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# taz.de -- Postpunkrebell Mark E. Smith gestorben: Bingo mit der Psycho-Mafia
> Mark E. Smith, Sänger der britischen Postpunkband „The Fall“, starb mit
> 60 Jahren am Mittwoch in Manchester. Nachruf auf eine Legende.
Bild: Mark E. Smith: Man nannte ihn „Englands einzigen Jazzmusiker“ (Archiv…
„Kommt, und hört meine Geschichte“, sprechsingt eine Stimme, brüchig scho…
aber mit Nachdruck durch die Höhen und Tiefen gehend. Dieser prägnante,
fast endlos palavernde Vortragsstil zeichnete Mark E. Smith seit jeher aus.
Dazu kratzt eine halbakustische Rockabilly-Gitarre aus dem Raum nebenan.
Nach drei Minuten verstummt der Gesang, die Gitarre klirrt fünf Minuten
weiter dasselbe Motiv, als wolle sie Widerhaken um Widerhaken werfen. Das
gelingt ihr auch. „Nine out of Ten“ heißt der Song, er beschließt „New
Facts Emerge“, das 32. Studioalbum der britischen Postpunkband „The Fall“.
Als es Ende Juli vergangenen Jahres erschien, befürchteten einige, der Song
sei ein Schwanengesang. Er ist es geworden. [1][Mark. E Smith], Sänger,
Texter, gelegentlicher Multiinstrumentalist und über vier Jahrzehnte
Rädelsführer bei „The Fall“, ist am Mittwochabend gestorben. Er wurde 60
Jahre alt.
Das Leben von Mark E. Smith beginnt 1957 in einer Arbeiterklassenfamilie im
nordenglischen Salford. Der älteste Bruder von drei Schwestern verließ das
Elternhaus mit 16 Jahren und zog mit seiner Freundin Una Baines zusammen.
Er besuchte einen Literaturkurs. Sein erster Job führte ihn in eine
Fleischfabrik, danach arbeitete er in den Docks von Manchester. [2][„The
Fall“], benannt nach dem gleichnamigen Roman von Albert Camus, gründete er
1976 mit Una Baines und den Freunden Martin Bramah und Tony Friel.
## Ein Song für Margaret Thatcher
Im selben Jahr gaben die „Sex Pistols“ ein bis heute mythenumranktes
Konzert in Manchester. Mark E. Smith ging hin und zu Punk früh auf Abstand.
Er befand: „Das können wir besser. Uns fehlt nur noch der Drummer.“ Der
wurde gefunden in Steve Omrod, einem Versicherungsvertreter, der nur für
ein Konzert blieb und 1994 aus dem Leben gehen würde. Omrod hatte einen
Song für Margaret Thatcher komponiert, ein schlechtes Entree für eine Band,
die sich in ihren Anfangstagen als dezidiert links verstand.
Mark E. Smith machte da keine Ausnahme, doch hielt er von Political
Correctness wenig und entwickelte sich zu einer Art konservativem
Anarchisten. An dieser Stelle muss gefragt werden: Begann [3][Mark E.
Smiths Leben] wirklich erst 1957? Als literarische Einflüsse nannte er
Edgar Allen Poe, Raymond Chandler und den Horrorpaten H. P. Lovecraft, den
er 2007 für eine BBC-Weihnachtsgeschichte einlas. Damit das klar ist: Der
Fußballfan Smith las bei anderer Gelegenheit auch die Spielergebnisse im
britischen Fernsehen vor.
Die Debüt-Single von „The Fall“ erschien 1978 auf Step-Forward Records.
„Bingo-Masters Break Out“ heißt sie, und eigentlich ist da schon alles
drauf, was „The Fall“ ausmacht: Klar klingen die drei Songs der Single
irgendwie nach Punk, speziell der Auftakt „Psycho Mafia“. Aber es ist eben
ein Irgendwie. Das Schlagzeug, hinter ihm hatte Karl Burns Platz genommen,
zieht schon nach vorne, an anderer Stelle jedoch gerät es minimalistisch
oder majestätisch. Dann ist da Una Baines’ Keyboard. Prog-Punk wäre der
passendere Begriff.
Die Wutmusik von „The Fall“ speiste sich aus etlichen Quellen: Früher Rock
’n’ Roll, gerne obskur. Krautrock, Can im speziellen. Ihrem Sänger Damo
Suzuki schrieb Smith eine Hommage: „I am Damo Suzuki“, sie zitiert
nonchalant Cans „Oh Yeah“. Veröffentlicht 1985 auf „This Nation’s Savi…
Grace“, mit Steve Hanley (Bass), Craig Scanlon (Gitarre), Simon Rogers
(Keyboards) gilt als es eines der besten Alben von „The Fall“.
## Man nannte Mark E. Smith „Englands einzigen Jazzmusiker“
Allein die Cover-Versionen, die die Band eingespielt hat, wären ein Kapitel
für sich: Man findet „Deep Purple“ und die „Stooges“, die „Monks“ …
„Captain Beefheart“. In den Neunzigern kam als deutlich hörbarer Einfluss
elektronische Musik hinzu, auf so grandiosen Alben wie „Shift-Work“ (1991)
und „Levitate“ (1997). Der Filmemacher Dietmar Post hat es schön
formuliert, als er von Mark E. Smith als „Englands einzigen Jazzmusiker“
sprach.
Mark E. Smith war mehrmals verheiratet: Von 1983 bis 1989 mit Brix Smith,
einer Gitarristin und Sängerin aus Chicago. Sie brachte Glamour und Pop in
die Nebelwelt von „The Fall“. 2001 heiratete Smith Elena Poulou, Berlinerin
mit griechischen Wurzeln. Die Keyboarderin und Sängerin brachte Stabilität
ins „Fall“-Chaos. Die von 2008 bis 2015 erschienenen Alben wurden in
konstanter Besetzung eingespielt. Dem Grantler Mark E. Smith wurde nicht
von ungefähr ein hoher Musikerverschleiß nachgesagt.
Die Todesnachricht zu überbringen, oblag Pamela Vander, Managerin bei „The
Fall“ und Smith’ letzte Freundin. Mark E. Smith war einer, der in jungen
Jahren von sich behauptete, es sei ihm physisch unmöglich, ein Liebeslied
zu schreiben. Er hat es dann doch getan. Er war einer, der jenseits der
Bühne großen Wert auf sein Privates legte. Ja, er hat, wie jetzt gesagt
werden wird, wenig ausgelassen. Den Pokal für die Stillosigkeit des Tages
erhält der deutsche Rolling Stone für: „Mark E. Smith ist tot. Die
Todesursache muss noch bekannt gegeben werden.“ Nein, das muss sie nicht.
25 Jan 2018
## LINKS
[1] https://youtu.be/InXwZc4RS7M
[2] https://youtu.be/rH1KhxKh1YA
[3] https://youtu.be/cDwEkrSFsHc
## AUTOREN
Robert Mießner
## TAGS
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