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# taz.de -- Parlaments-Abschied: Die letzte Linke
> Nach fast 20 Jahren zieht sich die Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete
> Antje Möller aus der ersten Reihe zurück. Sie scheide nicht im Streit,
> sagt die letzte prominente Vertreterin des ehemaligen Fundi-Flügels.
Bild: Nicht müde: Antje Möller und der Mit-Grüne Anjes Tjarks am Bürgerscha…
Am Tag vor ihrem 56. Geburtstag ist Schluss. Wenn die Grünen-Fraktion in
der Hamburgischen Bürgerschaft am 25. März turnusgemäß ihren Vorstand neu
wählt, stellt Antje Möller sich nicht mehr zur Wahl. Die letzte Linke in
der ersten Reihe der Hamburger Grünen gibt ihren Vorstandsposten als
Parlamentarische Geschäftsführerin auf, für den Rest der Legislaturperiode
ist sie nur noch einfache Abgeordnete. „Ich will mich beruflich außerhalb
des Parlaments neu orientieren“, sagt Möller und lässt offen, was das
bedeutet.
Ob sie zur nächsten Bürgerschaftswahl im Februar 2015 überhaupt wieder
kandidieren will, sei noch nicht entschieden, sagt die profilierte
Innenpolitikerin: „Ich konzentriere mich jetzt mehr auf meinen Wahlkreis
und auf die Flüchtlingspolitik. Da gibt es reichlich zu tun.“ Das klingt,
als könnte es für Innensenator Michael Neumann (SPD) künftig noch
ungemütlicher werden. Denn in der Hamburger Politik ist Antje Möller dafür
bekannt und – so sagen manche – berüchtigt, dass sie vor und sehr oft auch
hinter den Kulissen vehement für Flüchtlinge und MigrantInnen streitet.
Antje Möller wirkt nicht müde oder gar resigniert. Zur Halbzeit der
Wahlperiode sei „einfach ein guter Zeitpunkt, andere Leute neue Impulse
setzen zu lassen“, sagt sie. Im September wird sie 20 Jahre lang
Bürgerschaftsabgeordnete sein, 14 Jahre davon in führenden Funktionen – als
Fraktionsvorsitzende, als Stellvertreterin, seit 2011 als Chefin vom
Dienst. Sowas kann schlauchen, aber es ist nicht Möllers Art, damit zu
kokettieren oder sich zu beklagen.
Sie vermisse „manchmal die inhaltliche Auseinandersetzung“, sagt sie
stattdessen, es gebe zunehmend „weniger Debatte und mehr Flurfunk“. Für
Möller, die ihre Worte immer mit Bedacht wählt, kommen solche Aussagen
Unmutsäußerungen schon sehr nahe. Es gebe keinen internen Streit, stellt
sie klar, aber Politik sei „schon weniger vorausblickend und sehr viel
pragmatischer“ geworden.
Nun weiß Möller das Machbare in der Politik durchaus zu schätzen. Aber die
gelernte Stadt- und Regionalplanerin hat immer auch die großen Linien im
Blick: „Man muss die Menschen einbinden, und das geht nur mit Diskurs.“
Gerade die Volksgesetzgebung in Hamburg mit Volksentscheiden habe die
Notwendigkeit der Debatte verstärkt, sagt Möller, das neue
Bürgerschaftswahlrecht mit direkt gewählten Abgeordneten in den 17
Wahlkreisen ebenfalls. Das bringe „neue Herausforderungen“ mit sich und
erschwere Hinterzimmerpolitik – dass sie das gut findet, daran lässt Möller
keinen Zweifel.
Zu einer führenden Vertreterin der Partei-Linken – die damals noch Fundis
hießen – wurde Möller in den 1990er Jahren: Während der rot-grünen
Koalition 1997 bis 2001 gab es im Senat heftige Kontroversen über die harte
Abschiebepolitik des damaligen SPD-Innensenators Hartmuth Wrocklage. Die
damalige GAL-Fraktionschefin Möller stritt an vorderster Front und in
nächtelangen Sitzungen für mehr Humanität – aber selten erfolgreich. Das
belastet sie bis heute, ihren Kampfgeist aber schmälert es nicht.
Beharrlich ist sie noch immer, was vor allem Männer manchmal anstrengend
finden.
Die große Zäsur kam 1999. Wegen des Kosovo-Krieges verließen fünf
Abgeordnete des linken GAL-Flügels die Partei und saßen bis 2001 als
„Regenbogen“ in der Bürgerschaft und in Opposition zu Rot-Grün. Möller
blieb Grüne, erhielt von der taz den Titel „Restlinke“. Der Bruch damals
sei „ein harter Einschnitt gewesen“, sagt Möller, politisch und persönlic…
Zwei der Abgewanderten sitzen inzwischen für die Linkspartei im Plenarsaal
des Hamburger Rathauses, Animositäten gibt es nicht.
Mit der Koalition der Hamburger Grünen mit der CDU hat Möller immer ein
wenig gefremdelt, ihre Wunschvorstellung war das nicht. Aber sie blieb
loyal bis zum Bruch des Bündnisses – und das scheiterte 2010 eben nicht an
ideologischen Fragen oder speziell der Innen- und Flüchtlingspolitik,
sondern am Rücktritt Ole von Beusts und einem verlorenen Volksentscheid
über die Schulreform.
Antje Möller hat all das mitgemacht, weil sie eine leidenschaftliche
Politikerin und eine überzeugte Grüne ist. Von ihrer Art gibt es nicht mehr
viele.
21 Feb 2013
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
Sven-Michael Veit
## TAGS
Grüne
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