# taz.de -- Kika-Serie über Flucht und Integration: Asylrecht für Knirpse | |
> „Dschermeni“ erklärt Kindern Fluchtursachen und die geltende Rechtslage. | |
> Wie in der Realität gibt es nicht für alle ein Happy End. | |
Bild: Rüyet, Moritz, Yassir und Aminata – die Protagonisten der Serie „Dsc… | |
Kann man Kindern auf unterhaltsame Weise von den Themen Flucht, Asyl und | |
Integration erzählen? Der Kika, der öffentlich-rechtliche Kinderkanal von | |
ARD und ZDF, unternimmt diesen Versuch mit der sechsteiligen Miniserie | |
„Dschermeni“. Das Drehbuch schrieb Andreas Steinhöfel, dessen Kinder- und | |
Jugendbücher moderne Klassiker sind. Von dem 55-Jährigen stammen zum | |
Beispiel die „Rico, Oskar und …“-Trilogie sowie der erfolgreiche | |
Coming-of-Age-Roman „Die Mitte der Welt“. | |
In seinen Werken beweist Steinhöfel oft ein Herz für Außenseiter. Er ist | |
ein progressiver Kopf, der sich die Welt nicht schönschreibt. Ein Autor, | |
der seinen jungen Lesern etwas zumutet, auch mal Grausamkeiten schildert | |
oder eine derbe Sprache wählt. In „Dschermeni“, das sich an Kinder ab acht | |
Jahren richtet, findet sich diese Haltung wieder. Beim Schreiben des | |
Drehbuchs wurde Steinhöfel von seinem Autorenkollegen Klaus Döring | |
unterstützt, Regie führte Irina Popow („Schloss Einstein“). | |
Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive des zehnjährigen Berliner | |
Mittelschichtjungen Moritz (Michael Sommerer), der von seinen Eltern | |
vernachlässigt wird. Befreundet ist er mit der selbstbewussten Rüyet (Sura | |
Demir), deren Großeltern einst aus der Türkei nach Deutschland kamen. Der | |
Dritte im Bunde ist der zwölfjährige Syrer Yassir (Julius Göze), der mit | |
seinem Vater und seinem Bruder in einem Flüchtlingsheim lebt und sich in | |
Deutschland nicht wohl fühlt. Er hat sich in Aminata (Jodyna Basombo) aus | |
Mali verguckt, die er aus dem Heim kennt. Ihre Mutter ist auf der Flucht | |
ertrunken, gemeinsam mit ihrem Bruder und ihrem Vater ist Aminata von | |
Abschiebung bedroht. | |
Die vier Kinder werden unzertrennlich, treffen sich täglich in einem | |
kleinen Schuppen an einem See, erzählen sich von ihren Sorgen oder albern | |
einfach nur herum. Irgendwann vermuten sie, dass die älteren Brüder von | |
Aminata und Yassir durch unerlaubte Tätigkeiten Geld verdienen und dadurch | |
leichtfertig die Zukunft beider Familien aufs Spiel setzen. Mutig gehen sie | |
der Sache nach. | |
## Bruch mit Genre-Erwartungen | |
„Das große Thema der Serie ist: Was bewegt Menschen dazu, alles hinter sich | |
zu lassen, das sie gern haben?“, sagt Andreas Steinhöfel. „Für das Drehbu… | |
war mir wichtig, dass wir trotz einer durchaus humanistischen Botschaft | |
ohne aufdringliche Didaktik auskommen und kein ödes, pädagogisches | |
Rührstück entwerfen.“ Das ist gelungen. Es wird in für Kinder | |
verständlichen Erzählbögen von Fluchtursachen, Schutzbedürftigkeit, | |
Solidarität und sogar der geltenden Rechtslage erzählt. | |
Das alles aber nie unangenehm belehrend oder allzu behutsam. So gibt es | |
entgegen der klassischen Kinderfilm-Konvention nicht für alle vier Kinder | |
ein Happy End. Aber auch vor dem Finale bricht Steinhöfels Drehbuch immer | |
wieder im Großen und im Kleinen mit Genre-Erwartungen. | |
Zum Beispiel stellt sich heraus, dass Aminatas Bruder tatsächlich | |
gestohlene Gegenstände verkauft. Ein kleinkrimineller Asylbewerber in einer | |
Kika-Serie – geht das? „Ich bin mir sicher, dass ich dafür einen auf den | |
Deckel kriegen werde“, sagt Steinhöfel. „Aber es gibt halt unter einer | |
Million Zugezogenen nicht nur Engel, und dann kann das auch in einer Serie | |
gezeigt werden. Damit stellen wir ja nicht die These auf, dass alle | |
Geflüchteten kriminell sind. Um es für die Kinder nicht allzu hart zu | |
machen, erklären wir auch die Gründe dafür: Yassirs Bruder braucht Geld, um | |
Schulden bei Schleusern bezahlen zu können.“ | |
Die positive Darstellung von Gewalt in bestimmten Kontexten dürfte manche | |
friedliebenden Eltern empören. Die vier Freunde werden von zwei tumben, | |
ausländerfeindlichen Schulhofschlägern angegriffen und verleihen ihren | |
überraschten Gegnern eine ordentliche Tracht Prügel. „Ich möchte wehrhafte | |
Kinder zeigen“, sagt Steinhöfel. „Wir leben zwar in einer Kultur, in der | |
die Duldsamkeit religiös geprägt ist. Linke Wange, rechte Wange. Aber davon | |
halte ich nichts, niemand sollte alles mit sich machen lassen.“ | |
27 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Sven Sakowitz | |
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