# taz.de -- Aus heiterem Himmel: Kirchliche Schule feuert Schülerin | |
> Die evangelische Bugenhagenschule in Blankenese kündigt einer Schülerin | |
> ohne Begründung. Die Schulbehörde ist gegen solch ein Gebaren von | |
> Privatschulen machtlos. | |
Bild: Hätte sich eine Schule als Marktteilnehmer nicht träumen lassen: Namens… | |
HAMBURG taz | Kurz vor den Sommerferien bekamen die 15-jährige Charlotte G. | |
und ihre Mutter Tatjana den blauen Brief. Ohne Angaben von Gründen kündigte | |
der Schulleiter der Blankeneser Bugenhagenschule, Hayo Janssen, darin den | |
laufenden Schulvertrag für das schulpflichtige Mädchen zum August. Für die | |
alleinerziehende Mutter und ihre Tochter war das ein Schock. Auch auf | |
Nachfrage habe der Schulleiter ihnen keine Gründe für den Rauswurf | |
erläutert, sagen die beiden. | |
Tatjana G. vermutet nun eine Retourkutsche des Schulleiters: Charlotte war | |
daran interessiert, zur Stadtteilschule Blankenese zu wechseln, da diese, | |
anders als die Bugenhagenschule, Profile anbietet, die Charlottes | |
Fähigkeiten und Neigungen genau entsprechen. Klar war aber auch: Sollte der | |
angedachte Schulwechsel nicht klappen, wollte Charlotte weiter auf der | |
Bugenhagenschule im Hessepark bleiben, wo sie sich heimisch fühlt. | |
Alle Bemühungen von Tatjana G. und ihrer Tochter, den kurzfristigen | |
Rausschmiss zu verhindern, liefen ins Leere. Ein von der Mutter erbetenes | |
Gespräch mit dem Träger der Schule, der Evangelischen Stiftung Alsterdorf, | |
kam bis heute nicht zustande. Auch ein von ihr eingelegter Widerspruch | |
gegen die Kündigung blieb bislang unbeantwortet. | |
Er hätte auch kaum Aussicht auf Erfolg. Denn der Rausschmiss von Charlotte | |
G., einer guten Schülerin mit Oberstufenperspektive, dürfte rechtmäßig | |
sein. Privatverträge zwischen der Schule und deren SchülerInnen oder deren | |
Erziehungsberechtigten regeln Rechte und Pflichten beider Seiten. | |
## Schulträger verweigert Gespräch | |
Auch die Kündigungsmodalitäten sind frei vereinbar, solange sie nicht | |
sittenwidrig sind. Und die sehen im Standard-Schulvertrag der | |
Bugenhagenschule für beide Vertragsparteien die Möglichkeit vor, mit sechs | |
Wochen Frist zum Monatsende ohne Angabe von Gründen zu kündigen. | |
„Wir kennen diese Verträge nicht und haben auch keinen Einfluss auf deren | |
Ausgestaltung“, sagt der Sprecher der Schulbehörde, Peter Albrecht: „Da | |
sind wir außen vor.“ Auch die Privatschulaufsicht der Behörde kenne die | |
entsprechenden Vereinbarungen nicht. „Solche Kündigungen gibt es immer mal | |
wieder. Dass sie ohne Begründung ausgesprochen werden, ist allerdings sehr | |
ungewöhnlich.“ | |
Was Albrecht nicht sagt: Oft schaffen sich Privatschulen | |
Problemschülerinnen per Kündigung vom Hals – das staatliche Schulsystem | |
muss die schulpflichtigen Kinder dann aufnehmen. | |
Bei staatlichen Schulen löst jeder Schulwechsel gegen den Elternwillen eine | |
Flut pädagogischer Konferenzen aus – stets wird nach milderen Lösungen | |
gesucht, wenn ein Kind etwa in der Klassengemeinschaft nicht zurechtkommt. | |
An der Bugenhagenschule dagegen wurden offenbar nicht einmal Charlotte G.s | |
LehrerInnen von der Kündigung in Kenntnis gesetzt. Sie fielen aus allen | |
Wolken, als Tatjana G. sie informierte, dass ihre Tochter die Schule | |
verlassen muss. Demnach hat Schulleiter Janssen die Kündigung im Alleingang | |
ausgesprochen. | |
Ein Vorfall, der im staatlichen Schulsystem undenkbar wäre. „Wir haben als | |
Behörde eine andere Auffassung über die Verantwortung einer Schule | |
gegenüber den Schülerinnen und Schülern“, kanzelt Albrecht die | |
Bugenhagenschule ab. Denn jeder Zwangs-Eingriff in die Schullaufbahn kann | |
für das betroffene Kind schwerwiegende Konsequenzen haben. | |
Auf taz-Anfrage mag Schulleiter Janssen sich über die Kündigungsgründe und | |
den konkreten Fall „zum Schutz der beteiligten Personen“ nicht auslassen. | |
Statt über Pädagogik zu sprechen, schwadroniert der Schulleiter über den | |
„Markt“, dem sich die Schule stellen müsse. Hier kämen kurze | |
Kündigungsfristen ja auch auf Seiten vieler Eltern gut an. | |
## Die ganzen Sommerferien ohne Schulplatz | |
Das betont auch Katja Tobias, Sprecherin der Stiftung Alsterdorf. Die | |
kurzen Kündigungsfristen kämen „vor allem den Eltern entgegen“ die „sch… | |
reagieren können, sollte die individuelle Lebenssituation dieses | |
Erfordern“. | |
Für die Lebenssituation von Charlotte G. und ihre Mutter aber hat der | |
Rausschmiss negative Konsequenzen. Die gesamten Sommerferien wussten beide | |
nicht, in welche Schule Charlotte in Zukunft gehen soll. Erst einen Tag vor | |
Ferienende, Mittwoch vor neun Tagen, erhielt Tatjana G. einen Brief von der | |
Schulbehörde, dass ihre Tochter einen Schulplatz in Osdorf zugewiesen | |
bekommen hat. | |
Der Antrag, auf die wohnortnähere Stadtteilschule Blankenese zu wechseln, | |
wo bereits Charlottes Bruder zur Schule geht, und die für das Mädchen | |
passende Schwerpunkt-Profile anbietet, wurde abgelehnt. Die Schule verfüge | |
derzeit nicht über freie Plätze, so die Begründung. | |
25 Aug 2018 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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