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# taz.de -- Neue Parteispitze der Grünen: Nachruf auf den grünen Fundi
> Bis heute ist immer wieder von ihm zu lesen. Dabei gehört er seit über
> einem Vierteljahrhundert auf die Liste der ausgestorbenen Säugetiere.
Bild: Von der Galapagos-Schildkröte gibt es kaum noch Exemplare, anders als vo…
Die außerordentliche Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen Ende Januar in
Hannover hat beste Aussichten, zu einem ganz besonderen Ereignis werden.
Erstmals, so ist in diesen Tagen in etlichen Zeitungen – [1][auch in der
taz] – zu lesen, könnte die Partei eine „Doppelspitze ohne Fundi“ wähle…
Geradezu phänomenal wäre das, würde es doch im Umkehrschluss bedeuten, dass
es bis heute immer noch einen Fundi an der Grünen-Spitze gibt. Das wäre ein
Sensationsfund.
Denn bislang waren Forscher eigentlich davon ausgegangen, dass der grüne
Fundi längst das Schicksal des Wüsten-Langnasenbeutlers, des
Breitkopfkängurus oder des Cebu-Pustelschweins teilt. Dass also der einzige
ihm verbliebene Platz der auf der Liste der neuzeitlich ausgestorbenen
Säugetiere ist.
Die letzten Exemplare dieser Spezies wurden jedenfalls im April 1991 auf
der Bundesversammlung der Grünen im schleswig-holsteinischen Neumünster
gesichtet. Mit großem Tamtam verabschiedete sich damals Jutta Ditfurth
zusammen mit ihren noch paar Dutzend Getreuen ins außergrüne Nirwana.
Entdeckt hatten den grünen Fundi 1982 Joschka Fischer und seine
regierungsgeilen Kumpels in Hessen. Die bezeichneten sich selbst
euphemistisch als „Realpolitiker“, kurz „Realos“, brauchten allerdings …
eine griffige Etikettierung ihrer innergrünen Kontrahenten, die
Regierungsbeteiligungen kritischer sahen. Die nannten sich
„Radikalökologen“, was Fischer und den ihm ergebenen Agitatoren vom
Sponti-Blättchen Pflasterstrand aber eindeutig zu positiv klang. Und da
fiel ihnen die wunderbar diffamierende Bezeichnung „Fundamentalisten“, kurz
„Fundis“, ein.
## Unausrottbares Etikett
Ein höchst effektiver politischer Kampfbegriff war geboren. Denn mit ihm
konnten innerparteiliche Gegner hervorragend als quasi religiöse Fanatiker
verunglimpft werden. Es dauerte nur wenige Jahre, da waren die
Radikalökologen marginalisiert, zuerst in Hessen, dann auch im Rest der
alten Bundesrepublik. Die diskreditierende Zuschreibung wurden Ditfurth &
Co. bis zu ihrem Abgang aus der Partei nicht mehr los.
Mit dem Verschwinden der Radikalökologen verschwand in den Grünen auch der
grundsätzliche Streit um Regierungsbeteiligung. Seitdem sind die
Parteirechten, die sich immer noch Realos nennen, und die verbliebenen
Parteilinken in Pragmatismus vereint: Regiert wird, wenn’s irgendwie
möglich ist. Der grüne Fundi ist also ausgestorben.
Trotzdem geistert das Etikett bis heute hartnäckig durch Medienberichte
über linke Grüne, scheint schier unausrottbar zu sein. Selbst die glücklose
Nochbundesvorsitzende Simone Peter, einst ganz realpolitisch erste grüne
„Jamaika“-Ministerin der Republik, ist nicht davor gefeit, zur Angehörigen
jenes sagenumwobenen „Fundi-Flügels“ erklärt zu werden.
Ein Fall von optischer Täuschung: Man sieht einen Elefanten im
Porzellanladen – und glaubt, es handele sich um ein Mammut.
15 Dec 2017
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## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
Grüne
Robert Habeck
Jamaika
Joschka Fischer
Schwerpunkt Klimawandel
Lesestück Recherche und Reportage
Cem Özdemir
Hans-Christian Ströbele
Rebecca Harms
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