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# taz.de -- Umstrittene Kika-Dokumentation: Sinnliche Aufklärung
> Eine Dokumentation im Kinderkanal sorgt für Empörung unter Rechten. Es
> muss ein Horror sein, denn es geht um die Liebe.
Bild: Malvina und Diaa
Manchmal ist es gut, nicht so viel zu lesen und nicht so viel zu meinen.
Manchmal sollte man sich vielleicht zurücklehnen und sich 24 Minuten und 9
Sekunden Zeit nehmen, um zuzuschauen und nachzudenken, zum Beispiel
darüber, was die besondere Geschichte ist von Malvina und Diaa und was sie
einem sagt. In einer Zeit von Erregung und Schnelllebigkeit ist dieses
Zurücklehnen, dieses Wahrnehmen vielleicht schon die besondere
Herausforderung.
Malvina und Diaa lieben sich. Malvina stammt aus Deutschland und Diaa
stammt aus Aleppo in Syrien. Der Kinderkanal KIKA hat die beiden Menschen
begleitet und bereits im November 2017 eine Dokumentation über sie
ausgestrahlt, eine einfühlsame Dokumentation über die Liebe.
Sie zeigt, wie zwei junge Menschen sich annähern, sich selbst und sich
gegenseitig suchen und finden und vor allem zeigt sie, dass dies in einer
Welt geschieht, die im Wandel ist. Diaa möchte nicht, dass Malvina kurze
Röcke trägt und dass sie andere Männer umarmt und sie, Malvina, möchte kein
Kopftuch tragen. Diaa möchte schnell heiraten. Malvina sagt: „Aber daraus
wird nichts.“ Malvina sagt: „Die Gefühle, die ich für ihn habe, sind
unbeschreiblich. Ich glaube, dass der Duden dafür keine Worte hat.“
Wenn Diaa spricht, lacht er und seine Augen funkeln.
Wenn Malvina spricht, lacht sie und ihre Augen funkeln.
Wenn beide miteinander sprechen, reden sie darüber, was sie sich zumuten
und von einander erwarten können, so unterschiedlich, wie sie sind.
Nun sind sie zu einem Politikum geworden, über das die Bild berichtet und
die halbe Welt, und außerdem die „Identitäre Bewegung“, denn ein
AfD-Abgeordneter, dessen Name nichts zur Sache tut, hat sie entdeckt und er
zieht eine Linie von dem jungen Paar, das sich liebt, zu dem Mord von
Kandel, wo ein Jugendlicher seine jugendliche Partnerin erstochen hat, und
sie war deutsche und er nicht.
Es gibt Dinge, die lassen sich lesen wie die Bestätigung von allem. So ist
es auch mit einer Begebenheit, die der Kinderkanal KIKA schlecht oder
jedenfalls missverständlich gelöst hat. Es geht um die banale Frage, wie
alt Malvina und Diaa sind. Denn nach dem Vorfall von Kandel war es ja so,
dass wiederum AfD-Politiker die Frage stellten, ob der Jugendliche
überhaupt ein Jugendlicher war und nicht schon erwachsen und dass die CSU
vorschlug, jugendliche Asylbewerber künftig auf ihr Alter hin zu röntgen,
ehe die Ermittlungsbehörden in Kandel mitteilten, dass der Täter von Kandel
ein Jugendlicher war.
Der Kinderkanal hat also nun ein Problem und zwar weil er auf seiner
Webseite das Alter des jungen Syrers Diaa zunächst mit 17 angab, was sein
Alter war, als er Malvina kennenlernte und nicht mit 19, was sein Alter
war, als der Film entstand, und zu allem Überfluss ist Diaa nun schon
wieder ein Jahr älter, also 20, und auf der Webseite steht nunmehr, er sei
19, was ja sein Alter war, als der Film entstand. Es ist dies nun das
Material für eine ideologische Schlacht, der es erneut an nichts mangelt,
denn ist nicht all das einmal der Beweis für all die Lügenpresse, all die
verzerrten Fakten des Staatsfernsehens und für die Indoktrination von
Kindern?
Es ist möglich, über all das wild zu streiten. Aber was sich wirklich
lohnt, ist, sich zurückzulehnen und aus einem liebevollen, großartigen Film
etwas zu lernen, der vieles erzählt über die Gegenwart und darüber, wie das
Private wieder Politisch wurde. Das ist, was wir tun sollten.
10 Jan 2018
## AUTOREN
Martin Kaul
## TAGS
Kika
Kandel
Schwerpunkt AfD
Dokumentation
Tradition
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Flucht
CDU/CSU
Fluchtursachen
Flüchtlinge
Öffentlich-Rechtliche
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