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# taz.de -- Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge: „Wir haben viel Erfahru…
> Eine obligatorische Altersfeststellung bei minderjährigen Migrant*innen?
> Der Leiter des Trierer Jugendamts hält davon nichts.
Bild: Sind sie so alt, wie sie angegeben haben, diese jugendlichen Flüchtlinge?
Mainz taz | Carsten Lang, Leiter des Trierer Jugendamts, ist ziemlich
aufgebracht. Mit Kopfschütteln verfolgt er die erregte Debatte über die
Forderung nach einer obligatorischen ärztlichen Altersfeststellung bei
unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen.
Die Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge ist gesetzlich
geregelt. Dafür sind die jeweiligen Jugendämter zuständig. Sie führen die
ersten Gespräche und erstellen den „Jugendhilfeplan“, entscheiden über die
Unterbringung. Dabei ist die Feststellung des tatsächlichen Alters zwingend
vorgeschrieben.
Sind die Flüchtlinge jünger als 18 Jahre, übernimmt das Jugendamt für sie
die Verantwortung, „Inobhutnahme“ heißt das auf bürokratisch. Die
Hilfsangebote sind dann naturgemäß aufwendiger als bei Volljährigen, der
Aufenthaltsstatus schützt Jugendliche besser vor Abschiebung.
„Natürlich wissen wir, dass junge Flüchtlinge sich deshalb als jünger
ausgeben, doch damit können wir umgehen“, versichert Lang. Er ist Leiter
eines Schwerpunktjugendamts. Seit 2015 werden unbegleitete Minderjährige
nach einem Schlüssel auf die Bundesländer verteilt. In Rheinland-Pfalz
dürfen Kreise und kreisfreie Städte seitdem die komplexe Aufgabe der
Aufnahme unbegleiteter Kinder und Jugendlicher an zentrale Stellen mit
entsprechender Expertise übertragen. Deshalb ist das Trierer Jugendamt für
die Stadt Trier und sechs weitere Landkreise zuständig.
## Qualifizierte Inaugenscheinnahme
„Wir haben so viel Erfahrung entwickelt, dass wir bei der Altersbestimmung
grundsätzlich auf ärztliche Alterstests verzichten können“, sagt Lang
selbstbewusst. „Unsere Fachleute fragen die Jugendlichen zum Beispiel nach
den Stationen ihrer Flucht und nach der Schulbiografie. Die wissen, wie
etwa das Schulsystem in Afghanistan aufgebaut ist, und überprüfen die
Plausibilität der Angaben.“ Bei der „qualifizierten Inaugenscheinnahme“,…
heißt das im Gesetz, machten sich die Fachkräfte ein Bild. Selbst
Passunterlagen seien dabei durchaus nicht immer eine verlässliche
Datengrundlage, so Lang.
Im Jahr 2017 habe das Trierer Jugendamt 109 Altersbestimmungen vorgenommen.
„In 26 Fällen, das sind 24 Prozent, haben wir ein älteres Lebensalter
festgesetzt“, berichtet Lang. „Bislang haben uns die
Flüchtlingsorganisationen kritisiert, wir machten die Asylbewerber älter,
um Leistungen einzusparen; jetzt heißt es, uns gingen zu viele durchs Netz.
Beides ist falsch“, so Lang.
„Wollen Sie einem traumatisierten Flüchtling erst einmal mit Misstrauen
begegnen und ihn in eine ärztliche Untersuchung zwingen?“, fragt der
Amtschef. Man müsse sich die Traumata eines jugendlichen Flüchtlings wie
einen vollgestopften Schrank vorstellen, so habe ihm das ein Therapeut
erklärt: „Wenn Sie ihn dazu bringen wollen, den Schrank zu öffnen, müssen
Sie aufpassen, dass der junge Mensch nicht von den Inhalten erschlagen
wird. Er braucht eine Vertrauensbasis, um sich zu öffnen und die
Erfahrungen zu verarbeiten.“
10 Jan 2018
## AUTOREN
Christoph Schmidt-Lunau
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