| # taz.de -- UN-Tribunal in Den Haag zu Srebrenica: „Genozid“, „Mord und G… | |
| > Schuldig in fast allen Anklagepunkten. Mit dem Urteil gegen Ratko Mladić | |
| > enden die Verfahren zum Bürgerkrieg in Jugoslawien. | |
| Bild: Mladic pöbelte bei der Urteilsverkündung so lange, bis man ihn aus dem … | |
| Den Haag taz | Dass er lebenslänglich hinter Gittern muss, erfuhr Ratko | |
| Mladić „in einem Raum mit einem Sofa, wo er den weiteren Verlauf verfolgen | |
| kann“. So beschrieb der vorsitzende Richter des Jugoslawien-Tribunals, | |
| Alphons Orie, den Ort, an den er seinen prominenten Angeklagten, den | |
| früheren Oberbefehlshaber der bosnisch-serbischen Armee im jugoslawischen | |
| Bürgerkrieg, kurz vor der Verkündung seines Urteils verbannte. Kurz zuvor | |
| hatte Mladić sich erhoben und wild gestikulierend eine Schimpfkanonade | |
| abgelassen. Orie hatte sich geweigert, einem Antrag stattzugeben und die | |
| Sitzung wegen Mladić’ hohen Blutdrucks zu unterbrechen. | |
| Ein letztes Mal ging diese Spannung durch den Gerichtssaal I des | |
| UN-Jugoslawien-Gerichtshofs (ICTY) in Den Haag. Ein letztes Mal richteten | |
| sich ungläubige Blicke auf den früheren General, dessen Verfahren am | |
| Mittwoch so endete, wie es vor fünf Jahren bei der ersten Sitzung begann: | |
| mit einem bizarren Schauspiel des Angeklagten. Beeindrucken ließ sich Orie | |
| freilich nicht mehr: Kurz nach dem Verweis sprach er Mladić in zehn von elf | |
| Anklagepunkten schuldig – darunter: Genozid in Srebrenica, Verbrechen gegen | |
| die Menschlichkeit, Mord und der Geiselnahme von UN-Personal. | |
| Auch für die Belagerung Sarajevos und der Terrorisierung der dortigen | |
| Bevölkerung sieht das Gericht die Schuld Mladić’ als erwiesen an. In vier | |
| Fällen sei der frühere General zudem ein zentraler Teil krimineller | |
| Vereinigungen gewesen – gemeinsam mit anderem militärischen und politischen | |
| Führungspersonal der bosnisch-serbischen Republik. Richter Orie sagte, | |
| Mladić habe sich mehrerer der „grausamsten Verbrechen, die die Menschheit | |
| kennt“, schuldig gemacht. | |
| Deren übergeordneten Ziel sei es gewesen, „Muslime und Kroaten permanent | |
| aus den serbisch beanspruchten Territorium in Bosnien- Herzegowina zu | |
| entfernen“, was mithin der Zweck einer „umspannenden kriminellen | |
| Vereinigung“ gewesen sei. An mehreren Stellen der Urteilszusammenfassung | |
| hieß es, die genannten Verbrechen wären „ohne den Angeklagten nicht in | |
| dieser Form begangen worden“. Im Fall des Genozids in Srebrenica sagte | |
| Orie, Mladić hätte „beabsichtigt, die bosnischen Muslime zu eliminieren“. | |
| ## Kritik von Opferverbänden | |
| Freigesprochen wurde er dagegen im ersten Anklagepunkt: dem Genozid in | |
| sechs bosnischen Kommunen zu Beginn des Krieges 1992. Orie erläuterte, die | |
| Grausamkeiten gegen die dortige Bevölkerung hätten in mehreren Fällen den | |
| Tatbestand der Eliminierung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit | |
| erfüllt. Auch hätte es teilweise einen Willen zur „Zerstörung“ der | |
| bosnischen Muslime gegeben. Allerdings seien davon „relativ kleine Gruppen“ | |
| der jeweiligen Bevölkerung betroffen gewesen. | |
| Bei den Opferverbänden, die ab dem frühen Morgen vor dem Tribunal vertreten | |
| waren, stößt das auf Kritik – zumal auch der bosnisch-serbische Präsident | |
| Radovan Karadžić 2016 in diesem Punkt freigesprochen worden war. Einen | |
| Genozid als solchen zu benennen und die Täter zu verurteilen, sei wichtiger | |
| als die Höhe der Strafe, sagte Fikret Alić. Sein Foto ging im Sommer 1992 | |
| um die Welt – als ausgemergelter Häftling des Konzentrationslager | |
| Trnopolje. Zu Urteilsverkündungen kommt Alić regelmäßig nach Den Haag, um | |
| für Opfer und Hinterbliebene Gerechtigkeit zu fordern. | |
| „Ich verstehe den Frust darüber“, sagte Chefankläger Serge Brammertz in | |
| einer Ansprache im Foyer des Tribunals kurz nach der Urteilsverkündung. | |
| Dessen „historischer“ Charakter werde dadurch aber nicht geschmälert. | |
| Brammertz sprach von einem „Meilenstein“ in der Geschichte des ICTY. Womit | |
| er nicht nur die Tatsache meinte, dass Mladić wie von der Anklage gefordert | |
| lebenslänglich hinter Gitter muss. Vielmehr habe der Richter eine | |
| persönliche „Absicht der Zerstörung“ festgestellt – ein „wichtiges und | |
| neues Element“ der Rechtsprechung am Jugoslawien-Tribunal. | |
| Eine Absage erteilte Brammertz der in Serbien verbreiteten Auffassung, | |
| Urteile wie dieses seien gegen die serbische Bevölkerung gerichtet. Auch in | |
| Den Haag tauchte am frühen Morgen vor dem Gerichtsgebäude ein serbischer | |
| Nationalist mit serbischer Flagge auf und provozierte damit die dort | |
| wartenden Opferverbände. „Es ging hier einzig und allein um Mladić’ | |
| Schuld“, sagte Brammertz. Dieser sei keineswegs ein Held oder Verteidiger | |
| seines Volk, wie manche noch immer sagten. Die wahren Helden seien die | |
| Zeugen des Bürgerkriegs, die immer wieder die Reise nach Den Haag | |
| angetreten hätten. Seit der Gründung des ICTY 1993 haben dort 4.650 Zeugen | |
| ausgesagt – 591 davon allein im Verfahren gegen Ratko Mladić, das sich über | |
| 530 Prozesstage hinzog. Ende des Monats schließt das Tribunal seine | |
| Pforten. Die verbleibenden Berufungsverfahren werden von der | |
| Nachfolgeorganisation Mechanism for International Criminal Tribunals | |
| (MICT) abgehandelt, die im selben Gebäude sitzen wird. | |
| Der Mladić-Prozess hatte nicht nur wegen der Rolle des Angeklagten im | |
| jugoslawischen Bürgerkrieg auch heute noch eine enorme Bedeutung für | |
| Bosnier und Serben. Auch dass der Exgeneral 16 Jahre nach seiner Anklage | |
| überhaupt ausgeliefert wurde, gilt in Den Haag als Signal im Kampf gegen | |
| die Straflosigkeit von Kriegsverbrechen. | |
| 22 Nov 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Tobias Müller | |
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