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# taz.de -- Katholisches Altenheim in Hannover: Pfleger sprechen von Betrug
> In Hannover soll ein katholisches Altenheim geschlossen werden, obwohl
> die Pfleger jahrelang auf Lohnerhöhungen verzichteten, um es zu retten.
Bild: Dem katholischen Altenheim droht die Schließung.
Hannover taz | Die Mitarbeiter des katholischen Pflegeheims Marienhaus in
Hannover fühlen sich betrogen – „um Geld im Wert eines Kleinwagens“, sagt
eine Altenpflegerin der taz, die anonym bleiben möchte. Die insgesamt 38
Mitarbeiter hatten 2009 zugestimmt, dass sie keine Lohnerhöhungen mehr
bekommen und ab 2013 für drei Jahre auch auf Weihnachts- und Urlaubsgeld
verzichten.
Pro voller Stelle seien das 15.000 Euro. Der Betreiber Vinzenz-Verbund
Hildesheim habe zugesichert, das gesparte Geld in die Zukunft des
Pflegeheims zu investieren, sagt die Mitarbeiterin. Doch stattdessen hat
der Vinzenz-Verbund nun vor, das Altenheim Ende September zu schließen.
„Die haben jetzt für nichts auf viel Geld verzichtet“, kritisiert der
Gewerkschaftssekretär Thilo Jahn von Ver.di. Er unterstützt die Forderung
der Altenpfleger, die einbehaltenen Entgelte zurückzubekommen.
## Seit Jahren in der Kreide
In einer Mitteilung des Betreibers vom Januar heißt es, das Haus schreibe
„seit Jahren rote Zahlen“. Zwar habe man durch die Tarifabsenkungen Zeit
gewonnen, aber ein „langfristig kostendeckender Betrieb“ sei nicht möglich.
Grund sei „der hohe Sanierungsbedarf der mehr als hundert Jahre alten
Immobilie“.
Das Haus im schicken Zooviertel von Hannover wurde bereits 1911 von der
Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul in
Hildesheim erbaut, zu dem heute der Vinzenz-Verbund gehört. Seit 1948 ist
es ein Altenheim.
„Wir geben unsere Einrichtung nicht leichtfertig auf“, sagt die
Generaloberin der Vinzentinerinnen, Schwester M. Teresa Slaby. Über die
Vorwürfe sei sie erschrocken. In den kommenden Jahren seien Investitionen
in zweistelliger Millionenhöhe nötig, um den Anforderungen an ein modernes
Altenheim gerecht zu werden. „Das ist aus den Erlösen des
Altenpflegebetriebs nicht refinanzierbar“, sagt Slaby. Und um die
Lohnkürzungen zurückzuerstatten, fehlten „die finanziellen Mittel“.
## Saniert wurde nichts
Die langjährige Mitarbeiterin des Heims ärgert das Sanierungs-Argument.
Über Jahre habe es keinerlei Bauarbeiten am oder im Haus gegeben. „Und
jetzt wollen sie uns weismachen, der Sanierungsstau sei nicht mehr zu
beheben.“
Ein weiterer Kritikpunkt der Belegschaft ist der Zeitpunkt der Kündigungen.
Die Vereinbarung, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der
Arbeitsrechtlichen Kommission (siehe Kasten) getroffen hatten, beinhaltete
außer dem Lohnverzicht auch einen Kündigungsschutz, der allerdings zum 31.
Dezember 2016 auslief. „Nur elf Tage später wurde die Mitarbeitervertretung
über die bevorstehenden Kündigungen informiert“, sagt die Altenpflegerin.
Gewerkschaftssekretär Jahn kritisiert zudem die niedrig angesetzten
Abfindungen. „Der Vinzenz-Verbund bietet nur ein Minimum“, sagt er. Als
Richtwert stehe im Kündigungsschutzgesetz, dass Arbeitnehmern ein halber
Monatslohn für jedes Jahr zustehe, das sie im Betrieb gearbeitet haben. Die
Altenpfleger sollten aber nur 20 Prozent des Lohns bekommen, sagt Jahn. Der
Ordensverband der Vinzentinerinnen äußert sich hierzu aufgrund laufender
Sozialplanverhandlungen nicht.
## Arbeitsbedingungen waren gut
Laut Jahn sei es für viele der Angestellten schwierig, einen Job mit
ähnlichen Bedingungen zu finden. Denn im Gegensatz zu vielen privaten
Betreibern habe der kirchliche Träger die Mitarbeiter nach Tarif bezahlt.
Die guten Arbeitsbedingungen seien auch der Grund gewesen, warum sich die
Altenpfleger auf die Gehaltskürzungen eingelassen hätten, sagt die
Mitarbeiterin. „Wir werden wohl alle neue Jobs finden“, sagt sie. Der
Fachkräftemangel in der Pflegebranche ist groß. „Die Frage ist nur, unter
welchen Bedingungen.“ Sie geht von Lohnunterschieden von bis zu 1.000 Euro
aus.
Mit einer Unterschriftensammlung protestieren auch 120 Mitglieder der
katholische St. Heinrich-Gemeinde, deren Kirche gegenüber des Heims steht,
gegen die Schließung. Für die dementen oder bettlägerigen Bewohner sei ein
Umzug nicht zumutbar, kritisiert Initiator Frank Janke.
25 Apr 2017
## AUTOREN
Andrea Scharpen
## TAGS
Altenpflege
Arbeitsrecht
Katholische Kirche
Hannover
Katholische Kirche
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