27 Feb 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Knut Henkel | |
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