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# taz.de -- Anzeige gegen iranischen Justiz-Chef: Der kranke Todesrichter
> Mahmud Haschemi Shahroudi lässt sich in Hannover behandeln. Er war
> Leiter der iranischen Justiz. Volker Beck hat ihn angezeigt.
Bild: Wurde von Volker Beck angezeigt: Mahmud Haschemi Shahroudi, Ex-Justizchef…
BREMEN taz | Während in den letzten Tagen Hunderte Exil-Iraner etwa in
Hamburg vor dem Rathaus oder dem iranischen Generalkonsulat demonstrierten,
zieht es Kritiker des iranischen Regimes in Niedersachsen derzeit an einen
ungewöhnlicheren Ort: das „International Neuroscience Institute“ – eine
Privatklinik im Nordosten Hannovers. Dort demonstrierten am Samstag etwa
200 Menschen. Grund ihres Protests: Mit Mahmud Haschemi Shahroudi
befindet sich derzeit eine prominente Figur des iranischen Regimes in der
Klinik.
Von 1999 bis 2009 war Shahroudi Chef der iranischen Justiz und gilt als
enger Vertrauter und möglicher Nachfolger des iranischen Religionsführers
Ali Khamenei. Kritiker machen ihn für Folter und Todesurteile auch an
Minderjährigen verantwortlich. Der ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete
Volker Beck hat Shahroudi nun wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit
angezeigt.
Shahroudi wird in Hannover angeblich wegen eines Hirntumors behandelt,
[1][wie die Bild berichtete]. Besuch erhielt er dort bereits von Ayatollah
Reza Ramezani, dem Leiter des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH). Auch der
54-jährige Theologe gehört zur politischen Elite des Iran. Er ist Mitglied
im „Expertenrat“ der Republik und Vertreter Khameneis in Deutschland. Das
[2][IZH wird vom Verfassungsschutz beobachtet] und wurde zuletzt am Samstag
in Hamburg [3][von Demonstranten als Betätigungsort des iranischen
Geheimdienstes kritisiert].
„Deutschland darf kein Rückzugsraum sein für Leute, die in ihren Ländern
Menschen aus politischen oder religiösen Gründen verfolgen und mit dem Tode
bedrohen“, erklärte Beck zu seiner Anzeige gegen Shahroudi. „Wenn die
Bundesregierung dem Organisator der massenhaften Ermordung durch die
iranische Justiz diplomatische Immunität gewährt hätte, wäre das ein großer
Fehler.“
Ob Shahroudi diplomatische Immunität in Deutschland genießt, wurde vom
Bundesaußenministerium bis Montagabend nicht beantwortet.
„Ich erwarte, dass Ermittlungen aufgenommen werden“, sagte Beck der taz. Im
Zweifelsfall müsse Shahroudi in Untersuchungshaft kommen. „Wir wollen
niemandem die Behandlung verwehren, denn wir sind kein inhumanes Land. Aber
Herr Sharoudi darf sich möglichen Ermittlungen nicht entziehen.“ Sharoudi
habe Minderjährige zu Tode verurteilt, beziehungsweise diese Urteile nicht
aufgehoben, „zum Beispiel in einem Fall, in dem ein Mädchen ‚gestand‘ Op…
einer Vergewaltigung zu sein und sie deshalb perverserweise wegen
unehelichen Geschlechtsverkehrs zum Tode verurteilt wurde“, so Beck.
Auch der Fall des iranisch-kurdischen Makwan Moloudzadeh fiel in die
Amtszeit Shahroudis. Der zum Tatzeitpunkt 13-Jährige wurde am 4. Dezember
2007 hingerichtet. [4][Unter anderem Amnesty International protestierte]
und adressierte auch Shahroudi, der das Urteil nicht aufschieben wollte.
Der [5][Paragraf 7 des Völkerstrafgesetzbuches], der Verbrechen gegen die
Menschlichkeit bestraft, ist laut Beck unter anderem bei der Ermordung von
Menschen und Freiheitsentzug im Rahmen eines ausgedehnten oder
systematischen Angriffs gegen die eigene Zivilbevölkerung anzuwenden. „Das
trifft auf den Iran zu, wenn es um die Bahai, Kurden, Frauen oder sexuell
unterdrückte Minderheiten geht“, erklärte Beck. Insofern sei der Paragraf
bei Sharhoudi einschlägig.
Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe bestätigte am Montag
den Eingang der Strafanzeige. Diese werde nun geprüft. Grundsätzlich sei
der Generalbundesanwalt nach dem sogenannten [6][Weltrechtsprinzip] bei
Verbrechen gegen das Völkerstrafrecht durchaus zuständig.
Die Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch und Amnesty
International begrüßten die Anzeige gegen Shahroudi. „Amnesty hat in der
Amtszeit von Mahmoud Hashemi Shahroudi als Leiter der iranischen Justiz
immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen im Iran dokumentiert“,
erklärte René Wildangel, Experte für den Nahen und Mittleren Osten bei
Amnesty International in Deutschland.
## „Hinrichtungen von Minderjährigen“
„Dazu zählen die Hinrichtung von Minderjährigen, Steinigungen oder
Körperstrafen wie Amputationen, die völkerrechtlichen Normen eindeutig
widersprechen“, so Wildangel. Amnesty befürworte grundsätzlich „Ansätze,
die geeignet sind, mit fundierten juristischen Mitteln gegen die
Straflosigkeit von Verantwortlichen für Menschenrechtsverbrechen
vorzugehen.“
Wenzel Michalski, Direktor von Human Rights Watch Deutschland, erklärte der
taz: „Es gibt den Verdacht, dass er als oberster Justizbeamter des
iranischen Staates für die Hinrichtung von Jugendlichen verantwortlich
war.“
Michalski beklagt eine zu freundliche Haltung der Bundesregierung gegenüber
dem Iran: Die Verurteilung der massiven Beschränkung der Meinungs- und
Demonstrationsfreiheit bei den jüngsten Protesten sei „wachsweich“ gewesen.
„Der Atomdeal und der Blick auf die Geschäftsbeziehungen darf nicht dazu
führen, dass der Blick auf die Menschenrechte im Iran verloren geht“, sagte
Michalski.
9 Jan 2018
## LINKS
[1] http://www.bild.de/politik/ausland/iran/mullah-laesst-sich-in-privatklinik-…
[2] http://www.hamburg.de/innenbehoerde/schlagzeilen/6509770/islamisches-zentru…
[3] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Exil-Iraner-protestieren-in-Hamburg,…
[4] https://www.amnesty.org/en/press-releases/2007/12/iran-execution-child-offe…
[5] https://www.gesetze-im-internet.de/vstgb/__7.html
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Weltrechtsprinzip
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
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