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# taz.de -- Rassistische Stereotypen im Kika: Zebrablut mit Heuschrecken
> „Das Mutcamp“ im Kika bedient rassistische Klischees. Das ist aber kein
> Skandal: So ist das nun mal, wenn Weiße Fernsehen für Weiße machen.
Bild: Streichel doch mal den niedlichen Elefanten!
Die Geschichte hat eigentlich das Potenzial für einen Riesenaufreger. Denn
es geht um die Symbiose zweier Themen, die für sich allein genommen schon
immer emotional aufgeladene Diskussionen garantieren: Rassismus und Kinder.
Konkret geht es um die Sendung „Das Mutcamp 3.0“, die gerade auf Kika, dem
Kinderkanal von ARD und ZDF, läuft.
Kurz bevor die dritte Staffel am 3. August startete, veröffentlichten vier
weiße Studierende der Humboldt Universität Berlin einen [1][Artikel auf dem
Onlineportal für Integration und Migration „Migazin“ mit dem Titel „Unse…
tägliche Dosis Rassismus – im Kinderkanal“]. Die Analyse der zwei
vorangegangenen Staffeln des Mutcamps kam zu folgendem Schluss: Die Sendung
wärmt kolonialrassistische Bilder auf.
Das klingt erst mal schlimm. Ausgerechnet in einer Kindersendung! [2][Auch
die Süddeutsche Zeitung drehte das Thema nach.] Aber wer sich in heller
Aufregung die Sendung anschaut, wird vielleicht etwas enttäuscht sein. Denn
„furchtbar schlimm rassistisch“ ist das „Mutcamp“ nicht. Es ist sogar in
weiten Teilen unproblematisch.
Sechs weiße Jugendliche zwischen 14 und 15 Jahren sollen sich mithilfe
einer Therapeutin und eines Trainers ihren Ängsten stellen. Drehort:
Südafrika. Also läuft ein Mädchen mit Höhenangst über eine wacklige
Hängebrücke in sieben Meter Höhe. Und ein Junge, der sich vor Tieren
fürchtet, streichelt einen Elefanten. An für sich ein unproblematisches
Konzept. Oder?
## Sanfte koloniale Wirkungsmacht
Die Kritik der HU-Studierenden richtet sich jedoch nicht gegen das
Grundkonzept, sondern gegen bestimmte Settings, Einstellungen oder
Perspektiven. Es geht um eine Art „sanften“ Rassismus. Zum Beispiel die
Entscheidung, die Sendung in Südafrika zu drehen: „Es liegt nahe, dass hier
eine Korrelation zwischen dem Titel ‚Mutcamp‘ und der Ortswahl zu ziehen
ist, die vermittelt, dass es „mutig“ ist, nach Südafrika zu reisen.“ Dam…
würden Bilder erzeugt, die Südafrika mit „Gefahr“ gleichsetzten.
Im Kern geht es um die Wirkungsmacht von Bildern im Fernsehen und um
unreflektierte Bilder im Kopf. Wird „Afrika“ in kolonialistischer Tradition
als rückständig und arm gezeigt, oder gibt es einen differenzierten Blick
auf Südafrika? Wer sich die Sendung unter diesem Aspekt anschaut, findet
viele problematische Szenen. In der zweiten Staffel wurden Jugendliche
beispielsweise für einen Projekttag in ein Township geschickt.
Die Jugendlichen sind schockiert von der Armut, die sie dort sehen. Ihre
Aufgabe ist es, dort die Wand eines Kindergartens zu streichen. Die Logik,
die mitschwingt: Die Weißen kommen, um den Schwarzen zu helfen. Die neue
Staffel wirkt zwar im Allgemeinen weniger belastet, aber auch dort gibt es
Stolperszenen: In der ersten Folge wird zum Beispiel ein Begrüßungscocktail
serviert, vorgestellt als „südafrikanisches traditionelles Stammesgetränk�…
das aus „Zebrablut und Heuschrecken“ besteht. Die Jugendlichen ekeln sich �…
dabei ist es in Wahrheit Tomatensaft.
Die Therapeutin klärt die Kinder auf und betont, dass meistens nur die
Gedanken das Problem sind, nicht aber die Situation. Eigentlich genau
richtig, nur leider wird nicht thematisiert, dass die Ängste der Kinder in
diesem Fall auf verinnerlichten Rassismen basierten.
## Übliche Abwehrhaltung
Warum glaubten die Jugendlichen sofort, dass in Südafrika Zebrablut
getrunken wird? Das Muster ist klar: Mit Wörtern „traditionell“, „Stamm�…
und „Zebrablut“ wurden subtil rassistische Stereotype abgerufen.
Der MDR, der die Produktion in Auftrag gegeben hat, kann die Kritik nicht
nachvollziehen. „Es ist für den Erfolg des Prozesses wichtig, eine Distanz
zur gewohnten Alltagswelt der Jugendlichen zu schaffen. Dies gelingt unter
anderem durch den Wechsel in eine unbekannte Umgebung und Kultur, weit weg
von zu Hause“, sagt MDR-Pressesprecherin Margit Parchomenko.
Diese Abwehrhaltung überrascht nicht. Denn „Rassist“ klingt hierzulande so
hart wie „Vergewaltiger“ oder „Kinderschänder“. Das macht eine sachlic…
Diskussion über rassistische Strukturen auch nahezu unmöglich. Mit
Sicherheit wollten die MacherInnen der Sendung nicht rassistisch sein. Aber
um Intention geht es eben nicht. Rassistisch kann jeder sein, das ist kein
Exklusivproblem des rechten Rands.
## Nicht hyperventilieren!
Das Mutcamp ist deshalb auch kein Skandal – und auch keine traurige
Ausnahme. Wer die Sendung guckt, sieht Rassismus in einer Form, die so
alltäglich ist, dass sie kaum auffällt. Alltagsrassismen im Fernsehen
finden sich nahezu überall, nicht nur in Kinderserien oder -filmen.
(Darüber, dass Disney-Filme rassistisch sind, wurden ganze Bücher
geschrieben.) Minderheiten kommen im deutschen Fernsehen kaum vor. Wenn
doch, dann meist als Klischee oder als Problemfall.
Es hilft nicht, bei jedem Mal zu hyperventilieren. Ein Blick auf Strukturen
im Fernsehen führt zum eigentlichen Problem. Das deutsche Fernsehen ist
vornehmlich von Weißen für Weiße gemacht.
Zeit für eine unaufgeregte Debatte.
12 Aug 2015
## LINKS
[1] http://www.migazin.de/2015/07/20/fernsehen-unsere-dosis-rassismus-kinderkan…
[2] http://www.sueddeutsche.de/medien/doku-verirrung-schrecklich-exotisch-1.259…
## AUTOREN
Jasmin Kalarickal
## TAGS
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