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# taz.de -- Nach dem Bericht des Wehrbeauftragten: Der Kummerkasten läuft bald…
> Die Bundeswehr hat ein großes Problem, das nicht neu ist. Es gibt viele
> Beschwerden über Rassismus, Sexismus und Übergriffe.
Bild: Bei der Truppe muss man genau hinsehen
Berlin taz | Ein Oberleutnant spricht vor Kameraden zu einem Untergebenem
mit türkischem Migrationshintergrund: „Sie wissen ja, was ich von Ihnen und
Ihrer Arbeit halte, generell von den Türken, die wir hier haben. Die
sollten alle wieder zurück“, sagt er zu ihm.
Ein Hauptfeldwebel schickt kurz vor Silvester ein Bild von Adolf Hitler und
weiteren Nazis mit Hitlergruß in eine Whatsapp-Gruppe. „Guten Rutsch
Kameraden!“, schreibt er dazu.
„Eine Frau ist nichts wert“, sagt ein Hauptgefreiter auf dem
Truppenübungsplatz. Und dann: „Wenn ich Jude wäre, würde ich mich sofort
abstechen. Ich hasse Juden.“
Ein Obergefreiter kommt betrunken in die Stube eines Unteroffiziers und
begrüßt ihn mit den Worten: „Sieg Heil“.
Alle vier Fälle ereigneten sich im vergangenen Jahr in der Bundeswehr.
Gegen die Betroffenen verhängte die Armee zwar Disziplinarstrafen, aber
keiner von ihnen wurde wegen der Äußerungen rausgeschmissen. Das geht aus
dem [1][Wehrbericht des Wehrbeauftragten] Hans-Peter Bartels hervor, den
dieser am Dienstag veröffentlicht hat.
Der SPD-Politiker ist so etwas wie der Kummerkasten der Soldaten: Wenn sie
in der Armee etwas stört, können sie sich an ihn wenden, bestimmte auf dem
Dienstweg gemeldete Vorfälle landen auch automatisch bei ihm. Ausgewählte
Fälle greift der Wehrbeauftragte dann in seinem Bericht auf.
## „Gestiegene Sensibilisierung“
Für das vergangene Jahr spricht er von einem „Meldeboom von
rechtsextremistischen Verdachtsvorfällen über unangemessenes
Führungsverhalten bis zu sexueller Belästigung“. Bei Verstößen gegen die
sexuelle Selbstbestimmung stieg die Zahl der Verdachtsfälle zum Beispiel
von 179 im Jahr 2016 auf 305 im Jahr 2017. Im vergangenen Jahr meldete die
Bundeswehr laut Bartels zudem 167 Vorfälle mit „Verdacht auf Gefährdung des
demokratischen Rechtsstaats, unzulässige politische Betätigung oder
Volksverhetzung“.
Dabei seien, so heißt es im Jahresbericht, in 47 der bereits 81
abgeschlossenen Verdachtsfälle allerdings keine Dienstvergehen
festzustellen gewesen oder Soldaten als Täter zu ermitteln gewesen. Zum
Vergleich: Für das Jahr 2016 verzeichnete der Wehrbeauftragte 63 solcher
Ereignisse, wobei sich in sieben der im Berichtszeitraum abgeschlossenen
Fälle der Verdacht nicht bestätigte.
Hintergrund der gestiegenen Zahlen sind offenbar öffentlich diskutierte
Fälle aus dem vergangen Jahr: [2][der des rechtsextremen Soldaten Franco A.
zum Beispiel], der unter Terrorverdacht festgenommen wurde. Oder der von
Rekruten in Pfullendorf, die wegen entwürdigender Aufnahmerituale aus der
Armee geschmissen worden. Bartels zufolge haben die Debatten über die Fälle
zu einer „gestiegenen Sensibilisierung“ geführt.
Die Fälle, die ihm daraufhin gemeldet wurden, weisen zum Teil auf
übertriebene Härte in der Ausbildung hin. Der bereits bekannte Fall eines
Rekruten, [3][der in Munster nach einem übertrieben harten
Eingewöhnungsmarsch starb], ist nur das härteste Beispiel. An einem
Standort soll ein Ausbilder einen Rekruten mit den Worten angeschrien
haben: „Ich schieß dir gleich in dein Scheiß-Gesicht“. Ein anderer
Ausbilder soll beim Morgenappell gesagt haben, er würde am liebsten allen
anwesenden Rekruten „auf die Fresse hauen“ und sie Liegestützen „bis zum
Kotzen“ machen lassen.
Besonders schwer haben es in vielen Fällen offenbar Soldatinnen. So
schilderte eine Betroffene dem Wehrbeauftragten, ein Vorgesetzter habe zu
Kameraden über sie gesagt: „Sehen sie das hässliche Ding dahinten in der
Ecke? So was Hässliches fickt man nicht.“
Das Verteidigungsministerium fördert zwar die Akzeptanz von Frauen und
sexuellen Minderheiten in der Armee, wird dabei zum Teil aber aus der
Truppe heraus gebremst. So richtete das Ministerium im vergangenen Jahr
einen Workshop zum Thema „Sexuelle Orientierung und Identität in der
Bundeswehr“ aus. Einige Soldaten, die daran teilnehmen wollten, wurden von
ihren Vorgesetzten nicht freigestellt, sondern mussten dafür Urlaub nehmen.
## Rassismus ist keine Erwähnung wert
Bartels führt in seinem Bericht einige der Missstände auf Überlastung
zurück: Im Bereich der historisch-politischen Bildung in der Bundeswehr sei
zum Beispiel ein „schleichender Verfall“ zu erkennen. Es werde mit
Bildungsarbeit gegeizt, „weil die dafür vorgesehenen Zeiten anderweitig
vermeintlich sinnvoller genutzt werden können und das Personal für den
Unterricht gar nicht da ist oder anderweitig gebraucht wird.“
Oberste Priorität haben die Themen aber auch für den Wehrbeauftragten
selbst nicht. So gab es im letzten Jahresbericht noch einen eigenen
Unterpunkt mit der Überschrift „Extremismus, Antisemitismus und
Fremdenfeindlichkeit“. Daraus ist nun „Verletzung der
freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ geworden. Im neuen Bericht
tauchen die Begriffe Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit hingegen nicht
mehr auf, auch der Begriff Rassismus scheint dem Wehrbeauftragten keine
Erwähnung wert.
Bei seiner Präsentation des Jahresberichts vor der Bundespressekonferenz
erwähnte Bartels die signifikant höheren Zahlen nicht von sich aus. Erst
auf Nachfrage bezog er kurz dazu Stellung und verwies auf die gestiegene
Sensibilität. Er habe „keinen Anhaltspunkt“ dafür, dass die Bundeswehr
heute rechtsextremer sei.
Allerdings, so räumte Bartels ein, bleibe das ein Dauerthema, „weil
Extremismus in der Bundeswehr immer etwas ist, wo man hingucken muss“. Aber
dafür gebe es ja auch den MAD. „Wir haben mit der Sicherheitsüberprüfung
von Anfang an jetzt ein neues Instrument, das helfen kann, rechtsextreme
Bewerber gleich rauszufischen“, sagte Bartels. Dadurch habe der MAD zwar
mehr zu tun. „Aber dafür ist er auch da.“
21 Feb 2018
## LINKS
[1] /Zustand-der-Bundeswehr/!5483089
[2] /Anklage-gegen-Bundeswehrsoldaten/!5470349
[3] /Toter-Offiziersanwaerter-in-Munster/!5440159
## AUTOREN
Pascal Beucker
Tobias Schulze
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