# taz.de -- Bundesländer wollen §219a streichen: Vier Länder gegen einen Par… | |
> Paragraf 219a verbietet „Werbung“ für Abtreibungen. Berlin, Brandenburg, | |
> Bremen und Hamburg wollen ihn per Bundesratsinitiative kippen. | |
Bild: Sollte bald „Geschichte werden“: Paragraf 219a | |
Berlin taz | Vier Bundesländer wollen mit einer Bundesratsinitiative den | |
Paragrafen 219a Strafgesetzbuch, der „Werbung“ für Abtreibungen verbietet, | |
streichen. Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) hatte dies bereits | |
vergangene Woche angekündigt, nun schließen sich ihm seine Amtskollegen aus | |
Bremen, Hamburg und Brandenburg an. Der Paragraf wird oft von radikalen | |
Abtreibungsgegner*innen genutzt, um Ärzt*innen einzuschüchtern. | |
„Das Problem liegt auf dem Tisch und die Lösung ist greifbar“, sagt der | |
Hamburger Justizsenator Till Steffen (Grüne) der taz. Er berate derzeit mit | |
seinen Kollegen in anderen Bundesländern über den konkreten Inhalt einer | |
Bundesratsinitiative. „Im Vordergrund muss dabei stehen, dass für alle | |
Frauen sachliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche verfügbar | |
sind“, sagt Steffen. | |
Ähnlich argumentiert der Bremer Justizsenator Martin Günthner (SPD): „Es | |
muss unser Anliegen sein, bestmögliche Patientinnenrechte gerade für Frauen | |
in Notlagen zu gewährleisten“, erklärte er und sagte Bremens Unterstützung | |
für eine etwaige Bundesratsinitiative zu. Aus dem Brandenburger | |
Justizministerium heißt es, Minister Stefan Ludwig (Linke) setze sich „für | |
die ersatzlose Streichung des Paragrafen 219a StGB ein“ und werde eine | |
Bundesratsinitiative initiieren. Die Regelung verhindere, dass Frauen sich | |
umfassen informieren könnten, sagt Ludwig der taz. „Deswegen geht dieser | |
Paragraf an der Lebenswirklichkeit vorbei.“ | |
Paragraf 219a verbietet die „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“ | |
und bestraft diese mit Haft bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. Er ist | |
allerdings so weit gefasst, dass darunter auch fällt, wenn Ärzt*innen | |
sachlich darüber informieren, dass sie den Eingriff vornehmen. Ende | |
November hatte das Gießener Amtsgericht die Ärztin Kristina Hänel [1][zu | |
einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt], weil auf ihrer Webseite das | |
Wort „Schwangerschaftsabbruch“ steht und man über einen Link zu einem | |
Dokument mit Informationen über den Eingriff gelangt. Radikale | |
Abtreibungsgegner*innen nutzen den Paragrafen zunehmend, um Ärztinnen und | |
Ärzte mit Anzeigen zu überziehen. Schwangerschaftsabbrüche sind in | |
Deutschland verboten, aber unter bestimmten Bedingungen straffrei. | |
Das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass es den Ärztinnen und | |
Ärzten möglich sein muss, darauf hinzuweisen, dass Patientinnen ihre | |
Dienste in Anspruch nehmen können, sagte der Bremer Justizsenator Günthner. | |
Paragraf 219a behindere das Anrecht von Frauen auf sachliche Information | |
und stehe daher einer selbstbestimmten Entscheidungsfindung entgegen. Sein | |
Hamburger Amtskollege Steffen betont, bei Paragraf 219a handle es sich um | |
eine „sehr frauenfeindliche Regelung, die geändert werden muss.“ | |
Verhaltener äußert sich Herbert Mertin (FDP), Justizminister von | |
Rheinland-Pfalz. Eine vollständige Streichung des Paragrafen müsse | |
sorgfältig darauf geprüft werden, ob sie vor dem Bundesverfassungsgericht | |
Bestand habe, sagte er der taz mit Verweis auf den Schutz des ungeborenen | |
Lebens. Eine Komplettabsage ist das allerdings nicht: „Ob das Land | |
Rheinland-Pfalz entsprechende Initiativen aus anderen Ländern unterstützen | |
wird, werden wir beurteilen, wenn diese in ihrer konkreten Ausgestaltung | |
hier vorliegen.“ | |
Die Bremische Bürgerschaft hatte am Donnerstag einen [2][Antrag von Grünen, | |
SPD, Linken und FDP] angenommen, welcher den Senat auffordert, sich | |
„schnellstmöglich auf Bundesebene für die Streichung des Paragrafen 219a | |
StGB einzusetzen“ beziehungsweise dessen Aufhebung im Bundesrat selbst zu | |
beantragen. Ein [3][ähnlicher Antrag der Grünen] im bayerischen Landtag war | |
am Donnerstag abgelehnt worden. | |
## Strafrecht ist unnötig | |
Der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt hatte vergangene Woche im Spiegel | |
angekündigt, dem Senat eine Bundesratsinitiative vorschlagen zu wollen. | |
Diese könnte am kommenden Dienstag im Senat beschlossen werden, sagte er | |
der taz. „Wenn alles gut läuft, können wir das Vorhaben dann am Freitag im | |
Bundesrat einbringen.“ Am 15. Dezember tritt der Bundesrat das letzte mal | |
in diesem Jahr zu einer Plenarsitzung zusammen. Sollte beim folgenden | |
Termin im Februar 2018 schon abgestimmt werden, bräuchte es für eine | |
Mehrheit 35 der insgesamt 69 Stimmen. Berlin, Brandenburg, Bremen und | |
Hamburg kommen zusammen auf 16 Stimmen. | |
„Niemand will reißerische Werbeplakate für Schwangerschaftsabbrüche in | |
U-Bahnen“, sagte Behrendt. „Aber um das zu verhindern, braucht es nicht das | |
Strafrecht.“ Behrendt verweist auf die Berufsordnung der Ärzt*innen in | |
Deutschland sowie Regelungen zum unlauteren Wettbewerb und die Möglichkeit, | |
unangemessene Werbung als Ordnungswidrigkeit zu ahnden. Wie viel Erfolg | |
eine Bundesratsinitiative zu Paragraf 219a haben werde, sei schwer | |
einzuschätzen. „Ich habe aber den Eindruck, dass es aufgrund der aktuellen | |
Debatte gerade viel Rückenwind für das Vorhaben gibt.“ | |
Auch im Bundestag arbeiten SPD, Linke und Grüne derzeit an Gesetzentwürfen | |
zur Streichung des Paragrafen 219a oder haben diese bereits vorgelegt. Auch | |
die FDP sieht Änderungsbedarf an der bestehenden Regelung. „Ich bin | |
zuversichtlich, dass es uns gelingt, diesen alten Paragrafen im ersten | |
Quartal des Jahres 2018 Geschichte werden zu lassen“, sagt Behrendt. | |
8 Dec 2017 | |
## LINKS | |
[1] /Geldstrafe-wegen-Abtreibungswerbung/!5466133 | |
[2] http://www.bremische-buergerschaft.de/drs_abo/2017-12-05_Drs-19-1437_eed5a.… | |
[3] https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP17/Drucksachen/Basisdruc… | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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