# taz.de -- Pfarrer über Aus für katholische Schulen: „Die Schulen galten a… | |
> Die Schließung katholischer Schulen in Hamburg hat Bestürzung ausgelöst. | |
> Pfarrer Georg Bergner über Standortentscheidungen und das katholische | |
> Milieu. | |
Bild: Menschen vor dem Hamburger Mariendom: Leicht hat es die katholische Kirch… | |
taz: Ist das Bistum Hamburg jetzt zurück auf dem Weg zu den christlichen | |
Ursprüngen, weniger Geld, weniger Institutionen, Herr Bergner? | |
Georg Bergner: Es gibt durchaus Leute, die das in diese Richtung deuten. | |
Viele Jahrzehnte war es der Stolz der Kirche, viele Institutionen | |
aufzubauen und zu betreiben. Es kann sein, dass man nun im Sinne einer | |
neuen Bescheidenheit sagt: Wir müssen mit begrenzten Mitteln versuchen, das | |
Mögliche zu erreichen – was vielleicht bedeutet, dass wir uns viele große | |
und teure Institutionen so nicht mehr leisten können. | |
Heute scheinen katholische Schulen oft wenig mit einem katholischen Milieu | |
zu tun zu haben, sondern sind ein Bildungsangebot, das man als | |
Bildungsvorteil nutzt, vielleicht auch, weil man sich, gehässig gesprochen, | |
einen geringen Migrantenanteil verspricht. | |
Da würde ich differenzieren: Es gibt nach wie vor ein klassisches | |
katholisches Milieu, das Wert darauf legt, dass die Kinder eine Bildung in | |
katholischen Einrichtungen erfahren. Dieses Milieu hat sich in den letzten | |
Jahren stark verändert, es ist heute gerade auch migrantisch geprägt: | |
Katholiken, die ihre Wurzeln in Polen, Portugal, Kroatien, Ghana und | |
Nigeria haben. Gerade in ärmeren Stadtteilen wie Altona, Billstedt und | |
Wilhelmsburg ist der Anteil der Migranten in den katholischen Schulen sehr | |
hoch. | |
Und die andere Seite? | |
Die katholischen Schulen sind auch als Eliteeinrichtungen gesehen worden, | |
das trifft für die eine oder andere Schule vielleicht auch zu. Vielleicht | |
ist es auch ein bisschen schick, die Kinder auf Privatschulen zu schicken. | |
Ich glaube, dass ein Teil der Empörung über die Schulschließungen auch aus | |
diesem Milieu kommt. | |
Ein Vorwurf an das Erzbistum ist, dass gerade die Schulen in den ärmeren | |
Stadtteilen geschlossen werden, weil die Eltern aus den Elbvororten mehr | |
Geld für die Schulkasse mitbringen. | |
Das ist der Punkt, der mir bei den Schulschließungen sauer aufgestoßen ist. | |
Von den betroffenen acht Schulen sind fünf Stadtteilschulen. Es sieht also | |
so aus, als würde man sich von den Haupt- und Realschülern stärker | |
zurückziehen – und das ist eine Entwicklung, die ich sehr bedauern würde. | |
Mir kam der ketzerische Gedanke: Schließen wir Schulen nur unter | |
finanziellen Gesichtspunkten oder hätte es da nicht aus der | |
seelsorgerlichen und sozialen Perspektive eine andere Auswahl geben müssen. | |
Hätte es? | |
Konkret gesagt: Hätte man nicht, um Schulen an sozial schwierigeren | |
Standorten aufrechterhalten zu können, an anderen Stellen schließen müssen? | |
Man hätte sagen können: Um zu Beispiel die katholische Schule in Harburg zu | |
erhalten, machen wir die Einschnitte in der Stadtmitte, wo es eine relativ | |
hohe Dichte von Grundschulen gibt. Diese Anfrage habe ich auch. | |
Aber keine Antwort? | |
Die Antwort liegt zum Teil tatsächlich in den strukturellen Problemen. In | |
Altona etwa gibt es eine zweizügige Stadtteilschule, da können Sie schwer | |
eine gymnasiale Oberstufe einbauen, der Platz für notwendige Neubauten wie | |
Mensa und Freizeitmöglichkeiten ist zu knapp und die bestehende Struktur | |
ist ohnehin marode. In Barmbek ist es ähnlich. Von daher kann ich die | |
Infragestellung eines solchen Standorts nachvollziehen – aber sie schmerzt | |
mich schon. | |
Es heißt, dass man über die Schulen die Kinder für die Seelsorgearbeit | |
erreicht. Sie haben lange in der Jugendseelsorge gearbeitet – ist Ihre | |
Erfahrung, dass man eine Schule dazu braucht? | |
Das war immer ein spannungsreiches Verhältnis. Ich habe mich als | |
Jugendseelsorger um Kontakte zu den katholischen Schulen bemüht – aber | |
Schule ist da erst einmal Schule. Sie legt den Fokus auf eine gute | |
Ausbildung und eine gute gesamtmenschliche Prägung. Die Möglichkeiten für | |
die klassische Jugendseelsorge waren begrenzt. Ich habe mich hauptsächlich | |
um den Bereich der katholischen Verbände, der Jugendgruppen und Messdiener | |
gekümmert. Die Schulen selbst wehren sich teilweise gegen die Vorstellung, | |
sie seien das Reservoir, aus dem man für die katholische Jugendarbeit | |
schöpfen kann. | |
Es gibt Stimmen, die sagen, dass diese Prägung genauso gut eine staatliche | |
Schule übernehmen kann. | |
Ich halte es für sinnvoll, dass es innerhalb der Bildungslandschaft auch | |
Auswahl gibt. Ich glaube, dass viele Eltern ein solches Angebot suchen, | |
weil sie eine hohe schulische Qualität und darüber hinaus eine religiöse | |
Grundbildung wollen. | |
Woher kommt dieser große Zorn angesichts der Schließungen – ist das der | |
gleiche, der losbricht, wenn die Bahn nicht den versprochenen Service | |
liefert? | |
Ich glaube, dass die Bestürzung daher kommt, dass man bislang im Schulwesen | |
sehr wenig Einschnitte gemacht hat. Die Schulen galten als sakrosankt, man | |
hat sogar neue aufgebaut. Plötzlich wagt man sich an die Schulen heran und | |
das ist eine große Kränkung – abgesehen von den Umständen, die | |
möglicherweise auch dafür verantwortlich sind, dass die Reaktionen so | |
heftig sind. | |
Welche Umstände meinen Sie? | |
Die Frage, ob man es so entscheiden musste, ob die Entscheidung richtig | |
durchgespielt wurde, ob die Kommunikation richtig gelaufen ist. | |
Ist diese Kränkung eine der Katholiken selbst oder derjenigen, die die | |
Schule als Dienstleistung nutzen? | |
Das kann ich schwer für die Allgemeinheit beantworten. Mein Eindruck ist, | |
dass diejenigen, die aus dem klassischen katholischen Milieu kommen, sehr | |
mit „ihren“ Schulen verbunden sind. Die Schulen gehören zu ihrer | |
katholischen Heimat. Diejenigen, die es eher als Dienstleistung begreifen, | |
sagen sich: Wir sind ja Mitglieder der Kirche, wir zahlen Kirchensteuer und | |
das ist ein Punkt, an dem wir konkret etwas von der Kirche haben. Insofern | |
wäre ich vorsichtig, dass einfach so zu verurteilen. Bei den Schulen | |
herrscht der Eindruck, dass die Einrichtungen gut funktionieren und die | |
Nachfrage da ist, während bei den Kirchenschließungen das Bröckeln | |
sichtbarer ist. | |
Ist es bei den Schulen auch die Symbolik, die für Emotionen sorgt – gerade | |
in der Arbeit mit den Jungen zu scheitern? | |
Wir haben seit 1995 eine große Sparwelle in den Gemeinden, es kam zu | |
Kirchen- und zu Standortschließungen. Da haben Sie intern einen ähnlichen | |
Protest, aber er äußert sich nicht so lautstark, weil er in der | |
gesellschaftlichen Wahrnehmung als nicht so relevant angesehen wird. | |
2 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
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