# taz.de -- Kommentar Protest im Iran: Das Dilemma der Reformer | |
> Wenn Regimekritiker im Iran nicht auf der Straße protestieren, heißt das | |
> nicht, dass sie dem Reformkurs abgeschworen haben – im Gegenteil. | |
Bild: Reformer unter Druck: Hassan Rohani | |
Der Iran blickt auf eine lange Geschichte politischer Proteste und | |
Revolutionen zurück. In der jüngeren Geschichte des Landes steht dafür | |
beispielsweise der Sturz des repressiven Schah-Regimes im Jahr 1979, der | |
letztendlich die Fraktion um den verstorbenen Revolutionsführer Ajatollah | |
Chomeini an die Macht brachte. | |
Friedhofsruhe breitete sich deswegen jedoch nicht aus. Man erinnere sich an | |
die Studentenproteste, die die beiden Amtszeiten des gemäßigten Reformers | |
Mohammed Chatami (1997–2005) begleiteten. Ein regelrechter Aufstand | |
erfolgte 2009 im Kontext der Grünen Bewegung, die unter der Parole „Wo ist | |
meine Stimme?“ gegen die Wahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad | |
protestierte. Und das Regime schlug hart zurück; die Bewegung wurde Ende | |
Dezember des gleichen Jahres gewaltsam niedergeschlagen. | |
Vor diesem Hintergrund überrascht es wenig, dass sich durchaus bekannte | |
Reformer schwer damit tun, [1][sich den heutigen Protesten anzuschließen]. | |
Sie haben hart für einen innenpolitischen Reformkurs gekämpft – und mit der | |
Wahl von Hassan Rohani zum Staatspräsidenten im Jahr 2013 auch einen Erfolg | |
errungen. | |
Zu der Erfahrung des Jahres 2009 gehört freilich auch die Brutalität, mit | |
der die „Sicherheitskräfte“, also Polizei, Militär und Revolutionsgardist… | |
sowie andere Milizionäre Jagd auf die Protestierenden machten. Zahllose | |
Demonstranten verschwanden hinter Gittern und wurden gefoltert. Die beiden | |
Führer der Grünen Bewegung, Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karrubi, stehen | |
bis heute unter Hausarrest. | |
Eine Erkenntnis, die sich daraus ergibt, lautet schlicht und ergreifend: | |
Das Regime ist stärker als wir. Und die Konsequenz, die so manche Kämpfer | |
von damals aus eben dieser Erkenntnis gezogen haben, war es, den Marsch | |
durch die Institutionen anzutreten. Darin waren sie durchaus erfolgreich. | |
Wenn heute also Regimekritiker nicht auf den Straßen protestieren, sondern | |
zu Hause bleiben, heißt das nicht, dass sie dem Reformkurs abgeschworen | |
haben – ganz im Gegenteil. Aus ihrer Sicht geht es darum, das Erreichte | |
auszubauen, anstatt zu riskieren, es zu verlieren. | |
## Verlierer könnte Rohani sein | |
Verlierer könnte tatsächlich leicht der Reformer Rohani sein – und nicht | |
das Lager von Revolutionsführer Ali Chamenei, der im Land politisch das | |
letzte Wort hat. Rohani, der ganz auf das internationale Atomabkommen und | |
die Lockerung der Sanktionen setzte, die dem Land einen ökonomischen | |
Aufschwung bescheren sollten, hat in den Augen vieler seine Versprechen | |
nicht eingelöst. | |
Insofern richtet sich die Wut der Protestierenden heute auch gegen Rohani. | |
Und ein Regimewechsel könnte alles nur noch schlimmer machen. | |
4 Jan 2018 | |
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[1] /Protokolle-aus-Iran/!5471903 | |
## AUTOREN | |
Beate Seel | |
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