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# taz.de -- Neues Album von Belle and Sebastian: Musik für unbeständiges Wett…
> Niedlich, keinesfalls harmlos: Die Band Belle and Sebastian trotzt den
> Härten des Lebens auf „How to Solve Our Human Problems“ mit Eleganz.
Bild: Belle and Sebastian auf dem Cover ihres neuen Albums
Wenn im späten Winter bereits an den kommenden Herbst gedacht wird, könnte
zur Begleitung eine perlende Folkgitarre erklingen, zu der sich ein
dezent-jazziges Schlagzeug gesellt, markant nur der Kantenschlag auf die
Snaredrum. Eine helle Frauenstimme würde vom Vogelzug berichten, dem
Flügelschlag der Wärme hinterher. Dann würde sie die Perspektive wechseln
und singen: Zuhause ist, wo du mich findest. Du musst dich nur auf den Weg
machen. Das sagt sie nicht, doch schwingt diese Zeile zwischen Tamburin und
Flöte mit.
Zwischen Wehmut und Ermutigung pendelt jener Song namens „Fickle Season“,
also keine Ode an den Herbst, sondern an die unbeständige Jahreszeit.
Gesungen wird er von der Geigerin Sarah Martin auf dem neuen Album ihrer
Band Belle & Sebastian, das auf den etwas hippiesken Titel „How to Solve
Our Human Problems“ hört. Einer Schrift des buddhistischen Gelehrten
Kelsang Gyatso entnommen, deutet dieser Titel bereits an, dass auf dem
neuen Album der Band aus Glasgow nicht alles Weltschmerz und Naturseligkeit
ist. Das war es auch noch nie.
Belle & Sebastian, 1996 von dem Sänger, Gitarristen und Keyboarder Stuart
Murdoch ins Leben gerufen, wurde von weniger wohlmeinenden Zeitgenossen
zwar der belesenen Leisetreterei bescheinigt. Sie dürften den frühen
Folkpop von Alben wie „If You’re Feeling Sinister“ und „Tigermilk“ in…
Ohren gehabt haben. Dabei veröffentlichten Belle & Sebastian vor acht
Jahren, damals noch mit Isobel Campbell, das Album „Fold Your Hands Child,
You Walk Like A Peasant“ und ließen es mit „I Fought in a War“ beginnen.
Der Krieg diente ihnen dabei nicht als Metapher; der Song geriet gerade in
seiner Sanftheit zu einem der bedrückendsten und aufwühlendsten zum Thema.
## Glasgow goes to Hollywood
In der Folgezeit kooperierten Belle & Sebastian auf dem Album „Dear
Catastrophe Waitress“ (2003) mit dem Produzenten Trevor Horn. Dadurch
wurden sie noch poppiger im affirmativen Sinne, tanzfreundlicher gar.
Freilich ist Trevor Horn einer, der in den Achtzigern Stars wie Frankie
Goes to Hollywood produzierte: Seine Version von Popmusik gibt ihren Kopf
nicht an der Garderobe ab.
Stuart Murdoch hält ihn sich eher, wenn er in „We Were Beautiful“, einem
der neuen Belle-&-Sebastian-Stücke, ein sandgestrahltes und aufgewertetes
Stadtviertel skizziert. Der Song, musikalisch ganz schmissiger Breakbeat
mit countryesken Gitarrenlicks und Trompete, hält im besten Sinne nicht,
was er verspricht: Alles hängt am seidenen Faden, die Nervosität ist gerade
noch verhalten. In „Cornflakes“, einem der Songs des neuen Albums, hat sie
etwas Unheimlich-Unterkühltes, das an die besten Momente der Pet Shop Boys
erinnert.
„How to Solve Our Human Problems“ ist die Gesamtausgabe einer im vorigen
Dezember begonnenen EP-Trilogie. Belle & Sebastian haben erstaunlicherweise
nur drei der Songs gespielt, als sie am Sonnabend im ausverkauften
Admiralspalast an der Berliner Friedrichstraße auftraten. Dafür durfte das
Publikum auf die Bühne zwischen den Songs alte Archivfotos aus West- und
Ostberlin auf der Bühnenprojektion sehen: die Schöneberger
Monumentenbrücke und die Hochhäuser der Leipziger Straße in Berlin. Murdoch
meinte, er fühle sich bei diesem Ambiente an Glasgow erinnert.
## Das Etikett Twee-Pop
Belle & Sebastian wird gerne das Etikett Twee-Pop angepappt. Es meint
deutlich mehr als bloßes Zwitschern. Ein Adjektiv, das oft in ihrem
Zusammenhang genannt wird, ist „niedlich“. Ein Wort, für das es eine
Sondererlaubnis geben sollte. Niedlich nämlich bedeutet nicht harmlos. In
den Neunzigern zeichnete der Künstler Felix Reidenbach im Magazin Spex eine
Comicserie und nannte sie – konsequent kleingeschrieben – die niedlichen.
In einer Winterfolge ließ er zwei Häschen auf einen schmelzenden Schneemann
treffen und das übellaunigere Langohr meinen: „Es ist widerlich, dass am
Ende eine zunehmend deformierte Gestalt quälend langsam dafür herhalten
muss, dass ein ebenso pseudofröhlicher Frühling den bitterkalten Winter
ablöst, über den man sich gerade noch verharmlosend lustig gemacht hat.“
Besser schon den Herbst, der im nordamerikanischen Englisch the fall heißt,
ins Auge fassen. In einem Song auf dem oben erwähnten Album „Fold Your
Hands Child, You Walk Like a Peasant“ heißt es: „Nice day for a jam / The
Fall, Manfred Mann“. Belle & Sebastian besingen da den Charme eines
endlosen Sommers. Wer möchte nicht der Idylle trauen; wer führt nicht
vorsichtshalber die Hand ans Herz?
20 Feb 2018
## AUTOREN
Robert Mießner
## TAGS
Glasgow
Schwerpunkt Brexit
Popmusik
New Wave
Pop
Post-Punk
Glamrock
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